"Shutter Island" hat eigentlich alles, was ein guter Film braucht: eine faszinierende Geschichte, hervorragende Schauspieler und einen der handwerklich besten Regisseure unserer Zeit. Doch einige kleine, unnötige Fehler trüben das Gesamtbild und verhindern eine Einstufung als Meisterwerk.
Martin Scorsese hat zunächst einmal eine superbe Vorlage für seinen Psycho-Thriller gefunden. Dennis Lehanes gleichnamiger Roman eignet sich perfekt für ein fiebrig-düsteres Kammerspiel mit Tiefgang. Und auch die restlichen Rahmenbedingungen scheinen wie geschaffen für einen filmischen Meilenstein. Die Rolle des Teddy Daniels ist Leonardo DiCaprio wie auf den Leib geschrieben, der mit Mark Ruffalo, Michelle Williams und Sir Ben Kingsley auch noch Co-Stars zur Seite gestellt bekommt, die über jeden Zweifel erhaben sind. Ausstattung und Kamera sind - wie bei Scorsese nicht anders zu erwarten - ebenfalls auf höchstem Niveau, nur der teils etwas zu aufdringlich-pompöse Score kann da nicht ganz mithalten.
Was also gibt es zu kritisieren? Zunächst einmal trägt Scorsese fast immer ein bisschen zu dick auf. Große Momente erfordern große Gesten, aber es ist eben nicht möglich, einen ganzen Film nur aus großen Momenten bestehen zu lassen. Ein paar leisere Zwischentöne hätten "Shutter Island" ganz sicher nicht geschadet.
Außerdem ist die Umsetzung des Plots nicht immer perfekt gelungen. Trotz großer Spannung und höchstem Tempo ahnt der Zuschauer bereits nach etwa einer Stunde, wie der Hase läuft, sodass die große Überraschung am Ende ausbleibt. Dennoch fällt es immer wieder schwer, den Überblick zu behalten, was vor allem an der großen Zahl der Charaktere liegt. Während beispielsweise Christopher Nolan in "Memento" eine brilliante Geschichte mit gerade einmal drei Hauptcharakteren erzählt, fährt Scorsese hier gleich ein ganzes Dutzend auf, von denen einige zudem nicht mehr als fünf Minuten Leinwandzeit bekommen.
Der größte Fehler ist jedoch, dass durch die raffinierte Verschmelzung von Realität und Fiktion - eigentlich eine Stärke des Films - letztendlich die Aussage verloren geht. Scorsese übertreibt es hier einfach immer wieder mit seinen Rückblenden und halluzinatorischen Einschüben, denn wenn wir am Ende selbst nicht wissen, was wahr ist und was nicht, wie sollen wir dann herausfinden, was Scorsese uns mit seinem Film eigentlich sagen will?
Das klingt jetzt durchaus schlimmer, als es ist. Das liegt daran, dass man bei Martin Scorsese eher ausführlich begründen muss, warum der Film jetzt eben kein Meisterwerk geworden ist, denn dass dieser Regisseur keine Durchschnittsware abliefert, ist sowieso klar. "Shutter Island" ist ein starker, absolut empfehlenswerter Psycho-Horror-Trip, mit brillianter, klaustrophobischer Atmosphäre, schauspielerischen Glanzleistungen und einer annähernd perfekten Inszenierung.