Historisch betrachtet hatte der deutsche Filme in seiner Außenwirkung und Bedeutung für die weltweite Filmgemeinde zwei Sternstunden: den Expressionismus der 20er Jahre mit Regisseuren wie Fritz Lang, Friedrich Wilhelm Murnau oder Robert Wiene sowie die 70er Jahre, als der Neue Deutsche Film mit frischen Gesichtern wie denen von Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog, Wim Wenders und Volker Schlöndorff mit radikalem Arthouse die Welt eroberte.
Aber auch in den Dekaden davor und danach gab es immer wieder wegweisende, stilbildende oder einfach phantastisch gemachte Werke, die wir in unserer Top 25 zusammengefasst haben – auch mit filmhistorisch jungen Beiträgen aus den 2000er und 2010er Jahren. Kriterium für die Aufnahme in die Liste ist das Produktionsland Deutschland und deutsch als Hauptdrehsprache.
Wie immer bei Bestenlisten gilt: Die Auswahl und die Reihenfolge sind nicht in Stein gemeißelt. Es lohnt sich, Filme erneut zu schauen, dabei Sachen zu entdecken, die beim ersten Mal an einem vorbeigegangen sind und Bestenlisten zu verändern. Jeder der Filme unserer Top-25 ist aber auf seine eigene Art besonders und prägend.
Die besten deutschen Filme – Platz 25:
Das Leben der Anderen (2006)
Regisseur: Florian Henckel von Donnersmarck
Darsteller: Ulrich Mühe, Sebastian Koch, Martina Gedeck
Was „Der Untergang“ und „Sophie Scholl - Die letzten Tage“ 2005 und 2006 verwehrt blieb, ist Florian Henckel von Donnersmarck 2007 mit „Das Leben der Anderen“ gelungen: Sein atmosphärisch ungemein dichtes Kinodebüt, das die DDR-Geschichte nach Komödien wie „Sonnenallee“ oder „Good Bye, Lenin!“ kritisch aufarbeitet, gewinnt den Oscar in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“. Darum geht’s: Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler (Ulrich Mühe) wird im Ost-Berlin der 80er Jahre auf den Dramatiker Georg Dreyman (Sebastian Koch) und dessen Lebensgefährtin Christa-Maria Sieland (Martina Gedeck) angesetzt und soll herausfinden, ob Dreyman so parteitreu ist, wie er vorgibt. Die Wohnung des Künstlers wird verwanzt und auf dem Dachboden des Hauses eine Abhörzentrale eingerichtet, in der Wiesler das Geschehen in Dreymanns Wohnung akribisch protokolliert.
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Henckel von Donnersmarck inszeniert ein ostalgiefreies, trotz der fiktiven Handlung erschreckend authentisches DDR-Drama, zieht die Spannungsschraube kontinuierlich an und bannt die gnadenlosen Methoden der Staatssicherheit präzise auf Zelluloid. Der ein Jahr später verstorbene Ulrich Mühe ragt dabei als unscheinbarer, spät umdenkender Bespitzelungsprofi aus dem ohnehin exzellenten Cast heraus.
Die besten deutschen Filme – Platz 24:
Victoria (2015)
Regisseur: Sebastian Schipper
Darsteller: Laia Costa, Frederick Lau, Franz Rogowski
Sogenannte One-Take-Sequenzen kommen in Filmen häufig ein wenig protzig rüber: Man kann den Eindruck gewinnen, dass es Filmemacher*innen vor allem darum ging, das Publikum mit der technischen Finesse einer ohne Schnitt gedrehten Szene zu beeindrucken, als dass es bei dieser Inszenierung um einen Beitrag zur Wirkung oder Dramaturgie gegangen wäre. Ganz anders aber liegt der Fall beim Berlin-Drama „Victoria“, das Regisseur Sebastian Schipper und sein Team in einem Rutsch aufgenommen haben – die kompletten 2 Stunden und 14 Minuten (und das sogar mehrfach).
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Natürlich ist die technische und logistische Qualität des „Victoria“-Drehs schwer beeindruckend: „Victoria“ spielt an unterschiedlichen Orten Berlins und es wird sehr viel geredet, obwohl es nicht einen einzigen rettenden Schnitt gibt: Alles musste beim ersten Dreh-Versuch klappen und besonders gegen Ende muss der Druck enorm gewesen sein, jetzt bloß keine Szene zu versauen. Doch die Kameraarbeit von „Victoria“ steht voll im Dienst von Inhalt und Ton dieser einzigartigen, rauschhaften Berliner Nacht.
Vier Kumpels gehen in einen Club und lernen dort die junge Spanierin Victoria (Laia Costa) kennen. Vor allem Sonne (Frederick Lau) gibt sich Mühe, wirklich jeden kleinen Rest seines gebrochenen Englischs zusammenzukratzen, um mit Victoria im Gespräch zu bleiben. In dieser Nacht ist alles möglich, das spürt er. Die unbedarfte Victoria allerdings ahnt nicht, worauf sie sich eingelassen hat – und ist trotzdem zu allem bereit, genau wie die Zuschauer, die dem hypnotischen Sog dieses Meisterwerks erliegen.
„Victoria“ schaut man sich nicht einfach an, man wird hineingerissen. Der Film beflügelt mit dem Gefühl, wie es nur durch unverhoffte Begegnungen mitten in der Nacht ausgelöst werden kann, einer Melange aus Neugierde, Vorfreude und Shots, bis er in eine Richtung kippt, die niemand vorhersieht, der sich nicht schon die vollständige Inhaltsangabe durchgelesen hat. „Victoria“ gehört zu denjenigen deutschen Filmen, die auch in den USA Anerkennung bekommen haben, dem Filmland Nummer 1 – und das liegt garantiert nicht nur an der One-Take-Inszenierung, so beeindruckend sie auch ist.
Die besten deutschen Filme – Platz 23:
Toni Erdmann (2016)
Regisseur: Maren Ade
Darsteller: Peter Simonischek, Sandra Hüller, Michael Wittenborn
Wie „Victoria“ gehört auch „Toni Erdmann“ zu den wenigen deutschen Filmen der 2010er Jahre, die über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurden. Regisseurin Maren Ade zeigte ihr Drama beim renommiertesten Filmfestival der Welt in Cannes, außerdem wurde es für den Oscar nominiert. Und wie „Victoria“ ist „Toni Erdmann“ ein sehr anschlussfähiger Film, der sowohl große Teile der Filmkritik, als auch das breite Filmpublikum ansprach und begeisterte.
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Auf den ersten Blick wirkt „Toni Erdmann“ wie eine frivole Komödie, in der ein Vater (Peter Simonischek) seine erwachsene Tochter Ines (Sandra Hüller) in peinliche Situationen bringt, wenn er sie kostümiert und mit falschen Zähnen im Mund auf der Arbeit überrascht. Zuallererst aber ist „Toni Erdmann“ eine präzise beobachtete Charakterstudie zweier Menschen, mit viel Raum für Zwischentöne, Ambivalenzen und unausgesprochene Gefühle.
Sandra Hüller und Peter Simonischek brillieren als entfremdetes Vater-Tochter-Gespann und wie nebenbei verhandelt Maren Ade auch noch ganz große Themen unserer Zeit: Es geht um den entfesselten Kapitalismus und um eine Arbeitswelt, die von Männern dominiert wird. „Toni Erdmann“ ist ganze 162 Minuten lang und mitunter wirklich anstrengend, dabei aber gleichermaßen verspielt, weise und vielschichtig.
Die besten deutschen Filme – Platz 22:
Absolute Giganten (1999)
Regisseur: Sebastian Schipper
Darsteller: Frank Giering, Florian Lukas, Antoine Monot Jr.
Was wäre, wenn drei beste Freunde nur noch eine Nacht hindurch zusammen wären? Die Antwort liefert Sebastian Schipper in seinem von Tom Tykwer mitproduzierten Regiedebüt „Absolute Giganten“, in dem sich die Wege der Hamburger Kumpels Floyd (Frank Giering), Ricco (Florian Lukas) und Walter (Antoine Monot jr.) für immer trennen. Die drei beschließen, das Beste aus den verbleibenden Stunden bis zum Morgengrauen zu machen und erleben eine denkwürdige Nacht.
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Die Freunde nehmen an einer Stuntshow teil, streifen durch Szene-Clubs, liefern sich packende Duelle am Kickertisch und eine waghalsige Verfolgungsjagd durch die Hansestadt. Schippers stimmungsvolle Metapher über das Erwachsenwerden, die als Reminiszenz an George Stevens‘ „Giganten“ gewertet werden kann, wartet neben dem blendend aufgelegten Hauptdarstellertrio auch mit einem fantastischen Soundtrack auf. Eine melancholische, witzig-skurrile und vor allem auf der Zielgeraden fast magisch anmutende Großstadtballade, die vor Hamburger Lokolkolorit strotzt und nicht nur in der Tischkicker-Szene Kultstatus genießt. Absolut gigantisch!
Die besten deutschen Filme – Platz 21:
Rote Sonne (1970)
Regisseur: Rudolf Thome
Darsteller: Hark Bohm, Peter Berling, Uschi Obermaier
Wenn es einen Film gibt, der stellvertretend für die Befindlichkeiten der deutschen 68er Generation geht, ist dies Rudolf Thomes groteske Gesellschafts-Utopie „Rote Sonne“, die Deutschlands Vorzeige-Kommunardin Uschi Obermaier zum Kinostar machte. Thome glänzt mit einer irrwitzig-bunten Farbdramaturgie seiner Bilder und außergewöhnlichen Dialogen. Da wird erst in aller Ausführlichkeit in quälend langen Einstellungen gefrühstückt, anschließend steht ein Mord auf dem Speiseplan – Alltäglichkeit trifft hier auf Exzess.
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In einer Münchner Kommune schmieden die vier Frauen (Uschi Obermaier, Sylvia Kekulé, Gaby Go und Diana Körner) einen teuflischen Plan: Sie wollen ihre Liebhaber umbringen – nach fünf Tagen Schonfrist. Als die verabredete Regel gebrochen wird, kommt es in der Mord-Clique zum offenen Konflikt. Thome nennt seine Extravaganz einen „feministischen Spielfilm“. Letztendlich transportiert das Pop-Art-Meisterwerk „Rote Sonne“ das Lebensgefühl einer ganzen Generation besser als jeder andere deutsche Film dieser Epoche.
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An diesem Special haben mitgearbeitet: Lars-Christian Daniels, Gregor Torinus, Carsten Baumgardt, Moritz Henze-Jurisch, Andreas Staben und Tobias Mayer
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