Der Film ist ganz hübsch anzusehen. Die Naturaufnahmen können eigentlich nur beeindrucken, auch wenn man sie schon tausendmal in irgendwelchen Dokus und anderen Filmen gesehen hat. Trotzdem sind sie imposant und einen Blick wert. Ebenso ist die auf wahren Begebenheiten beruhende Handlung rund um den idealistischen Abenteurer Chris McCandless durchaus interessant erzählt und mit einigen sehr beruhigenden oder "therapierenden" Facetten gespickt. Nichtsdestotrotz wundert sich der aufmerksame Zuschauer manchmal sicherlich über die Handlungen, Handlungsweisen und irrationalen Taten des Hauptprotagonisten. Kein Mensch scheint ihm am Herzen zu liegen, während er allen denen er begegnet ans Herz wächst und die meisten der Kommunikationspartner sogar Tränen wegen ihm vergießen. Ihn scheint das nicht oder wenig zu stören. Eine Tugend hat er sich allerdings bei allem Hass auf die Manager, Studenten, Spießer, der Bourgeoise oder Oberschicht abgeschaut: Ehrgeiz und Zielstrebigkeit. Anders ist seine Besessenheit und Versessenheit nach Kanada zu gelangen wirklich nicht zu verstehen. Er lebt für seinen Traum, der dann für ihn zum Albtraum wird, als er erkennen muss, das er einsam und allein sterben wird. Bis dato lächelte und charmeurte sich Emile Hirsch über die Leinwand, doch jetzt wird er zum ersten mal traurig und negativ emotional, um sich den Frust über diese Erkenntnis und seine irrsinnigen Fehler von der Seele zu heulen. Tolstoi hat eben nicht Recht gehabt. Und auch dieser Idealismus der Rückkehr zur Natur ist schlicht hohler Nonsens. Man sollte schon ab und zu mal in den Wald gehen und die frische Luft atmen, oder auch eine Berg- oder Fahrradtour machen, meinetwegen auch Snowboardfahren und wandern, aber gleich in aller Einsamkeit in der Wildnis leben zu wollen ist einfach wahnsinniger Irrsinn. Aber wer weiß? Vielleicht wollte Chris ja auch elendig krepieren, abkratzen, den Löffel abgeben und ab in Kiste wandern, weil er so an der Gesellschaft litt, sich unterdrückt fühlte, die Lügen nicht mehr ertrug (die übrigens durchaus sehr sinnvoll sind - bei näherer Betrachtung) oder den Materialismus satt hatte. Diese These muss allerdings verworfen werden, denn der tolle und heroische Chris hatte ja einen immensen Lebensmut und Mumm in den Knochen. Nur leider fehlte es ihm an mehr Grips, den er sich wahrscheinlich weggekifft hatte. Denn niemand kann so dumm sein und in der Wildnis ohne vorheriges Leben sehr lange überleben (Es ist ja nicht nur die läppische Dummheit, das er die giftigen Bären gegessen hat, sondern man sieht ihn ja auch wie er immer mehr abnimmt und versucht einen ganzen Elch zu konservieren, anstatt sich auf Einzelteile zu konzentrieren).
Zur fragwürdigen Ethik: Sollen wir jetzt alle mehr in die Wildnis gehen und zum "Urzustand menschlichen Seyns" zurück kehren, um die Wahrheit zu erkennen und wir selbst zu sein? Gerade für Stadtbewohner wäre es ratsam, sich in der Natur etwas mehr zu besinnen, denn oft fehlt diese in ihrer reinen Form ja in der Stadt. Landbewohner, vorausgesetzt sie hocken nicht nur vorm TV oder gehen mit ihrem Hund raus finden den Film vielleicht gar nicht mal so ansprechend, wie ich mir vorstellen könnte. Letzten Endes scheitert Chris an seiner eigenen positiven Naturphilosophie, in dem er elendig in seiner selbstgewählten Behausung ohne jegliche zivilisatorische und medizinische Unterstützung und Versorgung verreckt... und das kann nicht im Sinne unser aller sein, denn dort draußen in der mitunter eben auch sehr grausamen Natur lauern nun einmal viele Gefahren und Risiken, was jedem gebildeten Bürger bewusst sein dürfte. Wenn, dann muss man schon die richtigen Vorkehrungen und Absicherungen treffen, um so einen Chris ähnlichen Trip mal zu unternehmen... aber nicht einfach blindlings sich in die Wildnis stürzen! Und das ist keineswegs spießig, wenn man so denkt... denn dem Naturerlebnis tuen die Sicherheitsvorkehrungen bestimmt keinen Abbruch... Zudem sollte man so einen Trip nicht alleine wagen, denn wenn man eines aus dem Film lernen kann, dann das es viel besser ist mit jemandem seine Freude zu teilen und gemeinsam etwas zu erleben, als als alleiniger und selbstsüchtiger (und auch selbstgefälliger) Einzelgänger sich durch die Wildnis zu schlagen und schöne Momente zu geniessen...
Die Pluspunkte des Films sind die nebenher erzählte Story der Schwester, die sich wunderbar atmosphärisch einfügt, die zwischenmenschlichen Begegnungen und Beziehungen und wie sie dargestellt worden sind, die halbwegs originalgetreue Umsetzung der wahren Geschichte, die schauspielerischen Leistungen und die aufgenommenen Naturbilder. Außerdem kann man sich bei diesem Film wirklich richtig entspannen und zurücklehnen und eventuell wird er auch einigen Menschen dort draußen etwas den Druck von den Schultern nehmen, sie zum nachdenken anregen, ob der blanke Materialismus wirklich wichtig ist oder ob es nicht eher die sozialen Beziehungen und das in ihnen geteilte Glück sind, die einen wirklich erfüllen. Außerdem könnte er gerade bei urbanen Stadtbewohnern vielleicht eine kleinere Mehrhinwendung zur Natur bewirken. Alles in allem schon ein sehr sehenswerter Film mit tragischem Ausgang, der nach dem Filmgenuss etwas bitter hängen bleibt.