Mit Künstlerbiografien im Film ist es so eine Sache. Oftmals kommen dabei so versponnene Avantgardeschinken raus, dass das Publikum für diese Art Biopic von vornherein eher klein ist. Tim Burton versucht in seinem neuen Film einen anderen Weg. Das ist oftmals ganz passend, zumal die hier porträtierte Künstlerin selbst den Spagat zwischen Popkultur und "richtiger Kunst" meistern musste.
Margarete (Amy Adams) fühlt sich unverstanden. Als Hausfrau hat sie ihrem Mann nie genügen können und ihre künstlerische Ader ist ihm auch egal. Kurzerhand ergreift sie samt ihrer Tochter die Flucht und zieht nach San Francisco. Dort arbeitet sie zunächst in einer Möbelfabrik, bis sie schließlich den charmanten Walter Keane (Christoph Waltz) kennenlernt. Der ist ebenfalls als Maler tätig und fasziniert von ihren großäugigen Kinderporträts. Die beiden lernen sich etwas besser kennen und lieben und organisieren schließlich eine Ausstellung mit ihren Bildern. Vor allem Margaretes Kunst kommt gut an und um den Verkauf anzukurbeln gibt sich Walter als Schöpfer der Figuren mit den traurigen Augen aus. Das geht eine Weile gut und beschert allen Beteiligten finanzielle Vorteile. Doch Margarete leidet darunter, dass sie sich nicht zu ihren Bildern bekennen darf und permanent im Schatten ihres aalglatten Mannes steht. Er sieht nicht ein, die Lüge auffliegen zu lassen und so geht Mrs. Keane selbst an die Öffentlichkeit. Der Startschuss für einen heftigen Streit um ihr künstlerisches Vermächtnis.
Schon das Cover zeigt, dass Tim Burton auf den ersten Blick für diesen Stoff gemacht zu sein scheint. Oder der Stoff für ihn. Melancholie und eine gewisse Düsternis sprechen aus dem Blick von Keanes Bildern. Der Schöpfer von modernen Klassikern wie Sleepy Hollow und der ersten vernünftigen Batman-Verfilmung lässt zwar die Kunstwerke für sich sprechen, gestaltet sein filmisches Porträt der Künstlerin aber eher wie eine "normale" Filmbiografie. Da gibt es viel Zeitgeist, den Look der sechziger Jahre und eher gewöhnliche Charaktere. Wie das informative Bonusmaterial verrät, ist Margarete Keane tatsächlich eher bescheiden und auf dem Teppich geblieben, insofern passt Amy Adams Darstellung meistens.
Christoph Waltz stiehlt ihr und den meisten anderen Darstellern wie so oft die Schau. Es könnte glatt eine Neuauflage des jovial-schmierigen Hans Landa aus Inglorious Basterds im Künstleroutfit sein, was er da spielt. Das ist solide und gut, man hat ihn aber auch schon in variantenreicheren Rollen gesehen. Vor allem sein Auftritt vor Gericht, wo er mangels Anwalt den Begriff der Selbstverteidigung ganz neu definiert, bleibt im Gedächtnis. Man mag es kaum glauben, aber im MakingOf wird berichtet, dass dieser Auftritt in der Realität noch wesentlich schräger war und für den Film zugunsten der Glaubwürdigkeit gekürzt wurde. Der einzige, der ihm maßgeblich paroli geben kann ist der von Terence Stamp verkörperte knochenharte Kunstkritiker John Canaday. Für ihn sind die Bilder Kitsch, egal wer sie gemalt hat. Durch ihn und einen erwartungsgemäß hochnäsigen Galeristen (Jason Schwartzman) finden einige gelungene Parodien auf die versnobte Kunstszene ihren Weg in den Film, wo alles, was sich gut verkauft gar nicht wirklich gut sein kann.
Alles in allem ein gelungener Film, für den es aber nicht unbedingt einen Tim Burton gebraucht hätte. Seine Arbeit ist solide und weiß an vielen Stellen zu gefallen, seine individuelle künstlerische Handschrift, die seine übrigen Filme auszeichnet, ordnet sich hier jedoch mehr als gewohnt dem Thema unter. Alle Darsteller machen ihre Sache im Prinzip gut. Amy Adams Spiel könnte man im Vergleich zu ihren sonstigen Rollen mitunter vorwerfen, etwas unbeteiligt zu wirken. Führt man sich allerdings wie gesagt die im Bonusmaterial enthaltenen Interviews mit der echten Margarete Keane zu Gemüte, dann wird klar, dass dieses Verhalten nicht von ungefähr kommt. Alle Beteiligten machen einen ordentlichen Job und man kann den Film durchaus mit Wohlwollen genießen. Meister Burton kann es aber trotzdem noch besser.
Darsteller: Amy Adams, Christoph Waltz, Terence Stamp, Jason Schwartzman
Regie: Tim Burton
Jahr: 2015
Label: Studiocanal
FSK: ab 6 Jahren