Ich bin eher zufällig über die Kritik hier gestolpert, als der Film auf dem FantasyFilmFest gezeigt worden ist und war seitdem neugierig auf den "grenzüberschreitenden Horror aus Frankreich", der uns versprochen wurde.
Das Versprechen wurde nicht gehalten; nichtsdestotrotz ist Martyrs ein guter Film.
Ich hab mir unnötigerweise ins Hemd gemacht und will mal einige Fakten über den Film festhalten:
- es gibt wenig Schockeffekte und keinerlei Gruselszenen. Wer sowas sucht, ist hier falsch!
- er ist brutal, aber wird (meiner Meinung nach) nicht unerträglich und die Gewalt ist hier kein Selbstzweck
- der Film funktioniert wirklich nur dann, wenn man vorher nichts weiß. Vorher was zu wissen macht ihn aber auch nicht kaputt!
- die Storytwists sind eigentlich nicht sonderlich aufsehenerregend, das wird oft überschätzt. Sie sind eigentlich eher logisch!
Ich finde die Vergleiche mit gängigen Horrorfilmen, wie sie hier so oft gebracht werden, völlig unzutreffend. Viel passender wäre es da, Martyrs mit Jack Ketchum's Evil gleichzusetzen, denn dieser Film beschäftigt sich auch mit einem Thema: Wozu Menschen in der Lage sind. Sowohl die Menschen, die anderen Schlimmes zufügen, als auch die Menschen, die das ertragen müssen.
Irgendwo habe ich die Tage den denkwürdigen Satz gelesen: Die Realität hat diesen Film eingeholt. Ja, das stimmt. Ich wollte mir zwischendurch auch sagen: Ach, komm, das ist weit hergeholt, keiner würde das tun.
Aber so ist es leider nicht. In Österreich sperrt auch ein Vater seine Tochter 24 Jahre lang in ein Verlies. Das kann man schon durchaus vergleichen.
Wenn Leute wegen diesem Film den Kinosaal verlassen, passiert das meiner Meinung nach nicht wegen den "unglaublich blutigen und brutalen Folterszenen", sondern vielmehr deshalb, weil man die psychische Grausamkeit, der man ausgesetzt ist, nicht erträgt.
Ich habe mich auch gefragt: Warum will ich das sehen? Warum bin ich neugierig auf sowas?
Weil mich das Abgründige anwidert und zugleich fasziniert, so blöd das klingt, denn der Mensch ist eine wahre Bestie. Wenn man in den Medien immer wieder unfaßbare Geschichten wie aus Österreich hört, dann fragt man sich irgendwann: Wieso sind Menschen dazu fähig? Mich interessiert das Warum.
Die Antwort gab es auch hier nicht, doch was sich mir eingebrannt hat, ist die abstruse Gegenüberstellung der gelassenen, sich normal verhaltenden Verantwortlichen, die alle ihr saubreres Leben leben und dann hier auf ein elendes Häufchen Mensch schauen, für das sie selbst gesorgt haben. Das saß wirklich, das hat wütend gemacht.
Ansonsten muß ich sagen, daß die zweite Filmhälfte bei mir ihren Mitleidseffekt verfehlt hat. Der Film hat teilweise auch einfach seine Längen. Und er ist definitiv nicht so "asozial", wie es hier beschrieben wird, und dieses Monster, das so oft beschrien wird. Was hier erschreckend ist, ist der Anspruch auf Tiefgang und Realität. Man nehme z.B. The Hills have Eyes: Da tun degenerierte Menschen anderen Böses an.
Das ist hier aber nicht so. Hier gibts keine Hintertür, durch die man rennen und dann sagen könnte: Ist ja alles nur Fiktion.