Das Thema eines jeden Thrillers ist die Angst, und Ängste ändern sich.
In den Fünfzigern hatte man Angst vor grünen Männchen, Ende der Sechziger beschwor man die bösen Geister der Technik und in den Neunzigern wetterte man auf die Gespenster der Ökonomie. Die Liste ist lang.
Nun kommt - mal wieder - die Naturwissenschaft. Natürlich müssen unheimliche - weil unverstandene - Experimente herhalten.
Dass in diesen Romanverfilmungen Fiktion und "Wirklichkeit" verknüpft werden ist blanker Unsinn, wohl eher ein schönes Beispiel paranoider Pseudowissenschaft. Man beruft sich hier auf falsche Quellen und irgnoriert sämtliche Fakten, die der hier verbreiteten Idee zuwiderlaufen würden.
Nun zur bösen Antimaterie:
Im Film wird ein Viertelgramm Antimaterie hergestellt, die beim Kontakt mit Materie alles im Umkreis von rund einem Kilometer vernichten soll. Hier beginnt das Reich der Fiktion: Ein Viertelgramm Antimaterie in einer Flasche kann niemand bauen. Und es wird niemand bauen können,nicht weil es technisch noch nicht möglich ist, sondern weil es prinzipiell nicht funktioniert. Die Schranken setzt die Natur, nicht Technik.
Die Physiker im CERN produzieren sehr, sehr kleine Mengen, die völlig ungefährlich sind für einen extrem kurzen Zeitraum. Während eines Jahres produzieren am CERN die winzige Mengen von ca. 1 Nanogramm Antimaterie, für die im Film erzeugten Viertelgramm würden wir also ca. 250 Millionen Jahre benötigen. Zudem bleibt die Antimaterie nicht erhalten und verschwindet wieder, weil sie wieder zu Energie wird. Zu viel dazu.
Zudem hat man sich in dieser Story wohl verrechnet: Um die Sprengkraft von Antimaterie zu berechnen, setzt man E=mc2 ein. Allerdings muss man diese Formel „richtig“ anwenden. Sie entspricht ca. 10 Kilotonnen des Sprengstoffs TNT, damit könnte man allerdings ganz Rom und Umgebung pulverisieren. Hinzu kommt, dass Antimaterie als Energie der Zukunft - grundsätzlich - unmöglich ist. Da es in unserer Galaxie keine natürlichen Vorkommen gibt (das ist gesichert), muss jedes Antiteilchen mit ungeheuer viel Energie herstellt werden. Und zwar mit viel mehr Energie, als man dann aus der Materie-Antimaterie Vernichtung wieder gewinnen könnte. Übrigens ist CERN kein militärisches Projekt, sondern ein ziviles. Dort arbeiten (und arbeiteten) mehrere tausend Menschen aus vielen Ländern.
In dem Film wird diese gewaltige Menge (und Energie) in einem Reagenzglas festgehalten und mittels einer Batterie (1) am Ausbruch gehindert. Das ist so flach, dass man es nicht einmal als Metapher durchgehen lassen könnte.
Ich habe nichts gegen Fiktionen, ganz im Gegenteil. Den Anschein zu erwecken, es handle sich um "fundiertes Wissen" ist Volksverdummung aller erster Güte. Viele Leser glauben inzwischen, der Verfasser der Romanvorlage sei Historiker.
Natürlich kann ich in die Bibliothek gehen, wenn ich Fakten will, das ist richtig. Darum geht es aber nicht.
Es geht um die breite Masse und darum was sie glaubt. Es geht darum, dass Pseudowissenschaften immer populärer werden, weil sie einfacher sind und schnellere (aber falsche) "Erklärungen" liefern; und es geht darum, dass die Leichtgläubigkeit der breiten Masse durch solchen Unsinn gefördert wird.
Vielleicht - und das hoffe ich - kommt ihr auch dahinter, dass hier Geheimnisse offenbart werden, die keine sind.
Und die filmische Umsetzung? Sie hat gerade mal Serienformat. Die Szenen im CERN erinnern sehr an Serien wie CSY Miami oder 24. All die angstvoll-hektischen Menschen, bunt flackernden Bildschirme und die rasanten Kamerafahrten suggerieren den Eindruck, als ginge es im CERN zu wie in einer bondmäßigen CIA Schaltzentrale.
P.S. In einem Interview zu seinem Roman Sakrileg sagte Mr. Brown: „Ich begann als Skeptiker. Als ich mit den Recherchen für den Da Vinci Code begann, dachte ich, dass ich eine Menge von dieser Theorie über Maria Magdalena und das Heilige Blut und diese ganzen Sachen widerlegen würde. Aber ich wurde ein gläubiger Mensch.“