“If I drive for you, you give me a time and a place. I give you a five-minute window, anything happens in that five minutes and I’m yours no matter what. I don’t sit in while you’re running it down. I don’t carry a gun… I drive.”
Wer nach diesen ersten Sätzen glaubt, er befinde sich in einem Autofahrfilm oder standardisiertem Heist- Movie, könnte falscher nicht liegen. „Drive“ ist so ziemlich alles, von poetisch bis ultrabrutal, nur eines ist dieser Film nicht, und das ist konventionell. Was Nicholas Winding Refn („Walhalla Rising“, „Bronson“) mit seinem ersten Hollywoodfilm geschaffen hat, ist nicht weniger als ein Instant- Meisterwerk, ein Film, perfekt inszeniert und durchcoreographiert, jede Szene für sich ein Kunstwerk, wie es wohl selten im Kino zu sehen war.
Dabei ist das Ganze storytechnisch nicht einmal besonders spektakulär angelegt, aber wer sich auf diesen Film einlässt, wird bald merken, dass die Geschichte ziemlich nebensächlich ist. Deshalb nur so viel: „Driver“ (Ryan Gosling) ist tagsüber Automechaniker und Stuntfahrer (was hier spektakulärer klingt, als es ist), während er sich nachts als Fluchtwagenfahrer gelegentlich etwas dazuverdient. Als er Irene (Carey Mulligan) und ihren Sohn Benicio (Kaden Leos) kennenlernt, fühlt er sich sofort für die beiden verantwortlich. Als Irenes Mann Standard (Oscar Isaac) aus dem Gefängnis entlassen wird und einen Überfall zur Begleichung seiner Schulden begehen will, beschließt der Driver, ihm zu helfen, um der jungen Famile eine Zukunft zu ermöglichen. Eine Entscheidung, von der er besser Abstand genommen hätte…
Winding Refn spielt in seiner ersten Hollywood- Regie konsequent mit den Erwartungen des Zuschauers. Das beginnt übrigens schon beim Trailer, der einen Low- Budget Fast- and – Furious- Abklatsch propagierte und dem Studio in den USA (wo auch sonst) sogar eine Klage wegen Irreführung einbrachte. Auch in der Eingangssequenz rechnet man ständig mit Stunts und spektakulären Crashs auf der Flucht vor der Polizei, wie Gosling aber tatsächlich entkommt, ist zehnmal stilvoller.
Überhaupt Gosling. Die Performance, die er hier als namenloser Protagonist abliefert, ist derart fesselnd, das man nicht umhin kann, diesen Mann als einen der fähigsten und besten Schauspieler seiner Generation zu adeln. Wie er lediglich mit seiner Mimik ganze Szenen kontrolliert, ist schlicht und ergreifend brilliant. Ohnehin steht er unmittelbar vor dem großen Durchbruch, überzeugte er doch im letzten Jahr bereits in „Crazy Stupid Love“ und vor allem in dem Independentdrama „Blue Valentine“.
Doch auch die anderen Darsteller müssen sich keineswegs verstecken, allen voran Albert Brooks als Bernie Rose, ein alternder Krimineller, der aber durchaus noch nicht zum alten Eisen zählt. Auch Bryan Cranston („Breaking Bad“) als Drivers Chef in der Werkstatt und zugleich Auftragsbeschaffer spielt gewohnt großartig auf.
Was „Drive“ aber neben den Schauspielleistungen, der makellosen Inszenierung Refns und den unglaublich schönen Bildern von Kameramann Greg Baldi zu einem derart eingängigen Kinoerlebnis macht, ist der Soundtrack von Cliff Martinez, garniert mit 80er- Jahre Elektrosounds, die noch Wochen nach dem Kinobesuch im Kopf herumschwirren und für Gänsehaut sorgen.
Kurzum, Nicholas Winding Refn tritt in seinem ersten Hollywood-Film den eindrucksvollen Beweis an, dass europäische Regisseure auch in Hollywood ihrem künstlerischen Anspruch treu bleiben können. Sein Film begeistert durch poetisch anmutende Bilder, starke Darsteller und nicht zuletzt einen atmosphärischen Soundtrack, der diesen atemberaubenden Film den letzen Feinschliff verleiht und ihn zum Kultfilm machen könnte.