"There is a special place for you in hell, Mr. Lee"
Ja, ja, ja, nachdem ich bei allen erdenklichen Lebensformen in meinem Umfeld angekündigt hatte, das Remake bloß nicht sehen zu wollen, kam mir unmittelbar vor Sichtung in der Sneak in den Sinn, dass ich die Rechnung ohne dieses Event gemacht hatte. Die Frage ist, werden sich die Scharen an Fans des Originals beruhigen? Natürlich nicht, aber damit hätte man auch bei einem überzeugenden Remake nicht zwingend rechnen können. "Oldboy" von Spike Lee ist brutal und auch solide gespielt, aber er ist ohne nennenswerte Neuerungen, will zwanghaft den Goregehalt hochhalten, ohne zu intensivieren und ist in seiner Inszenierung auch leider viel zu schwach.
Der Remakewahnsinn zieht sich durch Hollywood wie durch eine Furche. Und findet in "Oldboy" erstmals gewaltigen Widerstand. Nicht ohne Grund. Das Werk des Südkoreaners Park Chan-wook ist ein aufwühlender und äußerst kritischer Mindfuck mit allerlei denkwürdigen Szenen, die das Kino revolutioniert hat (fragen sie mal Refn, wo der Hammer aus "Drive" herkam). Und da hat man nicht ohne Grund Angst, Hollywood könne diesen Film "amerikanisieren".
Spike Lee gibt sich zu Beginn viel Mühe, zu charakterisieren. Das hätten wir Protagonisten Joe Doucett (Josh Brolin) den Lee als ungemütlichen Alkoholiker überzeichnet und ihr die hilfsbereite Sozialarbeiterin Marie (Elisabeth), als unschuldiges Mädchen gegenüberstellt. Dabei arbeitet der Regisseur etwas zu häufig mit, vor allem für Kenner, offensichtlichen Anspielungen auf den Fortgang der Handlung, einige aber sind bewusst augenzwinkernd gesetzt (Engelsflügel, Oktopus, Zunge). Das Ende ließ sich dann leider auch für Laien etwas schnell enträsteln. Ohnehin geht Lee etwas verloren, was das Original in Perfektion beherrschte: Die Momente der Überraschung. Schnelle Schnitte mit Ortsüberbrückungen, rasante Gedankenschlüsse, die sich dem Zuschauer erst Minuten nachher erschlossen und inszenatorischer Wagnisse wie der geschichtliche Splitscreen, mit alldem kann Lee's doch merklich glattgebügeltere Version nicht mithalten. Er holt zu weit aus, in der Angst etwas zu vergessen und löst somit die intensive Spannungsschraube.
Das gilt auch für die Gewaltdarstellung. Natürlich ist die legendäre Hammerszene mit dabei, obwohl sie kaum Unterschiede aufweist und über die gleiche Machart verfügt. Lee zeigt ausgerechnet in den denkwürdigen Szenen Plagiatsversuche, schraubt stattdessen aber den Goregehalt in die Höhe. So fetzt und blutet die Action vor sich hin, obwohl sie fast 1:1 aus dem Original übernommen wurde. In der ein oder anderen Folterszene entscheidet sich Lee dann aber erfreulicherweise für neue Methoden, ohne an die handgemachte Intensität der Originals anzuknüpfen. Das beweist auch die Auflösung ziemlich gut. Wenn hier Schuss für Schuss eine ganze Familie ausgelöscht wird, soll das dramatisch wirken, obwohl es comichaft überzogen wurde. Lee scheitert hier an seiner eigenen Vorstellung, die unausgegoren wirkt.
Welche Akzente setzt nun jetzt eigentlich der dramatische Schluss? Ein bisschen wird hier und da gefeilt, etwas wird herausgenommen und den Charakter eines Showdown bietet er auch nicht so recht, trotzdem kommt das Remake damit passend zur Ruhe, auch wenn Chan-wook's Version nicht nur glaubhafter, sondern auch mysteriös unterhaltsamer gelungen ist.
Der durchaus sehenswerte Cast gibt dabei wenigstens keinen großen Anlass zur Sorge: Josh Brolin ist eine durchaus sehenswerte Wahl, da seine rotzige Art und sein kantiges Gesicht passend sind, obwohl seine deutsche Syncronstimme doch sehr tief und hölzern wirkt. Elisabeth Olsen's Performance ist die beste, da ihre Rolle sehr weit vom Original abfällt, weiß sie gekonnt neue Akzente zu setzen und spielt mit schauspielerisch abgeklärter Souveränität. Leider fallen Samuel L. Jackson dezentes Addon in seiner Sammlung durchgeknaller Charaktere und Sharlto Copley's gelackt – diabolische Präsenz etwas dünn aus, ohne dem Film auch nur ansatzweise zu schaden.
Fazit: Denn schlussendlich ist Spike Lee's Version das amerikanisierte Durchschnittsremake geworden, was man leider Gottes erwartet hat. Wahrscheinlich hätte es auch 5-6 von 10 Sternen genügt und wahrscheinlich werden Laien den Film als schockierenden Happen zwischendurch auch vereinzelt dankbar annehmen, aber etwas sehr wichtiges entgeht einem dann eben nicht: Dieser Film und seine Inszenierung geben zu keinem Zeitpunkt Anlass, über die Notwendigkeit eines Remake, besondere Szenen werden kopiert, die Handlung durchaus mit Reibungsverlusten konvertiert und vorgesetzt, als würde man das Original für dumm verkaufen. Und sowas geht einfach nicht, das ist traurig. Schluss. Ende. Aus.