[...]„Dallas Buyers Club“ ist ja schon ein guter Film, die Geschmacksnote irgendwo zwischen Award-Lieblingen wie „The Wrestler“ und „The King’s Speech“, zwischen rauer Milieu- und Charakterstudie und der vagen Einbindung eines größeren historischen Kontextes.[...]Woodroof geht nicht die volle Meile vom Redneck zum Toleranz-Pontifex, da setzt sich nicht Captain HIV mit wehendem Cape für die Immunschwachen und Geächteten ein, sondern ein nach wie vor selbstbezogener Typ schlägt seinen Vorteil aus einer risikobereit-trotzigen »ich lass mich nicht kleinkriegen, ihr verfluchten Wichser«-Mentalität.[...]Nur langsam und über die Geschäftspartnerschaft zum transsexuellen Rayon rüttelts im Gebälk der homophoben Ansichten Woodroofs, wirklich nah an die Beziehung der beiden geht „Dallas Buyers Club“ jedoch nicht heran. Die aus Interviews mit Transgender-AIDS-Patienten zusammengeführte Figur bleibt, wenngleich herausragend verkörpert von Jared Leto, in vielen Momenten nur eine Art notwendiges Accessoire für ein Stück homosexueller Perspektive im Film, ein Derivatem für Woodroofs moralischen Zustand. Nicht den zartesten Zweifel lässt „Dallas Buyers Club“ daran, dass hier ein von der Hutkrempe bis zur Stiefelspitze heterosexueller Mann den Kampf für Versorgung und gegen das System aufnimmt und in dieser Hinsicht kneifen die Macher die Backen dann doch arg eng zusammen, um dem dramatischen Zwecke zu dienen und entgegen einer viel größeren Möglichkeit, die sich „Dallas Buyers Club“ böte. Freunde und Nahestehende Woodroofs äußerten sich in Richtung dessen Bisexualität und ihrer Verwunderung über die Darstellung des Films, der untermauert aber mehrfach, seine Hauptfigur nicht in queere Richtungen gedeutet haben zu wollen.[...]
[...]Die vergebene Chance einer weitergefassten Auffächerung liegt aber natürlich auch darin begründet, dass der Film eine alles aufwiegende Alternative bietet, auf die es sich zu konzentrieren lohnt: Matthew McConaughey. Alles, was man mal als Matthew McConaughey wahrgenommen hat, verschwindet vollständig hinter dieser Rolle des fluchenden, rotzenden, hurenden, hadernden Ölbohrelektrikers, der seine 30-Tage-zu-leben-Prognose mit purem Willen und Auflehnungstum verhundertfacht.[...]Vermutlich nicht der Held, den das wahre Leben des Ron Woodroof verdient, aber das, was „Dallas Buyers Club“ benötigt, um nicht an zu viel Fesselwerk gekettet in etwas Speziellem letztlich von Nichts zu erzählen. McConaughey wuchtet jeden Moment in eine Höhe, die der Film an sich nicht erreichen würde und vor der er teils eklatant zurückscheut. Der Schauspieler McConaughey indes scheut gar nichts mehr.[...]