von Björn Becher
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Mittwoch, 26. Mai 2010 - 00:00
Die 8. Staffel von "24" war insgesamt ziemlich schwach und zeigte deutlich, warum die Einstellung der Serie richtig war. Damit einher gingen aber wenigstens ein paar versöhnliche Abschlussepisoden. Wir blicken zurück auf die finale Staffel "24".
Achtung Spoiler: Im folgenden Text werden Inhalte und Wendungen der 8. Staffel aufgegriffen!
Ein Konzept hat noch keinem Drehbuchautor geschadet. Egal ob bei einem Kurzfilm, einem Spielfilm oder einer TV-Serie, wenn man anfängt zu schreiben, sollte man zumindest eine ungefähre Ahnung haben, wohin der Hase läuft. Die Entwickler von „24“ haben sich zudem noch eine zusätzliche Hürde gestellt und die Handlung der Serie in ein Echtzeitkorsett gezwängt. Das war innovativ und brachte viel Lob ein. Doch trägt man ein Korsett zu lange, schnürt es einem irgendwann die Luft ab. Das trifft auch auf „24“ zu. Die Echtzeit erwies sich immer mehr als Hindernis. Immer mehr schwachsinnige Wendungen und abstrusere Nebenkriegsschauplätze wurden aufgefahren, um nicht nur in jeder Minute, sondern in jeder Sekunde für Spannung zu sorgen. Als sie die Ankündigung vernahmen, dass die achte Staffel auch die letzte sein wird, dürfte den Autoren – auch wenn sie es natürlich nie zugeben würden – ein Stein vom Herzen gefallen sein. Denn bis dahin sah es ganz so aus, als würde sich die Staffel als Rohrkrepierer erweisen, weil eben das eingangs erwähnte Konzept völlig fehlte. Mit der weggefallenen Last, noch eine weitere Staffel vorbereiten zu müssen, ging es mit den letzten Episoden dann aber doch noch einmal bergauf.
Auch in der achten Staffel bekommt es Jack Bauer (Kiefer Sutherland) mit einem kurz bevorstehenden Terroranschlag zu tun. Nicht zum ersten Mal gerät er dabei mehr zufällig als gewollt in den Strudel der Ereignisse, als ein Informant (Gastauftritt von „The Shield“-Star Benito Martinez) an seine Tür klopft. Bauer trifft die FBI-Agentin Renee Walker (Annie Wersching) wieder, die ihm so viel bedeutet; es droht eine Atombombe auf amerikanischem Boden zu explodieren; es gilt den Präsidenten eines islamischen Landes (Anil Kapoor aus „Slumdog Millionär“) zu beschützen; ein historischer Friedensvertrag steht auf der Kippe; ein verlogener Ex-Präsident (großartig: Gregory Itzin) tritt auf den Plan; es wird mal wieder ein Maulwurf in der CTU enttarnt. Und am Ende steht Bauer dort, wo er sich am besten auskennt: allein gegen alle.
Bis es schließlich soweit ist (und der Zuschauer erfährt, dass Jack Bauer scheinbar ein Fan von Uwe Bolls „Rampage“ ist), hat der Zuschauer einen extrem steinigen Weg vor sich. Jedem, der die Serie hier vorzeitig abbricht, möchte man zu seiner gewonnenen Zeit gratulieren. Es verwundert nicht, dass die Autoren inzwischen in Interviews durchklingen lassen, dass ihnen teilweise ein klares Konzept fehlte. Am deutlichsten zeigt sich dies anhand der CTU-Analystin Dana Walsh (Katee Sackhoff aus „Battlestar Galactica“). Mit dieser spielt die Serie förmlich Jo-Jo, weil die Macher - wie sie offen zugeben - zu Beginn gar nicht wussten, dass sie der Verräter dieser Staffel sein wird. Erst als klar wurde, dass das Publikum die Figur nicht mag, entschied man sich für diesen Twist, um ihr einen starken Abgang - verbunden mit einer Initialzündung für Jack Bauers großes Finale - zu ermöglichen. Nur dumm, dass damit die ganze bisherige Story rund um falsche Identitäten, böse Jugendsünden und einem in den CTU-Räumen ermordeten und versteckten (!) Bewährungshelfer (gewohnt vielschichtig: Stephen Root) für die Katz ist, auch wenn die Autoren noch verzweifelt versuchen, eine halbgare Verbindung heraufzubeschwören.
Bei den Wendungen der ersten zwei Drittel muss man sich oft die Hände über dem Kopf zusammenschlagen – aber das kennt man ja schon aus vorangegangenen Staffeln. Erneut zeigte sich, wie einengend das Echtzeitkonzept sein kann. Tauchten in der siebten Staffel noch schneller neue Oberbösewichte auf, als man sich an sie gewöhnen konnte, gibt es in der achten nun ein buntes Bäumchen-Wechsel-Dich-Spielchen, was die Drohkulisse angeht: amerikanischer Killer, Präsidentenbruder, Oberrusse 1, Oberrusse 2, Sohn eines Oberrussen, Islamisten, falschspielende Militärs, wieder Russen, Ex-Präsident, aktueller Präsidenten von Russland plus aktueller Präsident der USA – da blieb nur noch die Frage, wann endlich auch noch Jacks alte Freunde, die Chinesen, auf den Plan treten würden.
Aber: Zumindest die finalen Episoden gestalten sich versöhnlich. Mit dem Auftritt des seinen Part wild überziehenden und gnadenlos chargierenden Gregory Itzin kehrt Ex-Präsident Logan als Jacks alte Nemesis auf die Bühne zurück. Auch wenn die Autoren damit den so mühsam aufgebauten Charakter der prinzipientreuen und sogar ihre eigene Tochter ins Gefängnis schmeißenden Präsidentin Taylor (Cherry Jones) zertrümmern, dient es der Serie. Denn zu diesem Zeitpunkt, an dem „24“ schon lange nicht mehr erstzunehmen war, startet ein wahres Finale furioso. Inhaltlich sollte man sich über die Geschehnisse zwar keine Gedanken machen (da werden in der starken Schlussepisode noch schnell neue Fähigkeiten der überall in der Luft schwirrenden CTU-Drohnen enthüllt, bei denen man sich ernsthaft fragen muss, warum die nicht schon früher mal eingesetzt wurden), aber es macht Spaß und ist ultraspannend. Politisch korrekt war „24“ zwar noch nie, aber der von purem Blutdurst getriebene Amoklauf Jack Bauers setzt da noch einen drauf. Zum Ende hin setzt die Serie noch einmal auf alte Stärken und bewahrt sich so selbst vor dem Abgrund: hoher Unterhaltungsfaktor, Hochspannung und viel Emotionalität, was gerade in den letzten Momenten auch manch hartgesottenem Fan feuchte Augen bescherte. Vielleicht wird es ja nun doch noch etwas mit dem „24“-Kinofilm – der Grundstein ist mit einem Jack Bauer, der auf der Most-Wanted-Liste der mächtigsten Nation der Welt steht, zumindest gelegt.
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