Es gibt sicherlich viel zu interpretieren, zu diskutieren und nachzudenken über Chris McCandless. Regisseur Penn wollte einen Film über eine bereits vergangene, echte Geschichte drehen. Deshalb kann die Story nicht bewertet werden, da sie eine echte Begebenheit ist. Stattdessen muss die Wertung die Leistung der filmerischen Darstellung dieser Geschichte reflektieren.
Die schauspielerische Leistung ist größtenteils hervorragend. Und vergleichsweise ist selbst die Rolle von Chris sehr gut gespielt. Doch wer sich lange genug mit dem Charakter von Chris auseinandergesetzt hat, dem wird die schauspielerische Leistung nicht genügen. Die psychologischen Eigenschaften entsprechen nicht hinreichend der Wahrheit.
Die Geschichte von Chris reicht von der Geburt seiner Eltern bis jetzt. Doch man kann die Wirklichkeit nicht vollständig darstellen, der Regisseur muss auswählen.
Um Chris und seine Geschichte zu verstehen, muss man zunächst analysieren. Chris war ein ganz besonders aussergewöhnlich talentierter Mensch. Er erfuhr nie, was es heißt, nicht gemocht zu werden. Er bekam nahezu alles, was er brauchte, hatte viele Freunde und eine riesige Power. Er protzte voller Bestätigung. Deshalb muss er sich so gut und wertvoll gefühlt haben, dass er sich selbst alleine nicht einsam gefühlt hat. Doch im Film wird kaum deutlich, welche psychischen Zustände in dem Jungen herrschten. Seine Extremität wurde nicht gut genug deutlich. Dazu hätte man den Film am Anfang seines Lebens anfangen müssen.
Chris Reise enthält äußerst wichtige Fakten. Nicht immer verlief seine Reise glatt, einmal weinte er sogar, weil er nicht vorwärts kam. Das hätte unbedingt gezeigt werden müssen, stattdessen hätte man die Szene mit dem Apfel("Du bist Superapfel") streichen können.
Chris hatte verheerende Auswirkungen auf andere Menschen, die fast gar nicht gezeigt wurden. Alles was er anfasste wurde von ihm elektrisiert. Besuchte wollten wieder in seiner Gegenwart sein. Andere dachten unentwegt an ihn. Er selbst schien wie ein Außerirdischer, aus einer anderen Welt. Er erscheinte nur, ließ seine Extremität spielen, und ging wieder.
Bei Carine wurde ausgerechnet jene Stelle geschnitten, bei der sie sagt: "Ich würde nicht NEIN zu einem neuen Auto sagen!" - Gerade das ist sehr wichtig. Selbst mit seiner am innigsten verbundene Schwester, teilt seine Ideologien wahrscheinlich nicht mal im Geringsten.
Was ihn gehen ließ, ohne mit seinen Eltern in Kontakt zu bleiben, kommt letztlich nur sehr schlecht aus dem Film heraus. Das Buch zu lesen wirkt dagegen erleuchtend. Ebenfalls sollten die ersten Zeitungs-Artikel über den Hitchhiker gelesen werden.
1. Chris Ideologien waren nicht einfach nur Hirngespinste. Sie hatten Gründe. Im Film als auch im Buch, werden diese jedoch niemals ausgeführt. Es wird höchstens gesagt, dass er welche hatte, aber nicht welche. Wer klug genug ist, und sich außerdem mit der Literatur beschäftigt, die auch Chris las, wird jedoch darauf kommen.
2. Die wirklich wichtigen Fehler macht fast jeder. Daran wird sich fast nirgends was ändern. Chris konnte es nicht länger ertragen, nichts daran zu ändern. Da bleiben, und sich dem Problem stellen, ging für ihn nicht. Denn die Eltern würden es sonst nie lernen.
3. Die Eltern überließen ihm niemals das Ruder. Das hätten sie wahrscheinlich auch nie getan. Das wird auch in Krakauers Buch deutlich, dass der Vater eine Kontrollsucht hatte.
4. Die Eltern machten nichts anderes, als ihr Leben lang zu arbeiten, und das alles nur für Dinge. Sie verschrieben ihr Leben dem Luxus. Alles was dagegen zählt, sind die Gefühle, und die sind keinesfalls besser, je mehr Dinge man hat. Chris wusste das, und er wusste, so arrogant wie sie waren, würden sie sich niemals ändern. Es gab keinen Grund für ihn, sie anzurufen. Es ist besser 2 Jahre lang zu leiden, als das ganze Leben.
-> das hört sich sehr hart an, und Chris hatte auf keinen Fall geplant zu sterben. Es zählt natürlich noch ungeher mit ein, dass sein Vater ein Bigamist gewesen ist. Alles in allem hielt ihn die Wut davon ab, seine Eltern anzurufen.
Chris schien zunächst perfekt. Doch seine unscheinbaren Schwächen waren letztlich umso verheerender. ""Jeder Mensch hat dafür zu sorgen, sein Leben zu erhalten." -> Chris Extremität in das scheinbar Positive hatte ebenfalls zur Folge, das ihm das Gute nicht genügte. Ein Erfolg reichte ihm nicht, wenn es schon von vornherein ein Erfolg geworden wäre. Seine Perfektion war letztlich die Ursache, dass er sie nicht zu würdigen wusste. Bestimmte Einstellungen verfolgen alle Menschen, die Talentierten, wie auch die Untalentierten. Die Untalentierten haben das Glück, ihre Einstellungen zu verbessern um trotzdem zufrieden zu sein. Die Talentierten sind bereits "zufrieden", schätzen diese jedoch nicht, und sind deshalb "untzufrieden".
Wer ist der Meinung, dass letztere Erkenntnisse aus dem Film deutlich wurden? Stattdessen liefert der Film völlig teilweise unwichtige Gespräche(am Meer) und wählt die Darstellung eher mäßig. Chris Extremität kommt viel zu Lasch zum Ausdruck, seine Auswirkungen bleiben verschleiert, seine Gefühle unergründlich. Der Regisseur wollte den Eltern eine Ehre bescheren, nicht die Trauer vergrößern. Er wollte Chris ehren, statt die Wirklichkeit möglichst perfekt darzustellen. Regisseur machte aus Chris Reise, sein letztes "romantisches" Erlebnis, ohne dabei auch nur einen Gedanken an die wirklichen Gründe zu verschwenden.
Doch eins kann wohl keiner verstehen, dass selbst die anerkannte Tatsache, dass Chris einen vergifteten Teil der Pflanze gegessen hat, der nirgends vermerkt ist und auch nur in bestimmter Jahreszeit vergiftet ist, nicht richtig dargestellt wird. Die paar Minuten hätten wirklich niemandem geschadet und hätten gut darstellen können, wie selbst der "Perfekteste" an so etwas unberechnbare kleinem scheitern kann.
Der Soundtrack ist hingegen sehr gut gelungen, lediglich der allgemeine Score hätte öfters ausgelassen werden müssen, um dem Film mehr Ruhe zu gönnen.
Letztlich ist der Film eine gute Ergänzung zum Buch, da er die einzelnen Tatsachen zum Glück nur bedingt verfälscht. Doch die Reise an sich erhält ein völlig falsches Bild, das die Wirklichkeit einfach nicht zeigt. Da können auch die schauspielerischen Leistungen keine Verbesserung des Drehbuchs hervorrufen.