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Dienstag, 16. Dezember 2008 - 11:13
Für den Regisseur Heinrich Breloer hat Mueller-Stahl, der morgen 78 Jahre alt wird, zuerst den Literatur-Nobelpreisträger Thomas Mann verkörpert („Die Manns), nun spielt er Manns Romanfigur Jean Buddenbrook im Kino. Dabei schätzt er persönlich Thomas Mann gar nicht besonders, wie er im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa verriet.
„Buddenbrooks“ erzählt vom wirtschaftlichen Untergang einer Familie, von Spekulation und Risiken. Erschrecken Sie selbst angesichts der Aktualität dieser Geschichte mitten in der globalen Finanzkrise?
Mueller-Stahl: „Wir sind alle ungeheuer ins Nachdenken geraten über das, was gerade geschieht. Wir sind ja nah dran an diesem Turbokapitalismus, in dem die Menschen den Hals nicht voll kriegen. Jetzt sehen wir genau, dass so eine Gesellschaft nicht funktionieren kann. Es sterben in einem Teil der Welt Millionen Kinder an Hunger, und woanders wird ein Oligarch in Russland in zwei Jahren 16-facher Milliardär. Das kann nicht gut gehen. Nun haben wir die Antwort. Aber das ist ja auch die Geschichte der Buddenbrooks: das Dilemma, wenn alle denken, Gierigkeit sei des Lebens Inhalt.“
„Buddenbrooks“ erzählt auch vom schwierigen Verhältnis des Bürgertums zur Kunst. Sind Künstler unabhängiger von ökonomischen Krisen?
Mueller-Stahl: „Zunächst einmal nicht. Das Künstlersein ist kein Garant für große Verdienste. Deshalb gibt es in der bürgerlichen Gesellschaft erstmal kein Verständnis für viele Künstler. Für diese Kreise wird Kunst erst interessant, wenn sie in Einzelfällen viele Millionen bringt. Aber die meisten Künstler scheitern, auch die Schauspieler. Wenn die Kunst dann im Rückblick gesiegt hat, sind wir stolz auf sie. Wir sind stolz auf Bach, Beethoven, Schiller und Goethe. Doch wenn ein junger Mensch in die Kunst startet, heißt es immer, mach doch lieber was Solides. All das wird in den "Buddenbrooks" miterzählt und hat bis heute Gültigkeit.“
Thomas Mann haben Sie bei Ihrer Aufzählung eben nicht erwähnt. Mögen Sie diesen Autor und sein Werk?
Mueller-Stahl: „Das ist nicht mein Lieblingsautor, obwohl ich ja durch das Fernsehprojekt "Die Manns" zu seinem Gesicht geworden bin und die Verbindung sich jetzt mit der Rolle des Jean Buddenbrook noch weiter vertieft. Ich finde, Thomas Mann hat viel zu viel für die Unsterblichkeit gearbeitet und sich selbst zu wichtig genommen. Ich persönlich misstraue den Worten. Man schwindelt zu leicht mit Worten. Sprache verleitet immer dazu, Pointen zu setzen. Malerei, das spontane Zeichnen, sind da immer ehrlicher und unmittelbarer.“
Und was ist mit dem Kino als Kunstform?
Mueller-Stahl: „Der Film ist in Deutschland nicht wirklich akzeptiert als bleibende Kunst. Das ist zum Beispiel in Frankreich anders. Die heben den Film auf und schätzen die Künstler. Ein Schauspieler wie Jean Gabin ist in Frankreich nicht nur ein toter Filmstar, sondern ein großer Künstler. In Amerika wird ein James Dean auf ewig verehrt. In Deutschland hätte Heinz Rühmann aber keine Chance gegen Mozart oder Beethoven. Wir sind ein wenig ungerecht in unserer Auffassung von Filmen, wir schätzen sie nicht wirklich. Dabei können gute Filme die Welt späteren Generationen genauso erklären wie ein gutes Buch.“
Sie haben selbst angekündigt, nicht mehr viele Rollen im Kino spielen zu wollen. Sind Sie kameramüde geworden?
Mueller-Stahl: „Ich lasse es allmählich auslaufen. Dabei bleibe ich natürlich offen und setzte mich nicht freiwillig in ein Gefängnis. Ich kann mir durchaus vorstellen, ab und zu noch Filme zu machen. Doch mit dem Alter verstärken sich andere Bedürfnisse. Neben dem Teamleben beim Filmemachen habe ich immer auch das einsame Leben gewünscht. Das habe ich in der Malerei gefunden. Kreative Arbeit wird für mich aber immer wichtig sein als Blick über den Tellerrand des Lebens hinaus. Es ist immer ganz merkwürdig, was da aus einem herauskommt.“
Als Jean Buddenbrook und auch in anderen Rollen der letzten Jahre sterben sie vor der Kamera. Sind diese Szenen schwieriger als andere?
Mueller-Stahl: „Ja, seltsamerweise sterbe ich in allen meinen letzten Rollen. Aber das ist ein rein technischer Vorgang der Schauspielerei. Und natürlich sind das auch kleine Generalproben für mich als alten Menschen. Unter dem Aspekt des Sterbens hätte mich aber eine Rolle ganz besonders interessiert, die ich dann doch nicht angenommen habe. In "Operation Walküre" mit Tom Cruise hätte ich den General Beck spielen sollen, der sich mit der Pistole das Leben nimmt. Doch der Mann schießt zuerst dreimal daneben. Stellen sie sich das mal vor. Dieser Tod hätte mich gereizt. Das hätte ich gern gespielt, seinen Blick, sein Gesicht, wenn er sich selbst dreimal verfehlt.“
Interview: Karin Zintz, dpa
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