Mit was für gigantischen Erwartungen ich doch in "District 9" gegangen bin: der interessante Plot, die Bilder des über Johannesburg hängenden Raumschiffs, dann die Lust machenden Trailer und auch noch das positive Review hier auf Filmstarts...
Doch das Dilemma beginnt bereits in den ersten Minuten, in denen der Hauptcharakter vorgestellt wird: Zu Beginn hatte ich noch das Gefühl (oder eher die Hoffnung), dass seine Naivität und Unruhigkeit so eine Art satirisches Stilmittel sein sollten, um ihn als Durchschnittsmenschen darzustellen, aber spätestens nach der ersten halben Stunde wurde aus dieser Hoffnung die bittere Gewissheit, dass der Drehbuchschreiber es wohl doch ziemlich ernst meinte und dazu noch jede nachvollziehbare Charakterentwicklung im Keim erstickte - und so wirkte der Hauptcharakter letztendlich wie nichts weiter als ein immer aggressiver werdender, hibbeliger, ständig verwirrt dreinschauender Freak, der oft einfach vollkommen unnachvollziehbar handelt: So hat er unter anderem keine anderen Sorgen als seine Frau über sein Handy anzurufen (was, wie jedes Kind weiss, ortbar ist - und woher hat er das überhaupt, nachdem er zuvor halbnackt aus dem OP-Saal geflüchtet ist?), während er gerade von einer brutalen Behörde verfolgt wird und ihm ein Alienarm wächst, super...
Die Schlüsselszene in Sachen Doofheit ist für mich aber diese, in der er munter im Slum mit schlauen Worte à la "Ich trau der Sache nicht." an dem Alien-Zylinder herumspielt, während es draussen Kugeln hagelt. Warum sollte eine Behörde auch nur auf die entfernte Idee kommen so jemandem eine solche Operation anzuvertrauen? Hallo?
Ich kann mir schon vorstellen, dass man hier versucht hat einen Anti-Helden zu konstruieren, aber das ist meiner Meinung nach grandios gescheitert und für mich das größte Ärgernis an "District 9".
Überhaupt verspielt der Film so ziemlich jeden seiner eigentlich großartigen Ansätze:
Die Grundidee, hilflose Ausserirdische auf der Erde stranden zu lassen und ein Auge auf die möglichen Antipathien der Menschen auf diese zu werfen ist erfrischend und voller sozialkritik und dann ist da noch das Mysterium um das Mutterschiff - aber was von diesen hohen Zielen übrig bleibt ist nicht wirklich viel...
Die Einführung dieser Grundkonstellation wird viel zu kurz einfach heruntergerattert, zwar geschieht dies auf stilistisch sehr ausgefeilte Art und Weise durch Interviews, Nachrichtenausschnitte usw, aber nachdem die Perspektive des Films immer mehr auf die "Entwicklung" des Hauptcharakters gelenkt wird verläuft der Film sehr gradlinig und ohne viele Hintergrundinformationen, die die ganze Geschichte wesentlich atmosphärischer gemacht hätten.
Die Nebencharaktere sind komplette Schema-F-Gestalten vom Typ "hochrangiger, von Geld und Macht korrumpierter Politiker mit schöner Tochter" (warum um alles in der Welt sollte ein solche einflussreicher und wahrscheinlich wohlhabender Mann seine Tochter an so einen naiven Hänfling vergeben? Der ganze Subplot, in dem der Hauptcharakter versucht, sie zurückzugewinnen, nachdem sie davon hörte, dass er beim sexuellen Kontakt (!) mit einem der Aliens ertappt wurde wirkt äusserst unglaubwürdig) und "sadistischer Söldner mit Selbstüberschätzung".
Daneben gibt es natürlich noch den anscheinend superschlauen Alienvater mit seinem Sohn - warum kam eigentlich sonst keiner der übrigen 1 Million Ausserirdischen seit über 20 Jahren auf eine ähnliche Idee, und warum scheint es dann letztendlich ja ganz einfach zu sein, das Mutterschiff wieder in Bewegung zu setzen oder diverse andere Sachen damit anzustellen?
Und warum ist nie einer Aliens auf die Idee mit all den tollen Superwaffen, die nur sie selbst benutzen können, auf die Idee eines bewaffneten Aufstandes zu kommen? Aber nein, lieber lässt man sich von irgendwelchen Voodoo-Gangstern Katzenfutter dafür geben und sich anschliessend eine Machete in den Rücken jagen, also bitte... selbst eine komplett degenerierte Alienrasse wäre nicht so naiv.
Ich glaube, ich hätte den Film sogar besser gefunden, wenn er wenigstens _unfreiwillig_ komisch gewesen wäre, aber dazu war der ganze Kontext einfach zu ernst.
Unterm Strich war das einzige, was mich an "District 9" gut unterhalten hat die Action inklusive für mich ziemlich unerwarteter Splatterszenen - schon traurig, bei einem solch potentialbehafteten Film so ein Ergebnis ziehen zu müssen.
Anscheinend wurde der Film als buntes Popcorn-Kino mit den üblichen, komplett ausgelutschten Elementen, aber eben der zusätzlichen Prise Exotik, der die Leute ins Kino treibt, geplant. Wenn man sein Hirn abschaltet wird man sicher auch gut unterhalten...