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    Wasser und Seife
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Wasser und Seife
    Von Sascha Westphal

    Von der ganz alltäglichen Arbeitswelt, von Menschen, die jeden Morgen schon um halb fünf aufstehen, um teilweise weit mehr als eine Stunde mit Bussen und Bahnen zu ihrem Arbeitsplatz unterwegs zu sein, wo sie die nächsten acht, neun Stunden verbringen, bevor sie sich dann wieder auf den gleichen Weg zurück machen, erzählt das Kino kaum einmal. In Spielfilmen kommen sie praktisch gar nicht vor, und wenn doch, dann fast ausschließlich als Randfiguren. Schließlich ist ihr Leben einfach zu normal und damit auch zu nah dran an dem des Publikums, das – so will es auf jeden Fall die Legende – im Dunkel des Kinosaals der eigenen Realität möglichst entkommen will. Selbst die meisten Dokumentarfilmer interessieren sich eher für die Ausnahmen als für die Regel. Was in diesem Fall bedeutet, dass sie ihren Blick meist auf sterbende Betriebe und schon untergegangene Unternehmen richten. Aber auch diese Regel des Kinos kennt natürlich ihre Ausnahmen, Filme wie Susan Gluths Dokumentation „Wasser und Seife“ zum Beispiel. Ihre kleinen Szenen aus dem Leben von drei Hamburgerinnen, die seit Jahrzehnten in ein und derselben Wäscherei arbeiten, fügen sich zu einem höchst aktuellen und dabei auch sehr berührenden Stimmungsbild zusammen.

    Monika Schückher, Gerda Franzen und Tatjana Beth arbeiten in der Hamburger Traditionswäscherei „Textilpflege Utecht“, einem typischen mittelständischen Betrieb. Tag für Tag stehen sie an Waschmaschinen und Trocknern, an Bügelautomaten und Heißmangeln, sortieren Wäsche aus oder legen sie feinsäuberlich zusammen, und das alles für einen Stundenlohn, der es ihnen gerade so erlaubt, über die Runden zu kommen. Monika hat vor mehr als 40 Jahren ihren Mann, einen Alkoholiker, und ihre vier Kinder verlassen. Nun lebt sie alleine mit ihrem Terrier Bonnie und einigen Sittichen in einer kleinen Wohnung. Auch Gerda ist alleinstehend. Als sie erfuhr, dass ihr Mann sie zwei Jahre lang betrogen hat, gab es für sie nur die Scheidung. Aber in ihrem Wohnzimmer hängt immer noch ihr altes Hochzeitsfoto. Tatjana ist um die 40, und damit die jüngste der drei. Schon ihre Mutter hat bei Utecht gearbeitet, und auch ihre Schwester verdient sich in der Wäscherei noch etwas dazu.

    Susan Gluth reichen wenige, aber dafür umso eindrucksvollere Einstellungen aus, um gleich zu Beginn die Arbeitsatmosphäre in der Wäscherei für den Betrachter regelrecht körperlich spürbar zu machen. Aus den auf dem Dach des Betriebes stehenden Ventilen entweicht ständig heißer Dampf. Im Inneren des Hauses drehen sich ständig die Waschtrommeln. Auch hier sind überall Wasser und Dampf. Die stickige Hitze, die sich an warmen Sommertagen ins geradezu unerträgliche steigert, scheint nahezu greifbar. Sie und die Monotonie der auch körperlich schweren Arbeitsvorgänge – Wäschesäcke müssen herumgehievt, riesige, noch klatschnasse Decken und Bettbezüge unter großer Anstrengung aus den Maschinen gezogen werden – prägen die Stunden bei Utecht. Die Stimmung ist dementsprechend angespannt. Geht auch nur eine Kleinigkeit schief, einmal leckt etwa eine der alten Wasserleitungen, steht nicht nur der Inhaber Günther Utecht kurz vor dem Explodieren.

    Aber irgendwie gehören all diese Widrigkeiten und Reibereien, die sich meist an Kleinigkeiten entzünden, einfach dazu. Susan Gluth geht es eben nicht darum, den Zeigefinger zu erheben und die Verhältnisse etwa im Brechtschen Sinne anzuklagen. Ihr Film ist eher eine Zustandsbeschreibung. Sie führt das Publikum in die Welt ihrer drei Protagonistinnen hinein und lässt es an deren Leben, mit all seinen Höhen und Tiefen, seinen Enttäuschungen und Hoffnungen, teilhaben. Dabei beschönigt Susan Gluth nichts. Die Arbeit, der Monika, Gerda und Tatjana nachgehen, ist ein Knochenjob, und sie hätten sicher einen höheren Lohn verdient. Das weiß auch ihr Chef. Und wenn er dann bekennt, dass er seinen Angestellten gerne drei oder vier Euro pro Stunde mehr zahlen würde, es aber angesichts der Marktsituation nicht kann, klingt das durchaus ehrlich. Die Anerkennung, die aus diesen Worten spricht, ist in jedem Fall echt.

    Die Szenen in der Wäscherei ergänzt Susan Gluth geschickt mit Alltagsbeobachtungen aus dem Leben von Monika, Gerda und Tatjana. Sie begleitet sie bei Spaziergängen und beobachtet sie immer wieder zu Hause in ihren vier Wänden. So entstehen nach und nach sehr differenzierte Bilder von Menschen, die es nun wirklich nicht einfach haben, für die das Leben immer auch ein Überlebenskampf war, die dabei aber nie ihre Würde und auch nie ihre Träume verloren haben. Monika, die einmal unter dem Druck ihrer Verhältnisse eine wenn nicht falsche so doch zumindest egoistische Entscheidung getroffen hat, leidet immer noch darunter, dass ihre Kinder nichts mehr von ihr wissen wollen. Sie überspielt das zwar, so gut wie sie nur kann, aber der Schmerz ist immer da, gerade auch in den Momenten, in denen sie sich so liebevoll um ihren kleinen Hund kümmert.

    Es gibt nur noch Arm und Reich in Deutschland, der Mittelstand ist verschwunden, das sagt einmal Tatjana, Und auch wenn ihr eine ihrer Kolleginnen letzten Endes nicht ganz zu Unrecht widerspricht, trifft sie mit ihrer Bemerkung den Kern der gesellschaftlichen Entwicklungen ziemlich genau. „Wasser und Seife“ zeigt sehr deutlich, wohin sich Deutschland bewegt. Die Schere zwischen denen, die ihre Sachen in die Wäscherei bringen, und denen, die dann waschen, mangeln und zusammenlegen, wird tatsächlich immer größer. Und die Aussichten für all die, die in den gleichen Vierteln, in den gleichen Sozialbausiedlungen wie Monika, Gerda und Tatjana leben, werden auch immer trüber. Daran lässt Susan Gluth in ihrem sensiblen Porträt, das ganz behutsam die Verletzungen seiner drei Heldinnen der Arbeit freilegt, keinerlei Zweifel. Das einzige, was im Moment noch bleibt, ist, den Menschen, die sonst übersehen und ins immer größer werdende Abseits der Gesellschaft gedrängt werden, eine Stimme und ein Gesicht zu geben. Und genau das macht Susan Gluth geradezu vorbildlich.

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