Der etwas andere Zaungast
Im Folgenden werde ich mich mit dem Film „Der Junge im gestreiften Pyjama“ aus dem Jahre
2008 von Mark Herman, basierend auf dem gleichnamigen Roman von John Boyne
auseinandersetzen. Liest man den Titel des Films, so denkt man bei weitem nicht an solch
einen emotionsgeladenen, berührenden Kriegs-Film. Das britische Drama handelt von einer
Familie, die aus Berlin wegziehen muss, da der Familienvater als Nazioffizier in einer hohen,
verantwortungsbewussten Position im Konzentrationslager kommandieren soll. Der Film spielt
zu dem Zeitpunkt als die industrielle Massenvernichtung der europäischen Juden beginnt.
Besetzt sind die Rollen der Filmfiguren wie folgt: Bruno, der Sohn des Offiziers (Asa
Butterfield), Schmuel, der Jude, der im Konzentrationslager gefangen ist (Jack Scanlon),
Brunos Vater & Nazioffizier (David Thewlis), Brunos Mutter (Vera Farmiga), Gretel, Brunos
Schwester und Mitläuferin des Regimes, geprägt durch den Vater und den Leutnant, für den
sie schwärmt (Amber Beattie).
Die ausdrucksstarke Besetzung der Filmcharaktere, lässt den Film authentisch wirken. Die
Naivität und innige Freundschaft der Jungen, erweckt beim Zuschauer Mitgefühl. David
Thewlis, in der Rolle Brunos Vaters und Nazioffiziers, wirkt gewissenlos und schockiert den
Zuschauer, indem er eiskalt handelt und auch seiner Familie wenig Mitgefühl spendet für die
Situation für die er verantwortlich ist. Auch die leichte Beeinflussbarkeit Gretels, gespielt von
Amber Beattie verdeutlicht wie schnell eine Jugendliche Teil der schrecklichen Führung
werden kann. Vera Farmiga in der Rolle der Mutter erweckt ebenfalls das Mitgefühl der
Zuschauer, da man ihre Verzweiflung und gleichzeitig Machtlosigkeit gegenüber ihrem Mann
erlebt.
Durch ein schlichtes, fast schon tristes Farbbild, was die Farbauswahl und -vielfalt betrifft und
durch wenig Details im Bild, wird die Thematik des Holocausts unterstützt und bietet dem
Zuschauer die Möglichkeit dazu, sich voll und ganz in diese schreckliche Zeit
zurückzuversetzen. Durch eine niedrige Beleuchtung in bedrückenden oder beängstigenden
Szenen wird die Wirkung dieser verstärkt. Genauso erlebt man durch eine stärkere
Beleuchtung und Farbvielfalt, die eigentlich „schönen“ Momente intensiver und es wirkt schon
fast unbeschwert, wie Bruno durch die Wiesen läuft und mit seinem Flugzeug spielt. Nähe
baut der Film zum Zuschauer auf, da sehr direkt gezeigt wird, wie die Familie mit der Kriegsund
Judensituation ihrer Zeit umgeht, in der der Familienvater ein Einfluss habender Teil im
Hinblick auf die Massenvernichtung ist. Direkt im Hinblick darauf, wie ohne viele Details, der
Fokus auf den Holocaust gesetzt wird und direkt, da der Film dem Zuschauer Situationen
aufzeigt, die man ähnlich erlebt hat und somit nachempfinden kann. So passiert es, dass
Bruno, der Sohn des Nazioffiziers, nicht versteht, wieso sich der Haushaltshelfer, der eigentlich
Arzt ist, um das Essen der Familie kümmern muss und selbst nichts essen darf. Er ist Jude.
Zudem denkt Bruno, dass das Konzentrationslager hinter dem Haus der Familie ein Bauernhof
sei und wundert sich wieso dort alle den ganzen Tag im Pyjama rumlaufen. Als er eines Tages
den „Bauernhof“ erkunden will, lernt er Schmuel kennen, der ein Gefangener im
Konzentrationslager ist. Die Freundschaft zwischen den beiden (un-)gleichen Jungen ist
moralischer Dreh- und Angelpunkt des Films.
David Thewlis, der Brunos Vater und den Nazioffizier spielt und seine Machtposition als
Offizier mehr als deutlich auslebt, verkörpert seine Rolle erstklassig durch absolute Strenge
und sogar Emotionslosigkeit gegenüber seiner eigenen Familie. Wie nah Bruno eigentlich dem
Verursacher der Grausamkeit im Konzentrationslager ist, kann er nicht begreifen. Diese
Naivität und teilweise auch Unwissenheit, bringt für mich die Dramatik in den Film. Die
Situation des Holocausts wird durch den Blickwinkel zweier Kinder gezeigt, der sehr naiv und
gutgläubig ist. Besonders die schauspielerische Leistung der beiden Jungen ist meiner
Meinung nach als sehr gut anzusehen. Betrachtet man die Thematik des Holocausts und der
schlimmen Ereignisse, die dieser mit sich brachte, so ist der Film einerseits nicht schonungslos
genug umgesetzt.
Zur Filmsprache und dem Inszenierungsstil, gibt es einige Merkmale, die von Bedeutung für
den Film sind. So wird Bruno, der Sohn des Offiziers oftmals im sogenannten „Close-Up“, also
der Nahperspektive gezeigt. Der Zuschauer bekommt seine Gefühle, Reaktionen und
Gesichtsausdrücke aus nächster Nähe mit und baut so eine Ebene zu Bruno auf.
Zu den Kameraperspektiven gibt es zudem zu sagen, dass sie die Positionen der einzelnen
Persönlichkeiten im Film unterstreichen. So wirkt Bruno, wenn aus der Vogelperspektive
gezeigt wird wie er durch die Wälder rennt, klein und hilflos im Vergleich zu seinem Umfeld.
Genauso werden die Jungen am Zaun teilweise aus der Vogelperspektive gezeigt, was sie
klein und hilflos erscheinen lässt. Im Gegensatz zur Vogelperspektive werden Brunos Vater
oder auch der Leutnant aus der Untersicht (engl. Low Angle) gezeigt, in der die Kamera
deutlich unter der Augenhöhe nach oben gerichtet ist, was sie mächtiger erscheinen lässt. Sie
wirken im Vergleich zu den Kindern sehr dominant und auch angsteinflößend, was ihre
Position unterstreicht und bestärkt. Durch kurze, hektische Szenen gegen Ende des Films,
wird der Spannungsaufbau stark gefördert. Die Sequenzen springen von Bruno, der ins
Konzentrationslager eingedrungen ist, um Schmuels Vater zu finden zu Brunos Familie, die
zum Konzentrationslager rennt, um ihn zu retten. Durch die alternierende Montage, also der
Montage von Einstellungen auf verschiedene Figuren, die sich aber in der gleichen zeitlichen
Einheit befinden, entwickelt man als Zuschauer eine Unruhe, da man unbedingt wissen
möchte, wie die dramatische Situation endet. Durch passende Filmmusik, werden einzelne
Szenen in ihrer Wirkung auf den Zuschauer gestützt.
Durch einen unbewachten Stacheldrahtzaun wird die simple Idee Brunos, sich unter dem Zaun
hindurch zu graben, ermöglicht. Diese unüberlegte Idee, wird ihm im weiteren Verlauf des
Films zum Verhängnis, was nicht absehbar ist. Dadurch, dass der Film aber aufzeigen soll,
dass eine gesamte Generation von unschuldigen Kindern existierte, wird die Thematik
angemessen behandelt.
Aus meiner Sicht der angehenden Lehrperson denke ich, dass der Film „Der Junge im
gestreiften Pyjama“ durchaus dazu geeignet ist, um das Thema des Holocausts im
Geschichtsunterricht zu behandeln, da er aus der naiven Sicht der unschuldigen Kinder
gezeigt wird. Er dient als Einstieg zur Thematik des Holocausts und genauso als Vertiefung
oder Abschluss, nachdem die Schüler wissen, was zu dieser Zeit Schreckliches geschah. Über
die Intensivität und das „Nicht-Zeigen“ schlimmerer Szenen wie in anderen Filmen, wie
beispielweise der Verbrennung in Schindlers Liste, lässt sich sicherlich diskutieren und somit
sollte zusätzlich das Ausmaß dieser schrecklichen Zeit separat verdeutlicht werden. Der Film
bietet zudem die Möglichkeit Themen wie den Holocaust, den 2.Weltkrieg, den
Nationalsozialismus, die Gewalt, den Widerstand, aber auch Freundschaft und Familie zu
behandeln. Jedoch sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die Schüler ein Verständnis
dafür bekommen, dass niemand direkt als „Opfer“ zu betiteln ist. Von dem Betiteln bestimmter
Personengruppen als Minderheiten oder der Diskriminierung dieser sollte man Abstand
nehmen. Auch der Transfer in den Deutschunterricht ist möglich, da man beispielsweise die
einzelnen Figuren des Films analysieren lassen kann, um den Schüler/innen einen detaillierten
Einblick in die Blickwinkel und Gefühlswelten dieser zu geben.
Das Ende des Films war nicht abzusehen und somit erschreckend für mich. Doch hier
bekommt man als Zuschauer eine Botschaft vermittelt. Die diskriminierende Ideologie der
Nazis steht im Gegensatz zu Boynes humanistischer Botschaft: „Alle Menschen sind gleich“
(vgl. Boyne 2009). Da der Vater am Ende seinen Sohn auf die Art und Weise verliert, die er
vorher gewissenlos massenhaft durchführte, wird verdeutlicht wie viele unschuldige Menschen
durch das Vergasen ihr Leben lassen mussten und wie schmerzhaft es für all jene Familien
war und teilweise auch noch ist, die ihre Geliebten auf diese schreckliche Art und Weise
verloren haben. Zudem wird vermittelt wie gleich doch eigentlich alle Menschen sind, egal
welcher Herkunft. Es hat mich sehr berührt, da man im Laufe des Films eine Empathie für
Bruno und Schmuel entwickelt hat. Abschließend ist der Film “Der Junge im gestreiften
Pyjama“ absolut sehenswert und ein berührender Film mit einer unfassbar grausamen
Geschichte als Hintergrund.