Nach zahlreichen, ambitionierten Projekten wie Sleepy Hollow oder Sweeney Todd zählt Tim Burton zu den besten und zumindest extravagantesten Regisseuren Hollywoods. Man muss seine Filme entweder hassen oder lieben. Die Erwartungen auf Alice im Wunderland waren dementsprechend hoch- schließlich sollten das Wunderland und Tim Burton doch zusammenpassen wie Baum und Borke. Doch leider ist sein neuer Film nicht ganz das berauschende Psychomärchen geworden, dass man von Burton hätte erwarten können. Der Film scheitert hauptsächlich an einem zu konventionellen Plot und einem manchmal zu videospiel-ähnlichen Aufbau. Und so ist Alice im Wunderland einfach nur ein guter Unterhaltungsfilm- nicht mehr und nicht weniger.
Alice (Mia Wasikowska) ist herangewachsen und hat ihre Erlebnisse im Wunderland beinahe vergessen, wären da nicht ihre vielen Träume, in denen das Wunderland und seine kuriosen Bewohner immer wieder auftauchen. Als sie und ihre Mutter eine Gartenparty von Lord und Lady Ascot besuchen, entpuppt sich diese als Verlobungsfeier- für Alice. Der langweilige und unangenehme Hamish bittet Alice vor allen Anwesenden um ihre Hand. Es scheint die perfekte Partie zu sein, doch Alice flüchtet und findet sich kurzerhand später wieder im Wunderland wieder, wo auch schon auf sie gewartet wird. Denn Alice soll das Wunderland von der Hand der grausamen roten Königin (Helena Bonham Carter) befreien und die weiße Königin (Anne Hathaway) wieder auf den Thron bringen. Davor gilt es jedoch, zu zeigen, dass sie die wahre Alice ist...
Linda Woolverton, Drehbuchautorin von Meisterwerken wie König der Löwen oder die Schöne und das Biest, litt beim Schreiben des Drehbuches von Alice im Wunderland leider offensichtlich unter einer großen Beschränktheit. Der Plot des Fantasie-Abenteuers ist, insbesondere für Burtonsche Verhältnisse, zu Mainstream- ausgerichtet und arbeitet klar auf den finalen Showdown hin, in dem Alice –wie sollte es auch anders sein- gegen ein scheußliches Ungeheuer der roten Königin zu kämpfen hat. Die Handlung ähnelt dabei teilweise zu sehr einem Videospiel. Alice muss verschiedene Aufgaben erfüllen, die alle zum finalen Kampf gegen den „The Boss“ hinführen- es scheint einzelne Etappen zu geben, in denen die Protagonistin einzelne Aufgaben ausführen muss, bei denen ihre Charakterstärke zunimmt und sie „mehr Alice wird“. Das Gelangen durch die Pforte ins Wunderland, die Flucht vor dem Bandersnatch, das Gelangen zum verrückten Hutmacher…- ein Verlauf, der auch in einem Computerspiel im „Story Mode“ vorkommen könnte.
Trotz diesen Kritikpunkten hat Alice im Wunderland einen hohen Unterhaltungswert und gefällt durch seine knallige Optik und die amüsante Charakterzeichnung. Hervorzuheben ist unter den wenigen nicht-animierten Wunderland-Bewohnern besonders die Darstellung des Johny Depp. Der Schauspieler ist in seiner nunmehr siebten Zusammenarbeit mit Burton als verrückter Hutmacher in einem bonbonbunten Kostüm ein wahrer Blickfang und insgesamt der beste Schauspieler im ganzen Film, obwohl auch Helena Bonham Carter als rote Königin mit überdimensionalem Kopf eine gewisse Amüsiertheit bereitet. Es ist eine Wonne, sich die Nonsens- Dialoge zwischen ihnen anzusehen, während sie sich dabei schauspielerisch geschickt die Bälle zuwerfen. Die rote Königin wirkt dabei allerdings als wichtigste Antagonistin im Film niemals bedrohlich.
Eher eine Enttäuschung ist die Besetzung der Alice. Mia Wasikowska versucht sich gar nicht erst mit ihren großen Schauspieler-Kollegen zu messen- die schauspielerische Dominanz wird in Alice im Wunderland nicht von der Protagonistin, sondern eindeutig von den Nebendarstellern getragen. Mia Wasikowska schafft es nicht, eine Identifizierung zum Publikum aufzubauen oder gar die Entwicklung ihrer Rolle von dem schüchternen Mädchen zu der selbstbewussten Frau glaubwürdig darzustellen.
Leider wurde auch nicht das große Potenzial der CGI-Sprechrollen ausgeschöpft, denn in Alice in Wunderland werden die Rollen von Christopher Lee als Jabberwocky, Alan Rickman als die Raupe Absolem und Michael Sheen als weißes Kaninchen bedauerlicherweise zu Sprechrollen-Cameos degradiert, die im Film nur selten zwischendurch auftauchen und kaum zur Geltung kommen.
Fazit: Dank des knallbunten Looks, der witzigen Charakterzeichung und der schauspielerischen Gekonntheit weiß Alice im Wunderland zumindest als Unterhaltungsfilm zu begeistern. Was Alice im Wunderland aber zu einem typischen Psycotrip a la Burton fehlt, ist ein weniger konventionelles und dem Mainstream folgendes Drehbuch, das weniger eindeutig auf die finale Schlacht hinarbeitet. Die Macher von Alice im Wunderland haben insbesondere im Handlungsaufbau so einiges verpfuscht, aber auch vieles richtig gemacht.
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