Eines gleich vorweg: Ari Folman ist mit Waltz with Bashir ein echtes Meisterwerk gelungen. Es ist wahrhaft herausragend, was in diesem Film alles an Innovation und Kreativität steckt. Doch Waltz with Bashir ist nicht nur rein formal meisterhaft inszeniert, er kann auch inhaltlich Akzente setzen.
Der Film beginnt mit einem Traum: Hunde hetzen durch die Straßen von Tel Aviv. Sie sind aggressiv und zielgerichtet. Nichts kann sich ihnen in den Weg stellen. Es sind die Hunde der Erinnerung, die Boaz Rein-Buskila quälen. Jahre lang hat er die Ereignisse des Libanonkrieges mit sich herumgeschleppt, ohne sie aktiv zu verarbeiten. Als Boaz seinem Freund Ari Folman, der auch im Libanonkrieg war, von seinem Traum erzählt, fällt diesem auf, dass er sich selbst nicht mehr an seine Erlebnisse im Krieg erinnern kann. Er macht sich nun auf die Suche nach anderen, die mit ihm in Beirut waren, und seiner Erinnerung auf die Sprünge helfen können und nimmt die Gespräche mit ihnen auf, um später einen Film draus zu machen(Waltz with Bashir).
Der Film zeigt schonungslos die Realität des Krieges. Diesen Anspruch erheben zwar auch viele andere, vermeintliche Antikriegsfilme, letztendlich ergötzen sich einige von ihnen aber nur an der gezeigten visuellen Gewalt und schießen dementsprechend weit am Ziel vorbei. Waltz with Bashir thematisiert stattdessen, die psychische Gewalt, der sich die Beteiligten aussetzen müssen und wie sie darauf reagieren. Die Israelischen Soldaten haben einfach Angst. In jedem Auto, das auf sie zukommt, könnten Selbstmordattentäter stecken, und wer Angst um sein Leben hat, der denkt in dieser Situation nicht nach, er schießt. Dass in dem Auto eine Familie sitzen könnte, muss in diesem Augenblick einfach in Kauf genommen werden, denn Zeit zum Nachdenken bleibt keine und schließlich geht es womöglich ums eigene Leben
Doch nicht nur die eigenen Taten belasten den Soldaten. Es wird immer klarer, dass Ari Folman auch Zeuge des Massakers von Sabra und Shatila war, an das er sich selbst zunächst nicht erinnern kann. Dieses Blutbad war ein Racheakt, der christlichen Falangisten an der islamischen Bevölkerung Libanons für die Ermordung ihres Führers Bashir Gemayel. Die Szenen des Massakers erinnern sicher nicht von ungefähr an Bilder aus Konzentrationslagern und Ghettos. Ablauf und Ausführung ähneln klar einem Pogrom, wie es auch in Nazideutschland nach dem Reichstagsbrand hätte vorkommen können. Dies ist jedoch nicht nur Kritik am Vorgehen der Falangisten, sondern auch am Nichteingreifen des israelischen Staates, dem damit, in Anbetracht seiner Vergangenheit, eine besonders schwere Schuld zukommt. Die Hilflosigkeit, mit der die Soldaten das Gemetzel mit ansehen bzw. anhören müssen, lässt verstehen, warum sie die Erinnerung verdrängt haben.
Die besondere Stärke des Films ist seine stark subjektive Erzählweise. Die Geschichte wird die meiste Zeit aus der Erinnerung einer der beteiligten Personen bzw. Ari Folmans erzählt. In Interviews befragt Folman die anderen Beteiligten, die dann jeweils aus der Ich-Perspektive berichten. Da es sich bei diesen Erzählungen natürlich nur um Erinnerungen handelt und auch nicht viel authentisches Material besteht, bzw. dieses den Sinn einer subjektiven aber dafür umso persönlicheren Erzählung verfehlen würde, entschied man sich, den Film komplett zu animieren. Gerade diese Entscheidung macht den Film so unglaublich persönlich und auch glaubwürdig.
Bei Waltz with Bashir handelt es sich zwar vordergründig um einen Film über den Libanonkrieg und das Verarbeiten der persönlichen Erlebnisse der Beteiligten; anderen Soldaten in anderen Konflikten im Nahen Osten und auch weltweit geht es jedoch nicht anders. Die meisten modernen Kriege laufen nach ähnlichen Mustern ab, dementsprechend besitzt der Film natürlich eine große Allgemeingültigkeit. Er hätte auf ähnliche Art und Weise auch von einem Amerikaner oder Russen im Irak oder in Tschetschenien stammen können. Der Film hilft dementsprechend die aktuellen Konflikte besser zu verstehen, nicht wie sie entstanden sind, sondern wie sie ausgefochten werden und von wem und besonders wie es manchem Soldaten dabei ergeht.
Doch nicht nur inhaltlich, sondern auch der Form nach ist der Film wahrhaft hervorragend. Die Entscheidung, den Film zu animieren, ist wie bereits erwähnt, meisterhaft und innovativ. Auch der Soundtrack ist für einen Film dieser Art außergewöhnlich. Geschickt versteht es Folman, den Zeitgeist im Israel der Achtziger Jahre einzufangen. Dies wird besonders deutlich, in den Szenen, in denen er Urlaub bekommt und nach Tel Aviv zurück kann. Er ist geradezu schockiert, dass die Menschen dort einfach weiter Party machen, als gäbe es keinen Krieg.
Was man dem Film eventuell vorwerfen könnte, ist dass er durchaus die eine oder andere Szene beinhaltet, die stark auf die Tränendrüse drückt. Man könnte Ari Folman unterstellen, dass er versucht, das Publikum auf eine recht einfache Art und Weiße zu manipulieren. Jedoch ist die Aussage, das Gewalt weitere Gewalt nach sich zieht zu wichtig und das Geschehene zu schrecklich, um die Emotionalität nicht als probates Mittel erscheinen zu lassen. Letztendlich wird damit nur noch die persönliche Note unterstrichen.
Fazit: Die Deutsch-Israelische Koproduktion Waltz with Bashir ist sicherlich einer der herausragendsten und wichtigsten Filme dieses Jahrzehnts. Nicht nur bringt er neuen Wind in die Filmlandschaft, von der viele glauben, dass sie keine Innovationen mehr hervorbringen könne, er ist auch einer der besten Antikriegsfilme überhaupt und sollte alleine schon aus diesem Grund in Schulen gezeigt werden.