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    Disney+ macht bei "Star Wars: Andor" den gleichen Fehler wie bei "Obi-Wan Kenobi" – Netflix zeigt, wie es besser geht!
    Benjamin Hecht
    Benjamin Hecht
    -Redakteur
    Liebt Episode I-VI, „Clone Wars“ und „The Mandalorian“. Die Sequel-Trilogie war für „Star Wars“-Fan Benjamin aber eine riesige Enttäuschung.

    „Andor“ und „Obi-Wan Kenobi“ unterscheiden sich wie Tag und Nacht. Doch in einem ärgerlichen Aspekt sind sie sich doch sehr ähnlich: Beide leiden unter der Veröffentlichungspolitik von Disney Plus. Dabei beweist Netflix, dass es auch anders geht...

    Disney und seine verbundenen Unternehmen / Netflix

    +++ Meinung +++

    Andor“ und „Obi-Wan Kenobi“: Zwei „Star Wars“-Serien, die innerhalb weniger Monate auf Disney+ erschienen sind und dennoch nicht unterschiedlicher sein könnten. Auf der einen Seite haben wir das Solo-Abenteuer von „Obi-Wan“, das voller „Star Wars“-Magie und -Poesie steckt, allerdings sehr unter seinem hanebüchenen Drehbuch, handwerklicher Schludrigkeit und einem erschreckend billigem Look leidet. Auf der anderen Seite „Andor“, das mit seiner Verliebtheit fürs Detail, dem einnehmenden Worldbuilding, starken Dialogen und einem beeindruckenden Produktionsaufwand glänzt, bei dem das „Star Wars“-Feeling allerdings fast vollständig flöten geht.

    » "Andor"* und "Obi-Wan Kenobi* bei Disney+

    Eines haben die beiden „Star Wars“-Serien allerdings doch gemeinsam: Sie leiden an der Art und Weise, wie Disney+ sie veröffentlicht.

    Netflix vs. Disney+: Zwei unterschiedliche Philosophien

    Bevor es Streaming gab und wir alle unsere Serien noch im Fernsehen verfolgten, war die Sache klar: Neue Episoden wurden entweder im wöchentlichen oder täglichen Rhythmus veröffentlicht. Als Netflix 2014 in Deutschland an den Start ging, änderte sich unser Verständnis vom Serienkonsum aber schlagartig. Plötzlich wurden ganze Staffeln auf einen Schlag veröffentlicht. Fans mussten nach einem Cliffhanger nun nicht mehr quälend lange auf neuen Nachschub warten, sondern konnten sofort weitergucken: Das Bingewatching war geboren.

    Als Disney+ Ende 2019 (bzw. Anfang 2020 in Deutschland) ebenfalls den Streaming-Markt in Angriff nahm, griff der Neuling allerdings nicht auf das beliebte Netflix-Konzept zurück, sondern orientierte sich wieder mehr am klassischen Fernsehen. Das erste große Disney+-Zugpferd „The Mandalorian“ wurde im wöchentlichen Rhythmus ausgestrahlt.

    Diese Veröffentlichungsstrategie behält die Plattform bis heute bei all ihren wichtigen Originals (sprich: den Marvel- und „Star Wars“-Serien) bei. Doch was bei der ersten Staffel „The Mandalorian“ völlig okay war, weil jede Folge eine für sich abgeschlossene Geschichte erzählt, während die übergreifende Handlung dabei eher in den Hintergrund rückt, wurde schon bei „Obi-Wan Kenobi“ zum Ärgernis und das ist es jetzt auch bei „Andor“.

    "Obi-Wan" und "Andor" sind nicht gemacht für wöchentliche Häppchen

    Das Problem ist bei beiden Serien im Kern dasselbe, die Gründe dafür sind allerdings unterschiedlich. „Obi-Wan Kenobi“ war ursprünglich als Kinofilm gedacht, doch als dann der Start von Disney+ immer gewisser wurde, war klar, dass es starke Exklusivtitel brauchen wird, um Abonnent*innen gewinnen und halten zu können. „Obi-Wan“ wurde deswegen zur Serie ummodelliert und dadurch künstlich in die Länge gezogen. Das Endprodukt wirkt dadurch träge. 

    „Obi-Wan“ braucht Zeit, um in die Gänge zu kommen und insbesondere Folge 4, in der der Jedi die Entführte Leia aus der Basis der Inquisitoren befreien muss, steht im Verdacht, ein bloßer Lückenfüller gewesen zu sein, um irgendwie auf sechs Episoden zu kommen und damit das Serienformat zu rechtfertigen.

    Bei der Berichterstattung zu „Obi-Wan“ ist mir aufgefallen, dass die Zuschauer*innen nach einzelnen Folgen oft sehr enttäuscht waren, doch vor allem Episode 3 und 6 mit ihren Darth-Vader-Auftritten als unbestrittene Highlights viel Begeisterung ernteten. Wäre es nicht besser gewesen, Folge 1 bis 3 sowie Folge 4 bis 6 jeweils auf einen Schlag zu veröffentlichen und so die Fans jeweils mit einem echten Highlight zu entlassen, sodass die weniger spannenden Kapitel gar nicht so sehr ins Gewicht fallen? Ich glaube: ja!

    Disney+

    Nun ist mit „Andor“ die nächste „Star Wars“-Serie erschienen und tatsächlich wurden die ersten drei Episoden davon auf einen Schlag veröffentlicht. Das war die absolut richtige Entscheidung! Denn ehrlich gesagt war ich nach den ersten beiden Episoden noch nicht besonders angetan, ja stellenweise sogar etwas gelangweilt, weil „Andor“ sich wirklich sehr viel Zeit lässt, die Welt und unzählige Nebenfiguren auszubauen.

    "Andor" verschenkt sein volles Potenzial: In diesem wichtigen "Star Wars"-Aspekt enttäuscht die Disney+-Serie

    Erst mit Folge 3 hat mich das „Rogue One“-Prequel mit dem Auftreten Luthens und der ersten großen Actionszene wirklich gefesselt. Hätte Disney+ auf einen strikten wöchentlichen Rhythmus gesetzt, wären spätestens bei Folge 2 viele Zuschauer*innen ausgestiegen und Fans hätten sich in den Sozialen Medien lautstark beschwert, wann doch endlich mal was passieren würde. Und wahrscheinlich hätte auch ich irgendeinen Meinungsartikel in diese Richtung verfasst.

    Doch leider blieb es bei diesem einmaligen Dreierpack. Ab sofort gibt's nur eine Folge „Andor“ pro Woche und das ist deshalb auch so schade, weil diese Serie explizit in mehreren Mini-Trilogien gedreht wurde. Die komplette Struktur von „Andor“ ist darauf ausgelegt, dass jeweils drei Folgen einen eigenen Handlungsbogen haben. So drehten sich die Episoden 1 bis 3 um die Geschehnisse auf dem Planeten Ferrix, während sich die Kapitel 4 bis 6 nun einem großen Heist widmen, für den Andor von Luthen engagiert wurde. Wie gern hätte ich auch diesmal wieder ein großes zweistündiges „Star Wars“-Abenteuer am Stück erlebt.

    Disney und seine verbundenen Unternehmen

    Doch Disney+ hält stur an seiner Veröffentlichungsstrategie fest. Mein Verdacht ist, dass der Streaming-Dienst möglichst wenig Wochen ohne neuen „Star Wars“-Content haben möchte, damit alle Fans des Franchises um ein dauerhaftes Abo einfach nicht herum kommen, anstatt immer nur dann kurz ein, zwei Monate zu buchen, wenn gerade die neue Serie erscheint. Aus wirtschaftlich-strategischer Sicht ist das durchaus verständlich, doch leider schadet es dem Seherlebnis. Zwar steht es jedem frei, einfach zu warten, bis die Dreierpakete vollständig da sind, doch besteht dann eben auch die Gefahr in der Zeit dazwischen gespoilert zu werden. Dabei haben Streaming-Plattformen ja viel mehr Möglichkeiten, als nur zwischen „wöchentlich eine Folge“ und „alle Folgen auf einmal“ zu wählen. Das hat auch Netflix mittlerweile erkannt.

    Netflix zeigt, wie es besser geht

    Nehmen wir etwa den größten Netflix-Hit des Jahres: Bei „Stranger Things“ Staffel 4, die aus neun Episoden besteht, hat der Streaming-Anbieter zunächst die ersten sieben Folgen am Stück veröffentlicht und dann fünf Wochen später die letzten beiden. Das hat hervorragend funktioniert. Die ersten Folgen eignen sich gut zum Bingen, weil hier erstmal ganz viel Vorarbeit geleistet werden muss. Es passiert gerade so viel wie nötig, um einen bei der Stange zu halten, aber auch nur, weil die nächste Folge sofort parat liegt. Doch bei einer wöchentlichen Veröffentlichung, hätte man sich schon gefragt, wann es doch endlich mal richtig zur Sache geht.

    Mit der Aufteilung in sieben Folgen Aufbau und zwei Folgen Auflösung wurde der etwas langatmige Teil zum schnellen Bingen freigegeben, in der fünfwöchigen Pause die Spannung fürs Finale hochgehalten und dann alles in einem zum Bersten mit Action und Drama gefüllten Doppelschlag entladen. Netflix hat seine Veröffentlichungsstrategie perfekt der Struktur der vierten Staffel angepasst (und nicht mal davor zurückgeschreckt, bis zu zweieinhalb Stunden lange Folgen zu veröffentlichen).

    Ein weiteres Positivbeispiel von Netflix ist „Arcane“, meine Lieblingsserie des vergangenen Jahres. Deren neun Folgen wurden in Paketen von je drei Folgen veröffentlicht, also in jener Form, die auch für „Andor“ optimal gewesen wäre und von der auch „Obi-Wan Kenobi“ profitiert hätte.

    Für mich ist das die perfekte Mischung aus Film- und Serienerlebnis. „Arcane“ hat so einerseits von der Abgeschlossenheit der einzelnen Dreierpakete profitiert (jedes davon hatte Eventcharakter, das meinen kompletten Abend füllte), aber auch von der Kontinuität seiner Serienform (ich freute mich dazwischen immer enorm auf den in Kürze bevorstehenden nächsten Teil).

    Netflix-Tipp: "Arcane" ist eine der besten Serien des Jahres und wird euch umhauen – selbst, wenn ihr die Vorlage nicht kennt

    Ich wünschte mir, dass auch Disney+ ein bisschen mehr Flexibilität bei seinen „Star Wars“- und Marvel-Serien an den Tag legen würde. Die Veröffentlichungsstrategie sollte der Serie dienlich sein und sie nicht behindern. Nicht jede Serie ist ein „The Mandalorian“, das Folge für Folge eine kurze, knackige abgeschlossene Geschichte bietet, oder ein „Game Of Thrones“, das so viel in seine einstündigen Episoden packt, dass man anschließend genug Futter hat, um eine Woche lang wild darüber zu spekulieren, wie es weitergeht.

    Nachdem ich heute die aktuelle „Andor“-Folge gesehen habe, habe ich Lust auf mehr. Ich will wissen, wie der große Überfall von Cassian und Co. auf den imperialen Stützpunkt vonstattengeht. Doch die lange Wartezeit zwischen den „Andor“-Folgen fühlt sich falsch an. Als würde man einen Kinofilm mitten in seiner 3-Akt-Struktur aufbrechen und ihn über Wochen verteilt veröffentlichen, ohne dass die einzelnen Teile für sich selbst stehen können. Bis nächsten Mittwoch werden meine Gefühle und auch meine Vorfreude nicht mehr so frisch sein.

    Folge 6 von „Andor“ wird erstmal eine Zeit brauchen, um mich wieder heiß zu machen. Das ist sicher nicht im Sinne von Tony Gilroy und seinem Team, die viel Wert darauf legten, ihrer Serie eine ganz spezielle Struktur zu verleihen, die von Disney+ nun leider voll missachtet wird.

    In "Andor" steckt mehr, als ihr denkt: Dieses winzige Detail greift eine 25.000 Jahre alte "Star Wars"-Geschichte auf!

    *Bei diesem Link zu Disney+ handelt es sich um einen Affiliate-Link. Mit dem Abschluss eines Abos über diesen Link unterstützt ihr FILMSTARTS. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.

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