Hat die Welt wirklich einen Film gebraucht bei dem beim Zuschauer Spannung erzeugt werden soll, indem er einem Kreisel beim Drehen zuschaut? Oder ein Auto zeigt, das in einer extremen Zeitlupe (eine gefühlte halbe Stunde) eine Brücke hinabstürzt? Oder dem Zuschauer einreden will, dass es das Erstrebenswerteste ist hier und sofort im Kinosessel einzuschlafen? Die überraschende Antwort. Ja! Ja! Und Ohhh Jaaa!!!
Inception ist der ideale Film, für Filmfreunde, die kognitiv von einem Film herausgefordert werden wollen. Der Film ist deshalb so gut, weil er nicht einfach ein Film ist, den man sich nur anschaut. Er hält dem Zuschauer einen Spiegel vor, der die eigenen verwirrenden Traumstrukturen zeigt.
Traumfilme gabs es schon viele, aber so einen noch nie. Träume werden nicht in einer eigentümlichen Struktur gezeigt. Die Strukturen entstehen zum Teil erst, wenn der Zuschauer das Gesehene mit den eigenen Träumen vergleicht. Und das hat den Effekt, dass jeder ein bisschen was anderes sieht und das Gesehene anders erklärt. Dabei spielt es eine besonders große Rolle, dass die meisten Elemente der Traumwelt gerade nicht mit den üblichen Erklärungsmustern (von Freud oder Anderen) erklärt werden, sondern ein ganz neues Fass aufgemacht wird.
Die wichtigsten Elemente sind hierbei vor allem der Limbus, die veränderte Zeitwahrnehmung, das Reißen aus Zusammenhängen, die Konstante (der Kreisel), die Traumarchitekturen, der Versuch der Kontrolle über die eigenen Träume, die aufweckenden Einflüsse und natürlich (der/die/das) namensgebende Inception. Ich will jetzt aber nicht jedes Element einzeln aufdröseln.
Ich konzentrier mich exemplarisch auf den Limbus, um das Erlebnis "Inception" genauer zu erklären. Der Limbus ist ein Ort, in den man gelangt, wenn man in einem tiefen Traum stirbt. Der Traum muss dafür tief genug sein, um davon nicht einfach aufzuwachen. Technisch gesehen ist der Limbus das Paradies. Man gestaltet es wie man will und kann dort wie Gott einfach sein Leben kontrollieren. Gleichzeitig hat es seine eigene (fast universelle) Zeitstruktur und führt dazu, dass man praktisch nicht gealtert ist, wenn man nach gefühlten Jahrzehnten aus dem Limbus ins reale Leben flieht. Und in dem Wort "wenn" liegt die ganze Tücke des Limbus. Das "Fliehen" funktioniert nur theoretisch. Der Grund liegt auf der Hand. Eine perfekte Welt macht die meisten Menschen verrückt. Das wissen wir nicht erst seit "Matrix". Irgendwann kann man nicht mehr mit dem Limbus und nicht ohne. Wenn alle Träume wahr werden ist außerdem bald die eigene Selbstwahrnehmung gelinde gesagt "gestört". Der Limbus verbindet viele andere Elemente der Traumwelt und führt sie auf die Spitze.
Bei mir persönlich war es gruselig den gesehenen Limbus während des Films mit meinen eigenen Traumerfahrungen zu vergleichen. Ich wurde nämlich plötzlich im wachen Zustand in meine eigene Traumwelt(weniger in die filmische) hineingezogen. Eine völlig neue Erfahrung. Vor allem, weil bestimmte Urängste plötzlich brutalst offen daliegen. Die Angst aus einem Traum nicht mehr aufzuwachen. Die Angst die eigene Selbstwahrnehmung nicht angemessen kontrollieren zu können. Die Angst vorm Aufwachen im weitesten Sinne. Das kann für einen Zuschauer schon ziemlich aufwühlend sein. Das Schwierigste was ein guter Film in dieser überreizten Welt erreichen kann.
Natürlich kann man es sich auch leicht machen und das Gesehene nicht zu sehr zu hinterfragen. Auch, wenn man den tollen Film (mit den beeindruckenden Bilder) so ebenfalls genießen kann, sollte man sich nicht selbst um diese Erfahrung bringen.