Was einmal geht, geht auch zwei Mal. Und drei Mal. Und vier Mal. Und... Es ist traurig aber wahr, dass diese ironische „Regel“ sich auch recht gut auf Filmproduktionen anwenden lässt. Der Zuschauer ist es mittlerweile gewohnt, dass ihm zum x-ten Mal die gleiche Geschichte vorgesetzt wird und schlimmer: Teilweise spielt er das Spiel einfach mit, schaut sich einen weiteren Aufguss des Immerselben an und ist daher nicht ganz unschuldig an der Omnipräsenz schlechter Imitate. Um einen ebensolchen Aufguss handelt es sich bei Takeshi Miikes Film „The Call“. Für den, der Hideo Nakatas Ringu kennt, in dem das Böse sich mittels einer Videokassette verbreitet und ferner vielleicht noch Takashi Shimizus „Ju-on“ und James Wongs Final Destination, bietet Miikes Werk keinerlei Überraschungen.
Insofern ist es auch müßig, sich allzu lange mit der Story von „The Call“ aufzuhalten. Grob verhält es sich so, dass sich Anrufe auf dem Handy einer Gruppe junger Japaner als Todesbotschaften entpuppen. Wenn das Telefon klingelt und auf dem Handydisplay die eigene Nummer erscheint, ist es meist zu spät. Datiert sind die Anrufe auf einen Zeitpunkt in der Zukunft und genauso lange hat der unglückliche Empfänger des Anrufs noch zu leben. Das erste Opfer ist Yoko (Anna Nagata), die ihren Anruf während eines gemeinsamen Dinners mit Freunden erhält. Kurze Zeit später ist sie tot. Nächstes Opfer ist Kenji Kawai (Atsushi Ida). Während die Polizei die Todesfälle für Selbstmorde hält, wird Yokos und Kenjis schüchterne Freundin Yumi (Kou Shibasaki) misstrauisch. Sie hält die Geschehnisse für das Werk eines Dämons. Gemeinsam mit Hiroshi Yamashita (Shinichi Tsutsumi), der seine Schwester ebenfalls unter merkwürdigen Umständen verloren hat, stellt sie Nachforschungen an, die ihren Verdacht bald Gewissheit werden lassen. Doch die Zeit drängt – nicht nur Yumis Freundin erhält diesen unglücksseligen Anruf, sondern bald darauf auch sie selbst.
Mobiltelefone des Terrors, Horrorhandys – eigentlich keine ganz schlechte Idee, die meistbenutzten Telekommunikationsgeräte und Lieblingsspielzeuge vieler Menschen zu Todesboten zu machen. Wenn das allerdings auf solch einfallslose Weise geschieht, wird eine gute Grundidee schnell zu einer peinlichen Angelegenheit. Man kann somit beinahe von Glück reden, dass nicht irgendein Tölpel den Stoff verfilmt hat, sondern kein geringerer als Asiens Skandal-Regisseur Takeshi Miike. Miike gehört zweifellos zu Japans kreativsten aber auch rabiatesten Filmemachern mit rekordverdächtigem Output von vier bis fünf Filmen im Jahr, der sich bisher als äußerst vielseitig begabt präsentiert hat. Miike ist neuerdings u.a. verantwortlich für das brutale Rächerdrama „Izo“, das skurrile Mörder-Musical „The Happiness Of The Katakuris“, die Superheldenfarce „Zebraman“ und das einfühlsame Räubermärchen „Shangri-la“. Dass er sowohl subtile als auch unvergleichlich unangenehme Filme machen kann, hat er spätestens 1999 mit dem Psychohorrordrama Audition unter Beweis gestellt. Somit ist es nicht verwunderlich, dass „The Call“ unter inszenatorischen Gesichtspunkten nicht allzu viel vorzuwerfen ist. Eine konstant herrschende Grundspannung, atmosphärische Bildkompositionen und einige gelungene Schockmomente dürften dafür sorgen, dass die Enttäuschung mancher Genrefans nicht über die Maßen groß ausfallen wird.
Doch mag das Ganze auch noch so spannend in Szene gesetzt sein – und auch hier muss man sagen, dass sich der Thrill in überschaubaren Grenzen hält – so lassen sich dennoch die zahlreichen Schwächen von „The Call“ nicht übersehen. Dass man alles bis auf wenige Details schon zu genüge kennt, wurde bereits erwähnt. Hinzu kommt die (gemessen an der geklauten Story beinahe paradox klingende) Tatsache, dass der Film spätestens im letzten Drittel außergewöhnlich wirr wird. Schon vorher ist es für den europäischen Zuschauer nicht ganz leicht, der alles in allem stringenten, aber im Detail verworrenen Geschichte zu folgen. Doch später häufen sich die Ungereimt- und Unklarheiten in solchem Ausmaß, dass vom Zuschauer einiges an gutem Willen gefordert wird. Wer keine Lust hat, sich nach dem Film etliche Gedanken zu machen und Fragen zu stellen – auch auf die Gefahr hin, dass jede Mühe umsonst ist – sollte von „The Call“ lieber die Finger lassen.
Die durchschnittlichen Leistungen der Darsteller zusammen mit den blassen Charakteren, die sie zu spielen haben, machen den Film um eine weitere Facette uninteressanter. Zwiespältig hingegen sind die medienkritischen, satirischen Sequenzen von „The Call“ zu werten. Denn an mancher Stelle scheint Miike durchaus ein Quäntchen Miike in diesen konventionellen Genreaufguss mischen zu wollen. Schon in „Audition“ und „Visitor Q“ hat er gezeigt, dass Gesellschaftskritik eng mit seinen Filmen verbunden ist. Diese Zugabe verfehlt hier aber leider ihr Ziel, da sie nur vereinzelt auftaucht und somit eher zur Wirrnis von „The Call“ beiträgt.
Resümierend ist feststellen, dass „The Call“ trotz einiger interessanter Aspekte (viele Zitate, einige gelungene ironische Seitenhiebe) insgesamt lau bis enttäuschend ausfällt. Da hilft auch die verstörend-schöne Handymelodie, die den Tod ankündigt, nichts. Gäbe es nicht die einigermaßen gelungene Grundspannung sowie hier und da ein Schockmoment, das zumindest manchen Genrefan ansprechen dürfte, wäre „The Call“ ohne Frage ein Film für die Tonne. Der Erfolg des Films in Japan hat inzwischen zu einer Fortsetzung geführt: „One Missed Call 2“ (2005), Regie Renpei Tsukamoto.