Es war das Jahr 2009, als Duncan Jones mit seinem Erstlingswerk "Moon" einen faszinierenden Mix aus Sci-Fi, Mystery und Drama erschuf. Niemand hatte auf diesen Film gewartet oder danach gefragt. Doch dauerte es nicht lange, ehe der Sohn des legendären David Bowie als einer der aufregendsten und frischesten Regietalente der Zukunft gelten sollte: "Wer ist dieser junge Regisseur", fragten sich viele, "der aus dem Nichts in einem 90 Minütigen Film mit nur einem (!) Schauspieler (Sam Rockwell) eine so beklemmende und zugleich soghafte Story entwickeln kann?" Zurecht gewann er für sein Regie-Debüt den BAFTA-Award als bester Newcomer. 2 Jahre später folgte der solide, aber von den Filmkritikern nicht überschwänglich aufgenommene "Source Code" mit Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle. Danach wurde es eine Zeit lang ruhig um den einst so vielversprechenden Neuling, ehe er den Regieposten des inzwischen vom Warcraft-Filmprojekt abgesprungenen Sam Raimi übernahm. Kann das gut kommen?
Warcraft: The Beginning erzählt eine Neuauflage der bereits aus den Spielen bekannten Geschichte über den Einfall der Orcs in die von Menschen, Zwergen und vielen anderen Völkern bewohnte Welt "Azeroth". Der Machthungrige Gul'dan (Daniel Wu) öffnet mit Hilfe des Fels - einer Teufelsmagie, die sich von der Lebenskraft anderer Lebewesen ernährt - ein gigantisches Teleportationsportal, um die Orcs von ihrer vor dem Zerfall stehenden Welt "Draenor" zu retten. Dass Gul'dan nicht ausschliesslich das Wohl der eigenen Rasse, sondern viel mehr seinen eigenen Plänen bei dieser Invasion folgt, wird Durotan (Toby Kebbell) rasch bewusst. Zusammen mit seinem engsten Freund, Orgrim (Robert Kazinsky), plant er insgeheim die Rebellion gegen den Anführer der Orcs, und hofft dabei auf Hilfe von den eigentlich Feinden der Orcs - den Menschen. Diese wiederum versuchen die Invasion mit allen Mitteln zurückzuschlagen. König Llane Wrynn (Dominic Cooper) und sein Schwager und Heerführer Anduin Lothar (Travis Fimmel) erkennen schnell, dass allein durch Schwert und Schild dieser riesigen und von Teufelsmagie gestärkten Orc-Armee nicht beizukommen ist, weshalb sie Hilfe beim mächtigen Magier Medivh (Ben Foster) zu finden hoffen.
Als Duncan Jones das Szepter von Sam Raimi übernahm, war einer seiner ersten Amtshandlungen, den Orcs eine deutlich gewichtigeren Rolle in dieser Geschichte zu geben und sie bewusst nicht als Antagonisten der Geschichte darzustellen. Dies zeigt sich dadurch, dass wir zum ersten Mal die durch Herr der Ringe bekannte Rasse nicht als abgrundtief böse und dumme Monster kennenlernen, sondern als Lebewesen mit eigener Kultur, eigenen Werten und Traditionen. Gerade die Storyline um den innerhalb der eigenen Reihen rebellierenden Durotan offenbart dabei die Stärke dieser Herangehensweise: Als Zuschauer ist man vom emotionalen Konflikt Durotans, der sich mit dem Feind verbünden und damit gegen sein eigenes Volk stellen muss, um es schlussendlich doch retten zu können, erstaunlich gepackt. Und das, obwohl sämtliche Orcs zu 100% dem Computer entstammen. Dabei kam die aus Herr der Ringe, Avatar oder Planet der Affenen berühmt gewordenen "Motion Capture" Technik zum Einsazt. Hier werden nicht nur die Bewegungen, sondern jede noch so kleine Regung im Gesicht der Schauspieler auf ein virtuelles Computermodell übertragen, und das fertige Produkt sieht man dann im Film. Es ist in der Tat verblüffend, wie lebensecht und gefühlsreich ILM, die Spezialeffekte-Firma, welche uns zum ersten mal im Jahre 1977 mit Star Wars verzauberte, die Orcs erschaffen konnte. So sehr sogar, dass die "schauspielerische Leistung" der computeranimierten Figuren jene der realen Schauspieler übertrifft - ein Meilenstein des Motion Capturing Verfahrens!
Abseits der Orcs braucht man nicht lange um zu erkennen, wohin das Geld des üppigen Budgets von rund 160 Millionen Dollar, das die Filmstudios "Legendary Pictures" und "Universal" zur Verfügung gestellt haben, hingeflossen sind, denn die Welt von Azeroth wurde in schlicht atemberaubender Bilder eingefangen: Ob surreal grosse, mittelalterliche Paläste, magieumwebte Türme, in den Wolken schwebenden Städte oder von Flora und Fauna nur so strotzenden Jungel - der Film lässt den Zuschauer kaum aus den Staunen rauskommen. Man sieht, dass Duncan Jones wahrlich ein Warcraft Fan durch und durch ist, dass er sicherstellen wollte, dass auch der hinterletzte Warcraft Fan begriffen hat: "Ja, das ist mein Azeroth wie ich es in den Spielen kennen- und liebengelernt habe". Sogar die trashige, teilweise comichafte Darstellung der Welt in den Spielen hat es in den Film geschafft und verleiht ihm dadurch einen unverwechselbaren Look, der den notwendigen Abstand zum von Kritikern und mir oft zitierten Herr der Ringe schafft. Warcraft: The Beginning versucht zu keinem Zeitpunkt, in puncto Aussehen oder Inszenierung die von Peter Jackson verfilmten Saga zu kopieren oder gar zu imitieren. Selbst die Darstellung von Magie und Zauberei, welche ich hier nochmals besonders loben möchte, hebt sich erfrischend bunt und... energievoll... von den meisten anderen Fantasy-Vertretern ab. Wenn es also um die optischen Schauwerte geht, hat Duncan Jones mit Warcraft: The Beginning alles richtig gemacht.
Aber - es ist nicht alles Gold was glänzt. Man merkt dem Film an, dass die Betonung bei Warcraft: The Beginning auf "The Beginning" liegt. Duncan Jones hat die schier unmögliche Aufgabe, ein riesiges Universum, das über die letzten 15 Jahre durch unzählige Spiele, Bücher und Comics ähnliche Ausmasse wie ein Herr der Ringe oder das Expanded Universe von Star Wars angenommen hat, nicht nur den Kennern und Fans, sondern eben auch den Nicht-Kennern und Nicht-Fans näher zu bringen. Das gelingt nur bedingt. Die Laufzeit von immerhin zwei Stunden ist einfach nicht genug für ein Film, das einen so epochalen Anspruch an sich selber hat. Man merkt ihm an allen Ecken und Kanten an, dass da eigentlich noch mehr wäre, dass Szenen geschnitten und gekürzt wurden, um diese magische zwei Stunden Marke nicht zu übertreffen. Es geht einfach alles zu schnell. Die Handlung schreitet in einem horrenden Tempo voran, und ehe man sich versieht, steht schon die obligatorische epische (und toll inszenierte!) Endschlacht an. Das mag einerseits sehr kurzweilig daherkommen, andererseits gesteht der Film dem Zuschauer kaum eine Verschnaufpause zu, zwei oder drei kurze Momente, in denen nicht nur wir, sondern auch die Charaktere im Film Zeit haben, um über Geschehenes und deren Konsequenzen zu reflektieren. Es gibt kaum Charaktertiefe, und niemand entwickelt sich im Laufe des Films so richtig weiter. Manche Figuren, wie etwa Medivh oder König Llane, bleiben sogar völlig auf der Strecke. Auch die Figur des Anduin Lothars hätte deutlich mehr Potenzial geboten als zur zu offensichtlichen "Han Solo in Warcraft-Universum" Kopie zu verkommen. Lobenswerte Ausnahmen sind der bereits erwähnte Durotan und sein Freund Orgrim. Die Filmstudios fürchteten wohl, dass eine zu lange Lauftzeit potentielle Zuschauer, die ansonsten nichts mit Wacraft am Hut zu scheinen haben, abgeschreckt würden. Eine mir unverständliche Schlussfolgerung, die schon so oft in anderen Filmen gezogen wurde, obwohl ein darauffolgender "Extendend Cut" oder "Director's Cut" (mein Lieblingsbeispiel: Königreich der Himmel) das pure Gegenteil bewiesen hat.
Nun denn, nachträglich gibt es nichts mehr daran zu rütteln. Auf die flachen Dialoge, welche nur dazu dienen, die Handlung voranzutreiben, möchte ich nicht gross eingehen, denn sie mindern den Filmspass zum Glück nie. Wenn der Film seine beiden Hauptprotagonisten - Durotan und Anduin - die gleiche Geschichte aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln erzählen lässt (Zitat Durotan: "I've led thousands of warriors into battle, but I fear being a father. Does that make me a leader, or a coward?" vs. Zitat Anduin: "I've spent more time protecting my king than my own son. Does that make me loyal, or a fool?") lässt das den Zuschauer erahnen, dass der Stoff durchaus Potenzial für eine grössere, emotional packendere Geschichte gehabt hätte. Doch wenigstens bleiben die opulenten, aber niemals zum Selbstzweck verkommenden Schauwerte, die tollen und detailreichen Kostüme, die knackig-treibende Filmmusik und ein neues Filmuniversum, das definitiv Lust auf mehr - viel mehr! - macht.