Yorgos Lanthimos hat mit seinem superschrägen Film „Dogtooth“ nicht nur die Greek Weird Wave ausgelöst, sondern auch direkt noch eine Oscarnominierung für den Besten fremdsprachigen Film abgesahnt. Somit war die Vorfreude auf das englischsprachige Debüt „The Lobster“ des griechischen Regisseurs natürlich riesig, zumal der Film bei seiner Premiere in Cannes direkt mit Kritikerlorbeeren überschüttet wurde (auch wir haben ihm starke 4 Sterne gegeben).
Aber während der Film in anderen Ländern wie Großbritannien oder den USA nun nach und nach auch regulär in die Kinos kommt, kündigte der deutsche Verleih an, dass der Film als „The Lobster – Hummer sind auch nur Menschen“ bei uns am 28. April 2016 direkt auf DVD erscheinen wird. Der Titelfauxpas ist mittlerweile ausgeräumt (der deutsche Untertitel lautet nun „Eine unkonventionelle Liebesgeschichte“), aber in die Kinos kommt er trotzdem nicht. Ja, so ist die (Film-)Welt.
Zunächst freuen wir uns ja, dass nun endlich auch die Nicht-Cannes-Fahrer unter uns den Film zu Gesicht bekommen. Zugleich fragen wir uns aber schon, ob in ein paar Jahren dann nur noch Blockbuster die Chance haben, ins Kino zu kommen - und kleinere, schräge Filme einem Kinopublikum in Zukunft gar nicht mehr zugänglich gemacht werden. Immerhin hat „The Lobster“ durchaus einen hochkarätigen Cast (u.a. Colin Farrell, Rachel Weisz und Lea Seydoux) zu bieten und hervorragende Besprechungen (aktuell 91 % positive Kritiken bei Rotten Tomatoes) hat er auch eingefahren. Zugleich bietet er aber eben auch eine absolut einzigartige Geschichte (wer nicht rechtzeitig einen Lebenspartner findet, wird in ein Tier verwandelt), wie wir sie nur ganz selten zu sehen bekommen - und genau das ist wohl der springende Punkt? Offenbar sind immer mehr Filmverleiher der Auffassung, dass es speziell in Deutschland keinen ausreichenden Markt mehr für solche eher ungewöhnlichen Filme gibt.
Denn vergessen wir nicht, dass das Kino vor dem Fernsehen kam und Filme nun mal ursprünglich für die große Leinwand gedacht waren - und nicht dafür nebenherzulaufen, während man den Hausputz erledigt. Ein Film sollte möglichst erlebt werden, mit dem richtigen Ton und einem möglichst großen Bild. Zudem ist ein Kinobesuch eben doch ein besonderes Erlebnis, auf das man sich vorbereitet: Man sucht sich die richtige Zeit heraus, überlegt wo und neben wem man sitzen will und in welches Kino es geht - ob nun ins großdimensionierte Cineplex oder das Ladenkino mit dem besonderen Flair. Ein guter Film im Kino ist so viel mehr wert als ein guter Film im Fernsehen.
All das nimmt man uns bei „The Lobster“. Gehen die Verleiher damit nicht auch das Risiko ein, den Leuten die Lust aufs Kino überhaupt zu nehmen, wenn irgendwann nur noch Superhelden-Filme und seichte Komödien in den Lichtspielhäusern laufen?
Bei manchen Filmen hat es am Ende doch noch geklappt: Im Jahr 2014 ist das verstörende Sci-Fi-Werk „Under The Skin“ – auch durch den beherzten Einsatz von Fans und Kinobesitzern - doch noch auf einige Leinwände gekommen. Möglicherweise müssen wir als Film-Liebhaber eben nur noch deutlicher zeigen, dass uns auch solche schrägen Werke besonders am Herzen liegen und sie für uns absolut ins Kino gehören.
Update: Nur zwei Stunden, nachdem dieses Special online gegangen ist, hat die Yorck Kinogruppe angekündigt, „The Lobster“ exklusiv ab dem 23. Juni 2016 in einigen Kinos in Berlin, München und Hamburg herauszubringen. Der DVD-Start bereits am 28. April 2016 bleibt davon unberührt.
„Timecrimes - Mord ist nur eine Frage der Zeit“ (2007)