Nach allen guten Kritiken, die auf den Film einprasselten, war die Erwartung geschürt, ein guten Film zu sehen. Und auch erfüllt. ''Drive'' ist gerade deswegen so gut, weil er nicht den Anspruch an sich zu haben scheint, ein Kunstwerk zu sein. Er will dem Zuschauer nicht zwanghaft eine Pseudo-Philosophie aufdrängen, die der Zuschauer vielleicht gar nicht will. ''Drive'' ist ein sympathischer, zurückhaltender Film, der mir sehr gut gefallen hat.
Das Fundament des Films bildet die hervorragende Inszenierung. N.W. Refn hat mir gezeigt, dass er weiß, was er tut, dass er Stil hat und Sinn für Charaktere, Orte, Szenen und Musik. Zwar merkt man, dass es sich um einen noch jungen Regisseur handelt, da dem Film an manchen Stellen ein wenig der Zug, an deren Stellen ein wenig die Ruhe fehlt, aber das fällt kaum auf. Dies sind nur kleine Nuancen, die ausschließlich mein persönlicher Eindruck sind. Das Hauptgefühl von ''Drive'' aber ist großartig. Der Film ist stilsicher inszeniert und vor allen Dingen cool. Refns Fixierung auf Männlichkeit wird nicht zu falscher Lässigkeit, sondern legt die Grundlage zur Spannung, die sich mal subtil, mal offensichtlich durch den Film zieht, der einer der wenigen ist, bei denen man merkt, dass gerade viel mehr erzählt wird, als auf der Leinwand zu sehen ist. Denn die Story ist auf ein Minimum reduziert, fast schon nah an Klischees; aber in diesem Minimalismus ungemein offen für Interpretationen. Das gelingt Refn durch seine unglaublich starke Bildsprache. Licht und Schatten, Dynamik und Ruhe sind mitunter meisterhaft gesetzt und konstruieren eine intensive Atmosphäre. Durch den Kontrast aus hartem Realismus und extremer Stilisierung driften Handlung und Bedeutung des Films auseinander, der Zuschauer erkennt, dass ''Drive'' mehr als nur eine Thrillerstory zu bieten hat.
Denn zwischen aller Coolness, aller Gewalt, der extremen Brutalität findet man Nuancen an menschlicher Wärme in der Beziehung des Drivers zu seiner Nachbarin. In ihm scheinen Verantwortung, Freude und Genuss zu leben, wenn auch unterdrückt. Aber sie sind da, diese Momente, in denen man Liebe in seinen Augen zu sehen glaubt. Doch ist diese Liebe nicht nur Leidenschaft, sondern auch Melancholie und auf eine verstörende Art wahrhaft brutal. Der Driver geht seinen Weg mit aller Gewalt und scheint dennoch ziellos umherzuirren. Mal schimmert in ihm Wärme für einen Augenblick, die dann ohne Ankündigung auf Brutalität umschlägt. Der Zuschauer weiß nicht, was von seiner Handlung Liebe ist und was Aggression, was Streben nach einem Leben mit seiner Freundin und was bloße Wut ist. Genauso wenig weiß er es wohl selbst. Er ist einsam und dennoch voller Gefühl, stark, aber hilflos, das Ziel scheint so nah und doch fern. All diese Gegensätze verweben sich in ihm, und bleiben dennoch hintergründig vorhanden.
Diese Tragik seiner Verwirrung, des Verlusts der Menschlichkeit, nach der er sucht, die er aber nicht zu finden scheint, ist für mich der emotionale Teil des Films, der diesen abhebt von einer intellektuellen, künstlerischen Fingerübung. Refn nimmt seinen Charakter Ernst und liebt ihn und das spürt man. Diese Haltung zu den Figuren macht ''Drive'' auch auf emotionaler Ebene intensiv und diesen Film für mich so sympathisch. Am Ende wusste ich nicht, ob ich einen Thriller, ein Drama oder einen Actioner gesehen habe. Aber ich wusste, dass es einer der besten Filme seit langem war. ''Drive'' ist eine kleine Perle des Kinos.
Bleibt zu sagen, dass Ryan Gosling mit diesem Film in meinen persönlichen Olymp der Schauspieler aufgestiegen ist. Er ist einfach großartig, er hat mich emotional mit dieser Performance berührt, wie es nur wenige Schauspieler bei mir können. Mit einem Lächeln transportiert er so viel Wärme und Menschlichkeit, mit einem erstarrten Blick wahnsinnige Entschlossenheit.
Vielleicht mag einigen ''Drive'' wie der gescheiterte Versuch der Verbindung von Action und Drama erscheinen. Während die einen die Handlung zu langsam finden, fehlt anderen der Zugang zu dem Film vielleicht völlig. In der Tat muss man wissen, dass man sich auf einen besonderen Film einlässt. Unter Umständen wird man herb enttäuscht, weil der Film weder Action noch Drama zu sein scheint. Aber in meinen Augen ist es gerade dieses Subtile, was den Film so besonders macht. Nichts wird forciert, überspannt, künstlich zum kulminieren gebracht. Die Geschichte ist einfach gehalten und die Charaktere ebenso. Doch wird vielleicht der ein oder andere genau jene Nuancen, Zwischentöne lieben, die mich an diesem Film fasziniert haben.
FAZIT: ''Drive'' ist richtig gut und wirkt stimmig. Die Verbindung der Genres, die Figurenanordnung - alles wirkt organisch. Bleibt abzuwarten, was Refn als nächstes vorhat. Denn mit seinem inszenatorischen Können, den nötigen Geldern, der bleibenden künstlerischen Eigenständigkeit und einem ebenso guten Ensemble können wir uns auf richtig gute Filme freuen.