Mehr als ein Dutzend verschiedene Schauspieler durften bereits den legendären Kinorevolverhelden Django darstellen – doch nur ein Name wird mit ihm für immer verbunden sein: Franco Nero. Seine Darstellung des grimmigen Rächers mit Sarg im Schlepptau wurde von keinem seiner Nachfolger erreicht und ging in die Filmgeschichte ein. Doch Nero ließ sich nicht einengen und verweigerte sich der Festlegung auf dieses Rollenbild. So wurde er zum renommierten internationalen Schauspieler, der vor allem eins liebt: vor der Kamera stehen! So hat Nero eine Filmografie, die fast 200 Rollen umfasst und seine enorme Bandbreite zeigt. Nero arbeitete schon früh nicht nur in West- und Osteuropa und wurde auch immer wieder in Übersee beschäftigt. Von der Rosamunde-Pilcher-Verfilmung fürs ZDF bis zum Hollywood-Blockbuster wie „Stirb langsam 2“ ist alles dabei…
Traumberuf: Schauspieler
Der am 23. November 1941 in dem kleinen Örtchen San Prospero in der Nähe von Modena als Francesco Sparanero geborene Franco Nero entdeckte früh seine Leidenschaft für die Schauspielerei. In Bedonia bei Parma, wo der Sohn eines Polizisten aufwuchs, stand er bereits mit sechs Jahren auf der Theaterbühne und tat sich vor allem bei der Organisation von Schulaufführungen hervor. Während seiner Wehrdienstzeit leitete er sogar ein kleines Laientheater. Doch die Schauspielerei als Beruf schien mehr eine Träumerei, zunächst ging Nero nach Mailand, um Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Doch er schmiss das Studium bereits nach wenigen Semestern und heuerte nach Gelegenheitsjobs als Fotomodell und Nachtclubsänger sowie einer kurzzeitigen Anstellung als Buchhalter beim Piccolo Teatro di Milano an, wo er das Schauspielern lernte. Aber Anfang der Sechziger war Italien vor allem ein Paradies für Filmemacher und sogar große amerikanische Regisseure drehten in den Cinecittà-Studios in Rom. Franco Nero sammelte als Zaungast erste Eindrücke vom Filmbetrieb, bevor er 1962 eher zufällig zu seiner ersten kleinen Rolle in dem Romantikdrama „Pelle Viva“ an der Seite von Elsa Martinelli („Hatari!“) kam. Diverse Mini-Auftritte folgten.
Von Kain zu Django
In den Cinecittà-Studios wurde Franco Nero laut eigener Aussage von Hollywoodregisseur John Huston entdeckt, der ihm 1964 die Rolle des Kain in seinem Mammutprojekt „Die Bibel“ verschaffte, der Schauspieler später in Interviews als seine „erste richtige Filmrolle“ bezeichnete. Huston wurde zum Mentor des jungen Nero, brachte ihm die ersten englischen Vokabeln bei und besorgte ihm in „Die Trampler“ von Albert Band eine weitere Nebenrolle. Schon früh zeigte sich, dass Nero keine Berührungsängste besitzt und auch für Jobs im Billigkino zu haben ist. Für Trashregisseur Antonio Margheriti stand er etwa 1965 in den beiden kruden Sci-Fi-Filmen „Raumschiff Alpha“ und „Planet der Verdammten“ vor der Kamera, die später auch in die deutschen Kinos kamen. 1966 war dann das Wendejahr. Hustons 18 Millionen Dollar teures Monumentalepos „Die Bibel“ wurde nach deutlich über einem Jahr Post-Produktion veröffentlicht, doch noch weitaus größere Auswirkungen auf Neros weiteres Leben hatte ein anderer Film: „Django“ von Sergio Corbucci traf den Nerv der Zeit als dreckiger Gegenentwurf zum schweigsamen Clint Eastwood in Sergio Leones Dollar-Trilogie. Franco Nero war in den Augen des Publikums von nun an schlicht Django und sollte die Rolle nur schwer abschütteln können.
Das Phänomen Django
Djangos Popularität beflügelte den Einfallsreichtum der Verleiher, die sie natürlich möglichst profitabel ausnutzen wollten. Das ging so weit, dass der bereits vor „Django“ gedrehte „Texas, Addio“ in vielen Ländern einfach als Sequel zu Corbuccis Original vermarktet wurde. So wurde aus Ferdinando Baldis Film, in dem Franco Nero eigentlich eine Figur namens Burt Sullivan spielte, in Deutschland flugs „Django, der Rächer“. Von solchen Strategien ganz abgesehen zeigte Nero bereits zu dieser Zeit, dass er über eine große schauspielerische Bandbreite verfügt, die weit über den Italo-Western hinausgeht: Für seine Rolle in der Kinoadaption des Broadway-Musicals „Camelot - Am Hofe König Arthurs“ an der Seite seiner späteren Ehefrau Vanessa Redgrave heimste er eine Golden-Globe-Nominierung als Bester Nachwuchsdarsteller ein, das Engagement in der US-Produktion hatte er im Übrigen erneut der Vermittlung von John Huston zu verdanken. Doch für eine große Hollywood-Karriere waren Neros Englischkenntnisse noch zu schlecht, so dass er zurück nach Italien ging. Dort wollte man ihn in Western und nichts anderem sehen. Mit „Django“-Regisseur Sergio Corbucci realisierte Nero „Die gefürchteten Zwei“ und „Laßt uns töten, Companeros“, aus Freundschaft zu den Produzenten ließ er sich zudem auf ein außergewöhnliches Projekt ein, das er später als eins seiner liebsten bezeichnen sollte: Luigi Bazzonis Spaghetti-Version der Oper „Carmen“, in der auch Klaus Kinski zu sehen ist, wurde im deutschen Sprachraum durch den Titel „Mit Django kam der Tod“ und eine entsprechende Synchronisation als weiteres Sequel seines größten Hits vermarktet und damit leider ihrer Originalität beraubt.
Vom Revolverhelden zum Mafia-Jäger
Anfang der Siebziger hatte Franco Nero genug von seinem Image des schweigsamen, harten Westernhelden. Obwohl Sergio Corbucci ihm weitere Drehbücher vorlegte und die Produzenten bereit waren, viel Geld zu zahlen, schlug Nero diese lukrativen Angebote aus und suchte nach etwas Neuem. Es entstand eine fruchtbare Zusammenarbeiten mit Regisseur Damiano Damiani, der ihn in anspruchsvollen Thrillern wie „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“, „Das Verfahren ist eingestellt: Vergessen Sie's!“ (beide 1971) oder „Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?“ (1976) besetzte – allesamt Werke, die unter Fans des italienischen Kinos zu Recht als Klassiker gelten. Auch Enzo G. Castellari engagierte Nero zwischen 1973 und 1980 für mehrere eindrucksvolle Thriller („Tote Zeugen singen nicht“, „Ein Mann schlägt zurück“ und „Der Tag der Cobra“) und machte ihm zudem mit der Western-Komödie „Zwiebel-Jack räumt auf“ sowie dem meisterhaften Genre-Abgesang „Keoma“ eine kurzzeitige Rückkehr zu seinen Ursprüngen schmackhaft. 1979 drehte das Duo im Sog von Steven Spielbergs „Der weiße Hai“ sogar einen Hai-Abenteuer-Film, den der deutsche Verleih erneut ungemein kreativ „Dschungel-Django“ betitelte.
Franco Nero, Kosmopolit
Franco Nero profitierte von der Flut internationaler Co-Produktionen im eng vernetzten europäischen Kino der Siebziger. Hier kamen immer wieder Akteure mit vielen unterschiedlichen Nationalitäten zusammen - da die Filme sowieso in den einzelnen Ländern neu synchronisiert wurden, spielten eventuelle Sprachbarrieren eine untergeordnete Rolle. Für Franco Nero war dies die Gelegenheit, an den unterschiedlichsten Orten mit den verschiedensten Regisseuren zusammenzuarbeiten. Er stand für italienische Landsleute wie Horror-Trash-Ikone Lucio Fulci („Jack Londons Wolfsblut“, „Die Teufelsschlucht der wilden Wölfe“), die Briten Michael Anderson („Papst Johanna“) und Guy Hamilton („Der wilde Haufen von Navarone“), den Spanier Luis Buñuel („Tristana“), den Franzosen Claude Chabrol („Die Schuldigen mit den sauberen Händen“) und bei „Kennwort - Salamander“, der einzigen Regiearbeit des amerikanischen Cutters Peter Zinner („Der Pate“), vor der Kamera. Und das sind nur einige wenige Werke aus der umfangreichen Filmografie des arbeitswütigen Schauspielers, der im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen auch keine Berührungsängste mit der Filmindustrie der kommunistischen Ostblock-Staaten hatte und so Anfang der Achtziger unter anderem mit Vatroslav Mimica („Der Falke“) und Sergej Bondartschuk („Mexiko in Flammen“) arbeitete. Sein hohes Arbeitspensum führte Franco Nero auch wiederholt in den deutschen Sprachraum: Mit Rainer Werner Fassbinder drehte er 1982 „Querelle - Ein Pakt mit dem Teufel“, mit dem Österreicher Peter Patzak arbeitete er zwischen 1984 und 2003 gleich vier Mal zusammen.
Held und Bösewicht
Während Franco Nero in seiner Heimat Italien vor allem als aufrecht gegen die Mafia kämpfender Staatsanwalt oder notgedrungen zur Waffe greifender Bürger beliebt war, legte er sein Rollenspektrum schon früh sehr breit an. Der Sonnyboy und Frauenschwarm liebte es gegen sein Image anzuspielen und mimte mit Vorliebe auch immer wieder den Bösewicht. Ein besonders meisterhaftes Ergebnis ist die großartige Exploitation-Literaturverfilmung „Wenn Du krepierst - lebe ich!“ (auch bekannt als „Der Todes-Trip“, 1977), in der Nero als versoffener sadistischer Ehemann brilliert, der als er mit der verhassten Frau unterwegs ist, zu allem Überfluss einen Psychopathen als Anhalter mitnimmt. 1990 rief auch mal wieder Hollywood: Renny Harlin besetzte Nero in „Stirb Langsam 2“ als südamerikanischen Ex-Diktator, den seine Terroristenfreunde freipressen wollen – bis ihnen ein gewisser John McClane (Bruce Willis) in die Quere kommt. Zuvor hatte sich Nero schon – zwanzig Jahre nach dem Original – zu einer (und zur einzigen) offiziellen Fortsetzung von „Django“ breitschlagen lassen. Doch „Djangos Rückkehr“ ist ein künstlerischer und wirtschaftlicher Totalausfall, den 1987 nur knapp über 100.000 Zuschauer in Deutschland sehen wollen.
Workaholic und Weltenbummler
In der ARTE-Sendung „Durch die Nacht mit…“, in der Franco Nero 2007 an der Seite von Exploitation-Ikone Fred Williamson auftrat, wurde die Einstellung des Schauspielers zu seinem Beruf noch einmal mehr als deutlich. Auf seine nächsten Pläne angesprochen, antwortete Nero, dass er demnächst in Hamburg drehen werde und danach in Budapest. Untätigkeit kann er nicht ausstehen und Ruhestand ist nicht vorgesehen, denn die Arbeit ist alles für ihn – er ist rund um den Globus einsatzbereit. Mitte der Neunziger verwirklichte er noch einmal drei Projekte mit seinem Lieblingsregisseur Enzo G. Castellari: die Mini-Serien „Die Rückkehr des Sandokan“ und „Prinzessin Amina“ sowie den Western „Die Rache des weißen Indianers“, den Nero mit einem von Silvio Berlusconi zur Verfügung gestellten Mini-Budget in Russland produzierte und bei dem er erstmals am Drehbuch mitarbeitete. Das erhoffte Western-Revival blieb aber aus, weswegen Nero und Castellari seit Anfang des Jahrtausends gebetsmühlenartig den Wunsch wiederholen, noch einmal einen Italo-Western zu drehen. Eine Hoffnung, die sich durch das Quentin-Tarantino-Projekt „Django Unchained“ zumindest für Nero noch erfüllen könnte.
Rosamunde Pilcher statt Rente
2005 schrieb und inszenierte Franco Nero das Liebhaber-Projekt „Forever Blues“. Mit dem Musikerdrama, das außerhalb Italiens so gut wie unbekannt ist, gab der Star sein Regiedebüt. Die Hauptrolle als Trompeter übernahm er natürlich auch. Über mangelnde Beschäftigung musste sich Nero nie beklagen, bis heute ist er in den unterschiedlichsten Rollen zu sehen. Seichte ZDF-Produktionen wie „Rosamunde Pilcher: Zauber der Liebe“ oder „Der Fürst und das Mädchen“ wechseln sich mit Hollywood-Filmen wie „Briefe an Julia“ und „The Rite - Das Ritual“ sowie krudem Billig-Trash wie „Megiddo - Das Ende der Welt“ ab. In den deutschen Kinos war er zudem 2009 noch in einem sehr amüsanten Kurzauftritt in der ansonsten größtenteils zu bemühten Komödie „Mord ist mein Geschäft, Liebling“ zu sehen und in Pixars Animationssequel „Cars 2“ übernahm er die allererste reine Sprechrolle seiner Karriere.
Franco Nero & Vanessa Redgrave: Eine Liebe mit Unterbrechungen
Während des Drehs von „Camelot“ lernte Nero seine Schauspielkollegin Vanessa Redgrave kennen. Die beiden waren von 1967 bis 1972 erstmals ein Paar. Die Beziehung war danach über viele Jahre unterbrochen, auch wenn beide befreundet blieben. Bei der Hochzeit von Redgraves Tochter aus erster Ehe, Natasha Richardson, mit dem Schauspieler Liam Neeson 1994 war es Nero, der die Schauspielerin zum Altar führte. Gute zwölf Jahre später, im Dezember 2006 – 37 Jahre nach der Geburt ihres Sohnes Carlo, der heute als Regisseur tätig ist – heirateten dann auch Redgrave und Nero.