Ich kann mich nur größtenteils meinen Vorredner hier anschließen. Der schmale Grat ist ein Meisterwerk, welches in seiner eigenen Dimension schwebt, die unerreichbar zu sein scheint. Wie eine Dimension, von der der Mensch mehr wissen will, aber aufgrund ihrer Komplexität schwer zu verstehen ist. Eine Dimension, die im Menschen Etwas hervorrufen kann, von dem er gar nicht wusste, dass dieses "Etwas" in seinem Inneren überhaupt existiert. Die elementare Frage des Sinn des Lebens - kann sie überhaupt beantwortet werden; muss sie überhaupt beantwortet werden? Welche Antwort befriedigt den Menschen am Meisten? Ist es eventuell eine Religion? Das Christentum oder der Islam? Befriedigt das den Menschen ausreichend sein Handeln auf Erden zu begründen und somit seine eigene Sinnesexistenz? Wer entscheidet, dass es darauf eine Antwort geben muss? Liegt es überhaupt in der Intelligenz des Menschen einer Antwort auf dieser Frage würdig zu sein?
Die Komplexität mit welcher Malick versucht diese Fragen dem Zuschauern aufzuwerfen, ist unvergleichlich atemberaubend und auch deswegen schwer für den Menschen zu verstehen. Dabei verwendet Malick dennoch nur uns bekannte Sachen und stellt eine pantheistische Verbindung her. Ist die Natur uns denn so fremd? Ist sie nicht ein Spiegelbild unseres Handelns oder ist sie uns so fremd geworden in Zeiten des Kapitalismus und des Konsumzeitalters, dass wir gar nicht merken, dass die Natur uns jeden Tag das Grauen zeigt, welches wir Menschen uns gegenseitig und anderen Lebewesen tagtäglich antun? Sind wir nicht alle aus dem gleichen Samen entsprungen?
Die Frage nach dem Sinn des Lebens beschäftigt den Menschen seit man zurück denken kann. Man sucht Antworten. Das Geniale an diesem Film ist, dass Malick darauf keine Antwort bietet, weil es schlichtweg die Wahrheit ist! Ich denke, dass ist für Viele das Unbefriedigende. Für mich jedoch ist es die pure Wahrheit. Geben wir unseren Leben erst dann einen Sinn, wenn wir irgendwelche Motive heranziehen, tausende Kilometer über das Meer fahren und auf einer Insel gegen einen Feind kämpfen, den wir nie sahen oder kennenlernen durften; mit dem wir uns nie unterhielten oder ein Tee tranken. Gibt das unserem Leben einen Sinn? Malick lässt die Frage unbeantwortet; er will keinen Propheten oder "Gott" spielen und die Antwort den Zuschauern in den Schoss legen. Es liegt am Zuschauer selbst inwieweit er einen Sinn darin sieht. Filme wie "Saving Private Ryan" geben dem Gemetzel einen Sinn, in dem eine amerikanische Flagge einblendet und das Motiv "Freiheit" nennt. Aber was nützt dem Menschen jede Freiheit, wenn alles sowieso vergänglich ist. Malick setzt in seinem Film elementare Kontraste, die Einem im Herzen liegen bleiben. Es gibt so viel Schönes um uns herum und wir verstehen es als Menschen dennoch nicht dies zu teilen. Wir kämpfen darum!
Der Film hat mich in einen Bann gezogen, der mich bis heute nicht loslässt. Meine Lebenseinstellung hat sich seit dem verändert. Bereits die ersten 10 Minuten sind so ungewöhnlich für den Hollywoodkonsumer, aber dennoch so schön, quasi die Ruhe vor dem Sturm. Diese ersten 10 Minuten zeigen uns wie man das Leben schätzen kann. Man ist keine Marionette von irgendwelchen Befehlshabern. Es gibt in dieser Welt kein Geld, keine Marktwirtschaft. Es gibt nur Menschen, die sich alles teilen und für unsere Verhältnisse ein "Buschleben" führen. Es ist tatsächlich die andere Welt von der Witt sprach. Wieso diese ganzen Grausamkeiten? Was unterscheidet uns so sehr davon, dass wir gegeneinander kämpfen müssen? Ich ein Amerikaner und du ein Japaner? Ist das der Grund?
Ehrlich gesagt fehlen mir eigentlich die Worte um nur ansatzweise dem Film gerecht zu werden. Ich habe mein bestes versucht. Die Art und Weise wie Malick einen Antikriegsfilm erschaffen hat, in dem er quasi das ganze Leben auf den Kopf stellt sowie hinterfragt, ist atemberaubend schön und bisher unerreicht. Der schmale Grat ist in der Tat, der wohl beste und intelligenteste Film, der jemals gedreht wurde. Der Film ruft alleine durch seine Bilder, die wir jeden Tag sehen, wenn wir vor die Tür gehen, einen Parzifismus der Seinesgleichen sucht. Der Film ist Frieden und das zeigt er uns jede Minute, auch dann, wenn er uns in ein Gefecht zwischen Japaner und Amerikaner wirft, so plädiert der Pantheismus im Film immer für den Frieden! Danke Malick!
Ich wollte noch erwähnen, dass zu meinem Erstaunen eine Szene nicht beschrieben wurde. Gleich am Anfang errinert sich Witt daran wie seine Mutter sterbend im Bett lag. Diese Szene macht quasi den ganzen Film aus und unser ganzes Leben. Sie verläuft ohne eine Art von Dialog, Monolog oder Konversation. Nur Geräusche und Bilder bestimmen das Szenario. Witts Mutter liegt sterbend im Bett, streckt sich jedoch und will ihre Hand einem Mädchen reichen, als würde sie nach dem "Leben" greifen. Man hört die Geräusche von Vögeln, die in einem Käfig eingesperrt umherfliegen. Die Kamera zeigt diese Vögel kurz. Dann hört man Witts Herzschlag und das Mädchen tastet Witts Herz ab und lehnt ihr Ohr samt Kopf an sein Herz. Die Kamera wendet sich auf eine Uhr, die im Raum ist und man hört letztendlich diese ticken. Das Szenario ist zu ende.
Ich denke rund 95% der Zuschauer haben mit dieser Szene nichts anfangen können. Jedoch bin ich immer noch zutiefst berührt wie Malick nur durch Bilder und Geräusche es geschafft hat das ganze Leben im Kontrast darzustellen. Jeder Zuschauer intepretiert natürlich die Kontraste individuell für sich. Das wollte Malick auch so. Das Leben ist individuell. Es gibt kein allgemeines Muster für das Leben. Jeder Mensch sieht es in sich anders.
Wenn ich diese Szene immer sehe, komme ich vom Staunen nicht raus: Die Mutter, die weiß, dass sie sterben will greift ein letztes Mal nach "Leben". Die Vögel im Kontrast dazu im Käfig. Über das Leben hat man nicht zu entscheiden. Das Leben ist gefangen wie in einem Käfig. Wer bestimmt, dass man stirbt? Witts Herzschlag signalisiert das Leben, im Kontrast dazu zeigt der Uhrenschlag, dass das Leben vergänglich ist wie eine Batterie. Es kommt auf die Batterie an wie lange das Leben noch schlägt.
Diese Szene ist nicht nur einfach genial. Das Wort um diese Szene auch annähernd beschreiben zu können, schwebt in einer anderen Dimension.