Wir wissen nicht erst seit dem Regieoscar ''The Departed'', wie genial Martin Scorsese ist. Schließlich hat er schon lange zuvor mit Filmen wie ''Taxi Driver'', ''Wie ein wilder Stier'' oder ''GoodFellas'' begonnen, sein Image als Virtuose seines Fachs zu pflegen. Da war die Auszeichnung angesichts der monumental angehauchten Werke der Vorjahre (Gangs Of New York, Aviator) nur noch Formsache, die seine konsequenten Arbeiten über die Jahrzehnte krönte, die auch bis zun den heutigen Tagen andauern, denn auch sein von Denis Lehane adaptierter Psychothriller ''Shutter Island'' glänzt mit starken Schauspielern sowie herausragender Inszenierung.
Als Edward Daniels mit seinem Partner Chuck auf Shutter Island eintrifft, nachdem er gerufen wurde, um das Verschwinden einer Patientin aus der Anstalt für psychisch gestörter Schwerverbrecher zu untersuchen, merkt er schnell, dass irgendetwas nicht stimmt. Nur weiß er noch nicht genau, wie die Antworten auf seine Fragen lauten: Warum will Dr. Cawley Edward möglichst schnell wieder loshaben? Wer ist Patient 67? Ist wirklich eine Art Verschwörung im Gange und wenn dem so ist, wer ist darin direkt oder indirekt involviert? Fragen über Fragen. Und die Antworten, die sich ihm aufdrängen, weisen darauf hin, dass in der Klinik Experimente mit den inhaftierten Geisteskranken durchgeführt werden. Und bei alledem wird Edward darüberhinaus von Wahnvorstellungen und Erinnerungen geplagt und kann sich dem Gefühl fortschreitender körperlicher Entkräftung nicht erwehren...
Diese jedenfalls in meinen Augen unglaublich spannende Situation wird von Martin Scorsese mit Ruhe sowie dem richtigen Gespür für die Vertiefung der Charaktere der Protagonisten inszeniert, sodass Edwards schleichende Wandlung zum psychischen wie physischen Wrack aufgrund des langen Zeitraums und der geschickten Ausarbeitung stets ungemein glaubwürdig daherkommt, wodurch der Zuschauer das Gefühl der inneren Zerberstung, der gedanklichen Folter hervorragend nachzuvollziehen weiß sowie desweiteren Unsicherheit über die Ursachen und Vorgänge hinter den verstörenden Ereignissen erzeugt wird. Das mit diesen subtilen Schachzügen erzeugte Bedürfnis dahinterzukommen, was auf der Insel nun vor sich geht, wird allerdings nur bedingt befriedigt, denn die Auflösung fügt sich zwar in das Bild der Verwirrung, wirft aber gleichzeitig mehr Fragen auf, als sie beantworten kann, untergräbt die Logik des Films, die ja die Weichenstellerin für die Suche nach den Antworten war und damit die Glaubwürdigkeit gleichermaßen. Damit hat der Film das ähnliche Problem wie ''The Game'', der ebenfalls jegliche Authentizität mit einer allzu seltsamen Erklärung der Geschehnisse verspielt, womit auch die vorherige Handlung in gewisser Weise geschädigt wird, denn sie baut ja gerade auf die Antworten am Ende auf, die dann im besten Fall die Cleverness der Konstruktion der Ereignisse unterstreicht, hier aber das gesamte Werk zum Einsturz bringt.
Schließlich ist es aber auch nicht der Plot, sondern die umwerfene Inszenierung sowie die starken Schauspieler, die dem Film seinen verstörenden Charakter verleihen. Denn Leonardo DiCaprios packendes Porträt einer zerstörten, paranoiden Psyche sorgt in Verbindung mit der eindrucksvollen, dynamischen, enorm athmosphärischen Kameraarbeit von Robert Richardson, Robertsons tief-grollendem Soundtrack sowie dem unglaublich flüssigem Schnitt von Thelma Schoonmaker für eine Vielzahl fesselnder Szenen, die den Zuschauer immer weiter hineinziehen in die abartigen Geschehnisse.
FAZIT: ''Shutter Island'' fesselt ungeachtet der kruden Auflösung angesichts seiner stilsicheren Inszenierung sowie der sich offenbarenden hohen Schauspielkunst seitens Leonardo DiCaprio.