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Dienstag, 16. Dezember 2008 - 11:13
In „Buddenbrooks“, der heute in Essen uraufgeführt wird, spielt sie seit langer Zeit wieder eine große Kinorolle. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa spricht der Star über hilfreiche Korsetts, den eigenen „Tunnelblick“ und ihre Ungeduld bei ihrem politischen Engagement.
dpa: Sie tragen als Konsulin Bethsy wundervolle Kleider und strahlen eine ganz besondere Kraft aus. Helfen Kostüme, die richtige Haltung zur Rolle zu finden?
Iris Berben: „Der Aufwand, der mit den Kostümen betrieben wurde, war schon enorm - und es ist ein besonders gutes Hilfsmittel. Wenn man in ein Kostüm steigt, das einem eine gewisse Haltung aufzwingt, dann muss man das auch ausfüllen. Das Korsett ist ja auch ein Korsett der Zeit, das sich von der Taille bis in den Kopf hineinzieht. Die komplizierten Frisuren, die verlangsamte Sprache, das sind alles Hilfsmittel, die einem selbst Einblick geben in die Zeit, die man versucht möglichst wahrhaftig darzustellen.“
Sie gelten nach wie vor als eine der schönsten deutschen Schauspielerinnen. Gefallen sie sich selbst auch auf der großen Leinwand?
Berben: „Ich gebe ehrlich zu, dass es mir immer schwer fällt, mich zum ersten Mal in einer Rolle zu sehen. Ich beurteile mich mit großer Genauigkeit und Härte. Und "Buddenbrooks" ist kein Film, bei dem es besonders auf körperliche Attraktivität ankommt. Es geht um einen ganz anderen Kontext und Inhalt. Beim ersten Sichten habe ich nicht genug Abstand zu mir und bin meistens ungerecht. Ich sitze ganz angespannt vor mir selbst und habe einen professionellen Tunnelblick auf mich. Bei den Kollegen hat es mich angerührt, was sie zeigen.“
Wie würden Sie Bethsy Buddenbrook mit ihren drei unglücklichen Kindern beschreiben?
Berben: „Sie führt eine Ehe nicht aus Liebe, sondern aus Vernunft. Sie gibt ganz bewusst etwas auf, was auch in ihr ist, aber sie hat gar keine andere Chance. Sie ist eine Frau, die die Härte, die sie gegen sich zeigt, auch gegen ihre Kinder hat. Sie hält fest an einem Gerüst und einer Äußerlichkeit. Es geht um Kontrolle, Vernunft, Schein. Selbst als es bröckelt und sie sieht, dass man etwas verändern müsste: Sie kann es nicht.“
Gibt es auch Ähnlichkeiten zwischen Ihnen und der Konsulin Buddenbrook?
Berben: „Bethsy Buddenbrook und ich decken uns bei dem Wunsch, dass Familie der Hort ist, wo man aufgehoben ist, der Ort des Geschützten. Aus der Sicherheit einer funktionierenden Familie kann man gut aufbrechen. Und ich kenne auch die Sehnsucht nach Familie, in die man sich zurückziehen kann in Sicherheit und Vertrauen. Der Grundgedanke von Familie bleibt immer gleich, da finde ich mich auch wieder.“
Was denken Sie über die Aktualität des „Buddenbrooks“-Stoffes, die ja angesichts der gegenwärtigen Krise nahezu gespenstisch wirkt?
Berben: „Ich finde es traurig, dass die Aktualität sich so verschoben hat. Die Aktualität, die wir eigentlich gemeint haben, hat sich viel mehr auf die Globalisierung bezogen und auf die Art und Weise, wie wir der begegnen. Wie sehen wir Neuerungen, was lassen wir los? Wie gehen wir damit in Würde um? Wo bleibt unsere Identität? Dass wir jetzt so eingeholt und überholt werden, das macht mich wütend und traurig.“
Sie setzen sich seit Jahrzehnten sehr engagiert für bessere deutsch-israelischen Beziehungen und gegen neuen Faschismus ein. Befürchten Sie, dass dieses Anliegen angesichts immer neuer Krisen in den Hintergrund gedrängt wird?
Berben: „Natürlich wird das in den Hintergrund gedrängt. Darum ist es so wichtig, dass man immer wieder Verbündete findet überall auf der Welt. Was ich gelernt habe ist, dass man das in die nächsten Generationen weitertragen muss. Das haben wir niemals erledigt. Das muss sich jede Generation neu und auf ihre Weise erarbeiten. Die Überlebenden des Holocaust sind zählbar. Ich frage mich, was kann man machen, dass es weitergeht. Es ist so wichtig, jungen Menschen Zugänge und Möglichkeiten der Identifikation zu schaffen.“
Wie stark ist Ihre Ungeduld angesichts von Ausländerfeindlichkeit und politischer Apathie?
Berben: „Ich bin ungeduldig. Früher hab ich immer gedacht, Ungeduld sei etwas Negatives. Aber das finde ich heute überhaupt nicht mehr. Ungeduld ist gut, weil sie wach macht und neugierig lässt. Die Fassungslosigkeit, die ich vor mehreren Jahrzehnten erlebt habe, die hat sich mehr in einen Trotz gewandelt. Man muss genau da etwas entgegensetzen. Die Wut bleibt, die Ungeduld bleibt. Ich bin manchmal wirklich müde. Aber dann gibt es auch immer wieder Signale, die mich motivieren. Neulich war ich in einem trostlosen Flecken im Osten an einer Schule und bin hungrigen, neugierigen Schülern begegnet mit tollen Lehrern. Das gibt wieder Kraft. Solche Leute soll man nicht alleine lassen.“
Interview: Karin Zintz, dpa
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