Der getriebene Unschuldige
Was man bei diesem Heimatfilm erwartet, kriegt man nicht: Heimatfilme
beinhalten immer eine Spur von angestaubtem Flair und überzogenen Figuren,
immer geht es um Land oder eine Frau. Nicht hier! Die Charaktere sind
dezent aber deutlich, intensiv aber nicht überspannt.
Es geht dabei um den historischen Mathias Kneißl, der Anfang des 20.
Jahrhunderts im Umland Münchens gelebt hat.
In "Räuber Kneißl" zeichnet Regisseur Marcus H. Rosenmüller ein Bild eines
eigentlich rechtschaffenen Kerls, der in der Familie lernt zu klauen und zu
wildern, weil er arm ist. später wird ihm dies zum Verhängnis. Der Vater
hilft der Familie durch Wildern, die Mutter hilft beim Stehlen. So lernen
die Kinder nichts anderes. Der Hof scheint nichts abzuwerfen, also bleibt
nur die Überschreitung des Gesetzes. eigentlich geht alles gut, bis der
Vater gefasst und vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder zu Tode
geprügelt wird. Er stirbt in den Armen seiner Theresia, glänzend gespielt
von Maria Furtwängler. Die muss ins Gefängnis, denn das Paar hat die Kirche
ausgeräumt, während die Söhne Alois und Matthias schmierestanden. Als der
jüngere Alois später zwei Gendarmen anschießt, als diese die jugendlichen
Brüder zur Sonntagsschule abholen wollen. Beide Brüder werden dafür mehrere
Jahre ins Gefängnis gesteckt. Alois stirbt.
Als Mathias als junger Mann entlassen wird, will dieser ein neues Leben
anfangen. Er findet Arbeit und eine Freundin, doch die Vorurteile der
Menschen hindern ihn.
Der Zuchthäusler - bayerischkurz der "Haisl" genannt - hat nicht nur hier
mit dem vorgefertigten Schubladendenken Anderer zu kämpfen - vor allem der
damals angeschossene Gendarm Förtsch (Thomas Schmauser) startet eine Art
persönlichen Rachefeldzug. So wird Mathias Kneißl vollends zum Outlaw.
Die Geschichte entwickelt Regisseur Rosenmüller intensiv und spannend. Der
Zuschauer sieht sich ins bayerische Land der Jahrhundertwende
zurückversetzt und erlebt die Geschichte sozusagen hautnah mit.
Das Bild des "Heisl" wird auch nicht verklärt. Es bleibt einem der beinahe
Schuldfreie aber getriebene Mann im Gedächtnis, der aber auch Angst hat und
eigentlich nur eines will: Mit seinem Mädchen in Amerika ein Leben frei von
Vorurteilen und Konventionen leben. Da erschreckt man schon ein wenig, wenn
der inhaftierte Mathias Kneißl einen Brief liest, in dem ihm ein Freund
mitteilt, dass es in Chicago schlimmer ist, als zu Hause, denn "zu Hause
sterben die Leut'" - wie wäre es da wohl im fernen Amerika?
Der Film rüttelt an der eigenen (Doppel)Moral, an eigenen Vorurteilen und
am eigenen Handeln und wird so zum leisen aber feinen Plädoyer für
Freundlichkeit, Vergebung und Nächstenliebe.
"Räuber Kneißl" kommt am 21. August neben Berlin und Hamburg vor allem in
Bayern in die Kinos. Erst im September folgen andere Lichtspielhäuser über
die Republik verteilt.