Der Koreaner Joon-ho Bong hat mit der Verfilmung des französischen Bildromans „Le Transperceneige“ den bisher teuersten koreanischen Film gedreht und als „Snowpiercer“ ins Kino gebracht.
Nachdem der Versuch, die Erderwärmung zu stoppen, in einer Eiszeit gemündet ist, versucht das Überbleibsel der Menschheit in einem ständig fahrenden Zug, die Kälteperiode zu überdauern. Die Passagiere sind aber wohl nicht gleichgestellt. Ein Glied der Restgesellschaft lebt in den letzten Wagons ohne Fenster im Dreck und mutmaßt ein luxuriöses Leben in den vorderen Zugabschnitten. Ihr Anführer Gilliam (John Hurt) ist alt geworden. Die Hoffnungen liegen nach vielen Jahren Odyssee auf Curtis (Chris Evans), der eine Revolution plant, um Ministerin Mason (Tilda Swinton) und dem Zugkonstrukteur Wilford (Ed Harris) die Führung zu entreißen.
Die Dialoge zu Beginn sind hölzern, klingen wie schon tausende Male gesagt. Doch dies gehört zum Konstrukt dieses actiongeladenen und gesellschaftskritischen Films, für dessen Werdung der in Korea gefeierte Regisseur Joon-ho Bong erstmals viel Geld und internationale Filmstars an die Hand bekommen hat. Er lässt seine derangierten Protagonisten von „hinten“ einen Kampf ausüben, der durch alle Wagons führen und vorne enden soll. Die skurrile Ministerin sagt gerne und oft, dass es ist wie es ist. Doch der ihr gegenüber erbrachte Respekt hat ein Ende gefunden. Und sie bleibt nicht der einzige Gegner. Das Problem der Angetriebenen ist nicht die Zeit und die geringer werdende Gefolgschaft wie bei „High Noon“ von Fred Zinnemann, durch dessen Meisterwerk Regisseure gelernt haben, wie spannende Filme gemacht werden. Es ist das Unwissen über das, was hinter jeder Sicherheitsbarriere in jedem Wagon lauert (und die geringer werdende Gefolgschaft). Der Weg zur „Engine“ ist lang, für die Revolutionäre und das Volk, das vor der Leinwand sitzt, mitfiebert und nie mehr weiß als die vorstrebenden Kämpfer. So erinnert die Methode der Spannungserzeugung mehr an die Geschichte von „The Raid“, in der eine Polizeieinheit ein von Verbrechern besetztes Hochhaus stürmt, sich bis zum Anführer in der obersten Etage durchkämpfen muss und immer weiter dezimiert wird. Auch beim „Snowpiercer“ treten die Gegner der Revolutionäre zunächst in großer Zahl mit reichlich Brutalität auf, um später zahlenmäßig weniger, aber gewitzter zu werden wie z.B. der scheinbar unkaputtbare Franco Elder (Vlad Ivanov). Beim indonesischen Film „The Raid“ hätte sich der koreanische Regisseur gerne abschauen dürfen, wie Kampfszenen wirkungsvoll räumliche Enge vermitteln, gefilmt und geschnitten werden. Die aufwändige, überwiegend gelungene CGI hat in einigen Szenen (z.B. beim Durchstoßen von eisigen Hindernissen) nur mäßig visuelle Überzeugungskraft.
Das besonders Gelungene an „Snowpiercer“ ist die im Kampfgetümmel auch ohne Restlichtverstärker allmählich deutlicher werdende Veranschaulichung des eingerichteten Gesellschaftsbildes in einem funktionierenden, in sich geschlossenen ökologischen System, welches der Welt abgeschaut und auf den Zug übertragen wurde. Es gehört jede Menge Ideologie, ständige Überwachung und Steuerung dazu. Zur Betrachtung kommt eine Diktatur auf Rädern ohne Platz für Abweichungen, mit hervorragend ausgesuchten, bizarren Szenen untermalt. Ohne Platz für Abweichungen? Genius Wilford hat für den Erhalt seines Zuges mehr geplant und kontrolliert als Curtis vermutet.
Chris Evans, der momentan auch als Captain America eher lieb und brav aus seinem sauberen Stars-and-Stripes-Anzug herausschaut, darf als unterwegs Selbstvertrauen anhäufelnder Anführer der fahrenden Revoluzzer schmutzig sein und düster entschlossen dreinschauen. Und das macht er genauso gut wie Tilda Swinton die durchgeknallte Ministerin spielt oder Ed Harris mit seiner Routine den Schöpfer des Zuges.
Die vornehmlich nichtkoreanischen Darsteller sprechen zudem ein auffallend gut verständliches Englisch für das Filmprojekt.
„Snowpiercer“ ist starkes Kino, das packende Action ebenso bietet wie die einfallsreiche Inszenierung einer auf wärmere Zeiten wartenden Interimsgesellschaft.