Mit Spannung erwartet wurde der neue Streife der lebenden Legende Clint Eastwood.
4 Jahre nachdem dieser zuletzt in Million Dollar Baby vor der Kamera stand, so besetzt
Eastwood bei seinem aktuellen Streifen neben der Regie noch die Hauptrolle selbst.
Wie eine Altersweisheit eines erfahrenen Mannes kommt dieser Film daher, mit dem sich
der 78 Jährige tatsächlich nochmal selbst übertrifft. Einnahmen von 30 Millionen Dollar
alleine am Eröffnungswochenende gab es für einen Eastwood Film noch nie. Doch diese
sind durchaus verdient. Zu sehen gibt es schauspielerische Perfektion kombiniert mit
einer gradlinigen Geschichte für deren Ausarbeitung Nick Schenks Drehbuch eine optimale
Vorlage bietet.
Die Geschichte steigt ein bei der Beerdigungsfeier der Frau von Hauptfigur Walt
Kowalski (Clint Eastwood).
Der Koreakriegsveteran hat jedoch nicht viel übrich für das Verhalten seiner Familie,
sowie die Predigt des eifrigen Father Janovich (Christopher Carley).
Mit seiner aufgezwengten Opferrolle kommt Kowalski nicht klar.
Diese wird vorallem deutlich, als nach und nach in recht ungestümer Weise die Interressen
von Walts Umfeld klar werden.
Wichtig ist Walt vorallem sein Besitz. Anderen Menschen begegnet er vorwiegend mit
ablehnender Verachtung. Sein Haus in der Detroiter Vorstadt verteidigt
er genauso enthusiastisch wie seinen Ford Gran Torino, den der junge Asiate
Thao (Bee Vang) ihm zu stehlen versucht, um sich für die Gang seines Cousins zu
profilieren.
Als Walt Kowalski diesen jedoch näher kennenlernt geht dessen anfängliche
Ablehnung verloren.
Trotzdem kommt es zur Eskalation der Gewalt...
In Gran Torino sind klare Aussagen erkennbar.
Im Mittelpunkt stehen Themen wie Bandenkriminalität, Ghettobildung und der
amerikanische Umgang mit Waffen und Gewalt.
Die Trommelwirbel beim Griff zum Gewehr sind exemplarisch für Walt Kowalskis
militärische Weltansichten.
Durch Beleidigungen jeglicher Art macht dieser nicht nur seine Selbstherrlichkeit,
sondern auch seinen zum Rassismus überzogenen Nationalstolz zur offenen Angriffsfläche.
Politische Korrektheit geht Eastwood dabei sprichwörtlich "am Arsch vorbei".
Doch der Film zeigt, dass es auch anders geht.
Während der Rentner zu Beginn des Filmes eine tiefste Abneigung, gegen sein Umfeld hegt
so wird im späteren Verlauf, die Entwicklung einer Freundschaft beschrieben, die
unabhängig der Herkunft aufzeigt, dass es die Persönlichkeit ist, die im Mittelpunkt
steht. Diese Entwicklung geht so weit, dass Walt am Ende das größte Opfer bringt.
Offensichtlich ist jedoch, dass Eastwood an Selbstinszenierung nicht gespart hat.
Die komplette Handlung dreht sich um das Leben der selbstgespielten Hauptfigur.
Doch er hat auch allen Grund dazu, denn die schauspielerische Umsetzung ist
einzigartig und unterstreicht Clint Eastwood's Legendencharakter.
Es ist kaum Vorstellbar, dass ein anderer Schauspieler den verbitterten Rentner
besser hätte treffen können.
Ein einziges Grunzen und einmal auf den Boden gespuckt. Kaum zu glauben, wieviel
pure Verachtung solch simple Gesten in sich tragen können. Diese werden jedoch
perfekt herausgearbeitet. Wenn Blicke töten könnten...
Das die Laute des Synchronsprechers mit denen Eastwoods aus der amerikanischen
Originalversion mithalten können ist schwer vorstellbar.
Auch die anderen Schauspieler sind passend gewählt und machen ihren Job gut.
Niemand wirkt gekünstelt, was für die Athmosphäre des Films sehr wichtig ist.
Realismus ist der Grundgedanke.
Alles ist darauf ausgelegt, dem Zuschauer nicht den Eindruck eines Filmes, sondern
vielmehr ein Spiegelbild der Welt zu zeigen.
Die Kamera ist kreativ, jedoch unspektakulär und zeigt kaum Einstellungen, die ein
menschlicher beobachter aus seiner begrenzten Perspektive nicht auch hätte schildern
können.
Aufgebrochen wird dies nur durch die heroische Darstellung der Hauptfigur.
Auf musikalische untermalung wird fast komplett verzichtet.
Stattdessen überzeugt die schnörkellose Vertonung von Umgebungsgeräuschen mit ihrer
simplen Genialität. Dies verhindert zwar Hollywoodreife überreitzung von Gefühlen,
kann jedoch bei einigen Zuschauern auch zum Eindruck von Eintönigkeit führen. Um
Unterhaltungskino handelt es sich nicht.
Dieser Linie bleibt Eastwood jedoch nicht ganz treu.
Zum Ende nimmt der musikalische Anteil zu. Ob dies die Wende vom radikalen Rassisten
zum Gefühlsmenschen besiegeln soll, oder einfach nur die kommerzielle Verträglichkeit
sichert ist fraglich.
Da werden doch tatsächlich noch ganz unbesinnt romantische Motive durchgerattert, als
stände dies nicht im Kontrast zum Rest des Films.
Mehr Kälte am Ende hätte nicht geschadet.
Dieser stilistische Ausrutscher bleibt jedoch der einzige Mangel.
Abschließend kann man sagen, dass Clint Eastwood erneut einen tollen
Film geliefert hat.
Gran Torino regt zum Denken an. Die Schauspielleistungen allein sind schon sehenswert.
Es handelt sich jedoch nicht um Unterhaltungskino. Wer auf Action und Abwechslung
hofft wird trotz Bandenkrimminalität von der Routine im Film aufgefressen.
Wer gerne mitdenkt und keine Scheu vor einem beispiellosen Wortschatz hat ist
in der Pflicht, sich diesen Film anzusehen.