Mit Romanverfilmungen tue ich mich im Allgemeinen schwer. Es ist nie möglich, dass Buch in seiner Gänze und seinem Verständnis zu erfassen. Allerdings ist bei der Umsetzung viel zu beachten, zwischen dem einfachen Abschreiben eines Buches, das zumeist kurz ist, der erste Harry Potter Band ist dabei ein gutes Beispiel, oder auch der meist komplexeren Neuinterpretation eines vielseitigen Werkes.
"Die Tribute von Panem: The Hunger Games" ist wohl eher letzters, auch wenn eine gewisse Fusion der beiden unübersehbar ist. Ross hat aber nicht nur mit den Problemen von Columbus & Co zu kämpfen, sondern auch der Schwierigkeit eines Ich - Erzählers. Die Emotionswelt der Protagonistin in diesem Fall auch nur im Ansatz zu erfassen, ist beinah unmöglich.
Schlussendlich sei Ross also mit diesen Widrigkeiten als Voraussetzung zu seinem Werk zu beglückwunschen, denn er bietet nicht nur ein interessantes Drehbuch und orginelle Inszenierungen, sondern auch noch einen Trumpf: Jennifer Lawrence. Die Einführungen zum Verständnis halten sich kurz, jedoch nicht zu kurz, es wird ein grober Überblick gegeben ohne dabei wichtiges auszulassen: Der Film beginnt schließlich auch zuerst bei der Ernte. Hier werden einige Abänderungen vorgenommen, das ganze wirkt aber diesbezüglich homogen, als das eine triste, verzweifelnde Grundstimmung vermittelt wird und keine altbackende Dramatik mit hochemotionaler Musik zum Tragen kommt, wie es genretypische Epen versuchen. Nein, der ganze Film wirkt deshalb auch sehr echt und überraschend intensiv. Auch die vornehme Zurückhaltung von epischen ochestralen Einsätzen vermittelt fast den Anschein einer Doku, als wäre man live dabei.
Dass das ganze vom Cast dann auch noch formidabel gespielt wird und der Propagandafilm des Kapitols eingespielt wird, bewirkt außergewöhnliche Seriösität, wie es Harry Potter und Twilight, mit denen der Film oft, aber auch völlig absurdeweise verglichen wird, nicht wirklich umsetzen konnten.
Lawrence und Hutcherson sind im Film die Hauptrollen zuzuordnen, auch wenn Lawrence' Katniss natürlich der Dreh- und Angelpunkt ist. Hutcherson spielt nicht sehr variabel, aber gekonnt ernst und bei Showmaster Cesar Flickermann charmant und lustvoll. Lawrence führt natürlich auch schon die im Vorfeld oft benannte Meisterleistung aus. Sie spielt Katniss genau richtig, zwischen Heldin wider Willen und dem verletzlichen Mädchen, dass in ihrem Leben schon zuviel durchgemacht hat und nun Mut aufbringen muss. Sie besitzt offensichtlich große Spielfreude und hat auch Mut zur Hässlichkeit, die sie trotzdem dann auch ungeniert durchspielt, wobei Hässlichkeit auch immer relativ gesehen werden muss (!). Allen Jungschauspielern kommt aber auch das gute Drehbuch entgegen, das auf schwülstige Dialoge oder peinliche Redeanteile fast komplett verzichtet. Beachtenswert ist dabei auch die Gewaltdarstellung, natürlich nicht mit übertriebenen Bluteinlagen, aber es wird auch nicht weggeschaut. Ross' Inszenierungsstil setzt vor allem auf die Wackelkamerataktik. Gegenüber der atemberaubenden und prunkvollen Darstellung des Kapitols und der abgedrehten Bewohner wirken die Hungerspiele durch die Wackelkamera dreckig, einengend und impulsiv aber auch natürlich und realistisch. Zudem wirken sie auch als offensichtliche Kritik am Kapitol. Die Momente die durch das Wackeln bei den Aufständen in Distrikt 11 aufgefangen werden, wirken dadurch auch rebellischer und realer, ein wirklich magischer und genialer Einfall, der sicher im Gedächtnis vieler bleibt. Vielleicht auch durch seinen ironischerweise aktuellen Bezug, Straßenkämpfe in Syrien beispielsweise werden von Kameras nicht anders aufgenommen. Dennoch will man dann bei den Hungerspielen auch schonmal wissen, wer da gegen wen jetzt kämpft, somit hat diese Kameraführung nicht nur Vorteile. Sowieso gibt es neben den offensichtlichen Romankürzungen auch ein paar Dinge, die sich der Film ankreiden lassen muss. Die wohl wichtigsten und ausschlaggebenden Dialoge, auch für die weitere Reihe, zwischen Peeta und Katniss sind stark gekürzt, zudem stimmt die Chemie zwischen Hutcherson und Lawrence (noch) nicht ganz. Teilweise sind auch gegen Ende Interpretationen im Gegensatz zur Romanreihe etwas variabler und die Spannugsschraube wirkt dort auch lockerer. Das Ende ist etwas enttäuschend, was sich zugegeben aber auch mal die Autorin anhören muss. Der Zuschauer ist dadurch etwas verwirrt und es trübt ein wenig die Vorfreude einer Fortsetzung. Alles in allem macht das Panem - Debüt sehr viel Hoffnung und es ist natürlich trotz einiger Widrigkeiten, die eine Buchverfilmung nunmal aufnhemen muss, ein großartiger Einstand. Ross und Lawrence untermalen, dass sie ein starkes Team sind, Lawrence mit ihrer Schauspielkunst und Ross mit der Kompromisslosigkeit seiner Umsetzung. "Die Tribute von Panem" ist ein ungewöhnlich ernstes, intelligentes, kritisch und vor allem nachdenklich stimmendes "Fantasy"(naja!) - Epos, das sehr frisch und unverbraucht daherkommt.