Style with substance
Folgend erkläre ich, wie ich den Film subjektiv wahrgenommen habe. Meines Erachtens nach hat "Sucker Punch" eine selten erkannte Tiefe, die mir ausserordentlich gut gefallen hat. Ich war wegen dieses Filmes gleich drei mal im Kino und jedes mal habe ich ihn auf's Neue genossen. Ich liebe Zack Synder, ich liebe Watchmen und 300, ich liebe seine Erzählweise - leider ist er oft missverstanden, gerade wegen diesem Film hier. Ein typischer Fall von "Oh, cooles Cover, netter Trailer, sieht nach gutem Popkornkino aus". Der Zuschauer geht in Erwartung dessen ins Kino und schaltet seine Konzentration ab, weswegen er viele Details verpasst und nur halbnackte, rumhüpfende hübsche Mädls sieht, die gegen Unmengen von Gegnern kämpfen. Am Ende versteht diese Sorte Publikum aber nur Bahnhof. Das ist genau das Problem von Sucker Punch. Ich will nicht vergleichen, aber Leute, die in Hoffnung auf einen neuen "Transformer" in "Drive (2011, der mit Ryan Gosling)" gehen, werden auch bitter enttäuscht. Versteht mich nicht falsch, ich mag Popkornkino und habe nichts gegen Leute, die sich einfach mal unterhalten lassen wollen, aber nur weil man einen Film nicht ganz versteht darf man noch lange nicht fest behaupten, dass das alles wirrer, schlechter, möchtegern Nonsens ist.
Sucker Punch ergibt bis ins kleinste Detail Sinn! Sucker Punch ist mutig, berauschend, ehrlich und intelligent. Sucker Punch ist nicht "Style over substance" sondern "Style with substance". Sucker Punch lässt Raum für Tonnen von Interpretationen, das kann man einfach nicht leugnen.
ACHTUNG SPOILER! ACHTUNG SPOILER! ACHTUNG SPOILER! ACHTUNG SPOILER!
Baby Doll HAT ihre Schwester erschossen, sie zielte auf Ihren Vater und die Kugel hat als Querschläger ihre Schwester getroffen. Das hat sie so traumatisiert, sie ist in einen Schock verfallen und hat sich nichtmehr gegen die Vorwürfe gewehrt. Die Insassen der Anstalt wurden nicht per Hirnoperation zu Zombies gemacht, sie wurden lobotomiert, das ist ein Verfahren, was es in psychiatrischen Einrichtungen wirklich gab. Dafür hat der Stiefvater den Anstaltleiter auch bezahlt, er sollte, egal ob die Operation als angemessen befunden wird oder nicht, dafür sorgen, dass Baby Doll lobotomiert wird, so dass sie nichtmehr von den realen Vorkommnissen berichten kann. Das sieht man auch daran, dass sich die Psychiaterin gegen Ende des Filmes über die gefälschte Unterschrift wundert. Die Charaktere tanzen nicht wirklich, sie führen lediglich vor, was Ihnen widerfahren ist - das alles passiert auf einer Theaterbühne, welche man gegen Anfang des Filmes in der tatsächlichen psychatrischen Einrichtung sieht. Deswegen sorgt Baby Dolls Tanz auch für so viel Aufsehen - sie führt vor was ihr passiert ist, dabei behalten sie die Mitarbeiter der Einrichtung immer genau im Auge und sind erpicht darauf, dass kein schmutziges Detail nach aussen dringt. Der Bürgermeister steht für einen Inspektor, der schaut ob da auch alles in Ordnung ist. Deswegen hat sie sich auch so lange auf den Tanz vor dem Bürgermeister vorbereitet. Sie hat erkannt, dass ihr sowieso niemand glauben würde, also hat sie eine falsche Vorführung abgeliefert und dafür gesorgt, dass die Komplizin das Feuerzeug stehlen kann, welches am Ende beim Fluchtversuch die Tür öffnen sollte (Baby Doll hat bei ihrer Einlieferung ja gesehen, dass sich im Brandfall alle Türen öffnen).
In der Sequenz mit den 3 riesigen Samuraimonstern Trifft Baby Doll das erste mal auf ihren Schutzengel, der ihr in dieser schlimmen Situation beiseite steht. Ihr wird klar, dass sie sich wehren muss und sie konstruiert einen Plan. Das Kämpfen gegen die drei Samuraimonster symbolisiert Baby Doll's aufkommende brodelnde Wut und ihre neue Überzeugung, dass sie sich aus diesem Sumpf herausreissen muss.
Baby Doll flüchtet sich aufgrund Ihrer alptraumhaften Lage in mehrere Fantasien, die auf metaphorischer Ebene erzählen, was wirklich passiert. Das Bordell wurde hier sehr passend gewählt. Gegen Ende des Filmes sieht man, wie sich Oscar Isaac (im Film Blue Jones) an der lobotomierten Baby Doll vergehen will, man könnte also davon ausgehen, dass er die geistig abwesenden Mädchen unfreiwillig prostituiert und verkauft, er symbolisiert also den Zuhälter, der ja auch für Geld dafür sorgt, dass Baby Doll lobotomiert wird (wie bereits erwähnt).
Die letzte Fantasie: Warum stirbt Rocket? Man kann davon ausgehen, dass der Koch mit in den kriminellen Machenschaften steckt, will er sich doch in einer Szene an Rocket vergehen, als sie die Schokolade klauen wollte. Es wird nicht direkt gezeigt und auch insgesamt ist das hier nur meine Interpretation zu gezeigter Sequenz. Im ganzen Team wollen sie nun also das Messer stehlen. Baby Doll lenkt den Koch ab, indem sie ihm droht alles auffliegen zu lassen. Ja vielleicht hält sie ihm auch vor Augen wie grausam das doch ist, was er mit betreibt, man weiß es nicht. Eine weitere denkbare Möglichkeit wäre, dass Baby Doll den Koch schlicht und einfach mit ihren weiblichen Attributen ablenkt, dazu würde ihr "Tanz" aber nicht passen. Die Bombe symbolisiert die verbleibende Zeit in welcher der Koch abgelenkt ist, während welcher ein anderes Mädchen das Messer stehlen kann. Der Koch bekommt aber Wind von dem Diebstahl, haut Sweet Pea nieder und droht sie zu erstechen. Rocket opfert sich für seine Schwester und springt zwischen Messer und Sweet Pea. (Im Film wird es so dargestellt: Einer der Roboter zerstört Rocket's Jet Pack, Sweet Pea will sie mitnehmen, Rocket erkennt aber, dass nur Sweet Pea eine Flucht möglich ist und so opfert sie sich für sie. usw usf.) Der Koch verfällt schockiert von seiner Tat in eine Starre, wodurch sich die restlichen Mädchen das Messer schnappen und sich drauf und dran machen, abzuhauen.
Die Tanzlehrerin ist Baby Doll's Therapeutin. Der High Roller, von dem des öfteren die Rede ist, ist der Doktor, der die Lobotomie durchführen soll, mit ihm beginnt der Countdown - bis er kommt bleibt Zeit um zu flüchten, danach ist alles zu spät.
Die von vielen Kritikern unterstützte Theorie, dass "Sucker Punch" nur einen Genderkrieg zeigt in dem sich Baby Doll in einer von Männer dominierten Welt durchzusetzen versucht halte ich für viel zu oberflächlich, aber gut, wem's so gefällt.
Auch die Motivation der anderen Mädchen, die sie dazu verleitet auszubrechen, wird gezeigt. So schenkt ein anderes Mädchen während des Zahnrad-Dampfkraft-Zombieszenario einem verwundeten Jungen im Schützengraben ihre Aufmerksamkeit, welcher wohl Ihre Vergangenheit widerspiegelt, wegen welcher sie in diesem Irrenhaus gelandet ist.
Baby Doll's Lobotomie wird in ihrer Fantasiewelt mit der Entjungferung durch den Highroller ersetzt.
SPOILER ENDE! SPOILER ENDE! SPOILER ENDE! SPOILER ENDE!
Wer also genau hinsieht erkennt hinter der Hochglanzoptikfassade von "Sucker Punch" ein mitreissendes Drama, das zu unterhalten weiß.
Die Geschichte mehrerer Mädchen mit grauenhafter Vergangenheit, die ihre Motivation finden weiterzumachen, sich durchzukämpfen, nicht klein bei zu geben.