Egal ob man seine kultgewordenen Tanzschritte aus heutiger Sicht eher als unkoordiniertes Rumgehampel oder die Coolness schlechthin einstuft – mit seinen unvergesslichen Auftritten in „Nur Samstag Nacht“ und Grease sicherte sich John Travolta Ende der 70er Jahre seinen Platz als Disco-König. Einsam thront er seitdem ganz weit oben im Funk-Olymp, unerreicht von seinen zahlreichen Nachahmern, die – zumindest in der westlichen Hemisphäre - nie über den Status billiger Imitationen hinauskamen. Doch auch in Indien machte sich mit Mithun Chakraborty in Babbar Subhashs Tanzfilm „Disco Dancer“ ein junger Mann auf, den westlichen Herrscher Travolta zu stürzen. Auch ihn nur als einfachen Imitatoren zu bezeichnen, würde der Sache jedoch nicht im Entferntesten gerecht werden: Mit seinen absurden Bewegungen, die eher an Erstickungsanfälle denn an ernst gemeinte Choreographien erinnern, macht er den Trashstreifen, der wohl am ehesten irgendwo zwischen Guildo Horns Auftritt beim „Grand Prix d´Eurovision de la Chanson“ und einem Charles-Bronson-Rachethriller anzusiedeln ist, zu einem absoluten Partyknüller.
Als Kind wurde der bettelarme Straßenmusikant Jimmy (Mithun Chakraborty) mitsamt seiner allein erziehenden Mutter aus Bombay verjagt. Und das nur, weil der reiche Industrielle Mr. Oberoi sie zu unrecht als Diebe bezichtigt hatte. An diesem Tag schwor sich Jimmy, nicht eher zu ruhen, bevor er nicht als großer Star von dieser Stadt bekniet wird, die ihn und seine Familie einst so schändlich behandelte. Als Mr. Oberois Sohn Sam (Yusuf Khan), der bekannteste Disco Dancer der Nation, aus lauter Arroganz und Selbstherrlichkeit seinen Manager Mr. Brown (Om Puri) feuert, und dieser sich deshalb auf die Suche nach einem neuen Schützling macht, scheint Jimmys Chance endlich gekommen. Mit Browns Hilfe schafft Jimmy den Aufstieg vom unbedeutenden Niemand zum absoluten Superstar in Rekordzeit – und wird sogar von Bombays Bürgermeister (Chandrashekhar) persönlich empfangen. Mr. Oberoi, dessen Sohn aufgrund von Jimmys Erfolg in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden droht, gefällt diese Entwicklung natürlich gar nicht. Mit allen Mitteln versucht er, das ehemalige Straßenkind wieder in seine Schranken zu weisen. Und nachdem Jimmys Mutter an dessen Stelle bei einem Mordanschlag ums Leben kommt und Jimmy daraufhin eine Gitarrenphobie! entwickelt, wodurch er auch nicht mehr auftreten kann, scheint Oberois teuflische Mission erfolgreich abgeschlossen…
Vergleicht man die peinlichen Choreographien aus „Disco Dancer“ mit denen heutiger Produktionen, muss man eingestehen, dass die Bollywood-Tanznummern 1983 anscheinend noch in ihren ganz kleinen Babyschuhen steckten. Zwar gab es schon damals groß besetzte Nummern inklusive bunter Kostüme und farbenfroher Ausstattung – nur war das Ergebnis weit davon entfernt, mitreißend zu sein, Totlachen wäre wohl die natürlichste Reaktion auf dieses angestrengt wirkende Rumgezappel. Kostüme – babyblau und babyrosa, dazu mit weißen Federn geschmückt, die vom ABBA-Schneider auf einem schlechten Ecstasy-Trip entworfen sein könnten. Bewegungen, irgendwo zwischen den Backstreet Boys und den Teletubbies, die gerade deshalb so urkomisch sind, weil die Macher sie für ernsthaft cool hielten. Und Musik, die – abgesehen von dem geklauten Grease-Stück „You Are The One That I Want“ – an Simplizität kaum zu übertreffen ist. Dafür entwickelt der einfach gestrickte Titelsong „I´m A Disco Dancer“ aber immerhin absolute Kult- und Ohrwurmqualitäten. Zumindest alle, die sich „DSDS“ und Co. nicht wegen der guten, sondern gerade wegen der abgrundtief schlechten Kandidaten ansehen, werden bei diesem kaum noch ins Absurdere zu steigernden Tanz-Trash-Fest voll auf ihre Kosten kommen. Auch wenn es von Bombay noch ein weiter Weg bis nach Brooklyn ist – Disco Rules!
Spätestens wenn der westliche Profikiller, der auch schon Elvis auf dem Gewissen haben soll, in einem schwarzen, hauteng anliegenden Polyester-Ganzkörperanzug mit roter Sonnenbrille seinen Auftritt hat, ist auch der letzte sinnfreie 70er-Jahre-Ami-Prügelstreifen an purer Blödheit überboten. Jimmy betätigt sich nämlich beileibe nicht nur als herzensguter Sänger, sondern prügelt sich hin und wieder auch mal ganz gerne, wobei er echte Profiboxer-Qualitäten an den Tag legt und seine Gegner gleich dutzendweise aufs Kreuz legt – oder ihnen auch gleich ganz den Gar ausmacht. Da fliegen die Fäuste noch um Längen weiter an den gegnerischen Visagen vorbei als bei jeder Bud-Spencer-Prügelorgie. Und immer wenn ein Getroffener in hohem Bogen abhebt, steht mit Sicherheit ein – jedes Mal exakt gleich aussehender - Backsteinhaufen für seine schmerzhafte Landung bereit. Bei diesen Actionszenen, deren Einstufung als hanebüchen oder schwachsinnig eine maßlose Untertreibung wäre, kann man als Zuschauer den Schmerz der Protagonisten förmlich spüren – und zwar in Form überstrapazierter Lachmuskeln. Im Vergleich waren die billigen Prügelarien der Power Rangers allerfeinste Stuntkunst. Bei dem Trashfaktor kann man sich dann aber zumindest kaum noch darüber aufregen, dass das Ende – Jimmy macht mit seiner gesamten Gegnerschaft in Charles-Bronson-Manier kurzen Prozess – äußerst fragwürdig geraten ist.
Natürlich haben die Macher versucht, mit „Disco Dancer“ eine ernste Geschichte zu erzählen. So finden sich in Jimmys Aufstieg zum Beispiel auch zahlreiche Klassenkampf-Elemente wieder, die aber sofort unter einem riesigen Haufen fehlgeleitetem Pathos wieder begraben werden. Und die Liebesgeschichte zwischen Jimmy und Rita (Kim) hat durchaus „Romeo und Julia“-Anleihen („Mädchen aus gutem Hause träumen nicht ohne die Erlaubnis ihrer Eltern!“). Aber bei dem ganzen Gelache, dass dieser Film dem Zuschauer zwangsläufig abverlangt, kommt man gar nicht dazu, auf die Erzählungen abseits der Tanz- und Prügelszenen zu achten. So ist „Disco Dancer“ der perfekte Beitrag für den geselligen Partyabend, weil man dem ganzen Film kaum folgen muss, um die brüllkomischen Einzelszenen in ihrer vollen absurden Pracht zu genießen.