Dass der Kinostart von „James Bond - Keine Zeit zu sterben“ inzwischen zweimal massiv nach hinten verschoben wurde, war eine Erschütterung für die Kinobranche, die auf die Einnahmen dieses Blockbusters angewiesen ist (und auf die Einnahmen der vielen anderen großen Filme, die nach „Bond“ ebenfalls verschoben wurden und es nach wie vor werden).
Es könnte aber eine noch viel größere Erschütterung im Zusammenhang mit „Keine Zeit zu sterben“ folgen.
Der neue Bond exklusiv bei Netflix oder Apple?
Wie der bestens vernetzte Filmjournalist Drew McWeeny via Twitter berichtet, sollen Netflix und Apple sehr viel Geld dafür bieten, „James Bond - Keine Zeit zu sterben“ exklusiv zu bekommen – was bedeuten würde, dass der Film nicht wie derzeit geplant am 31. März 2021 in die Kinos kommt, sondern zu Netflix oder Apple TV+. Drew McWeeny schreibt:
„Ich fasse es kaum, dass wir James Bond vielleicht bei Apple TV+ oder Netflix starten sehen. Die Zahlen, die ich in den vergangenen Tagen gehört habe, sind verrückt...“
Wir stufen Drew McWeeny, der zu den Urgesteinen der Filmbloggerszene gehört, als glaubwürdig ein (im Unterschied zu manchen jüngeren selbsternannten „Scoop“-Jägern, die in schöner Regelmäßigkeit von aufsehenerregenden Marvel- und DC-Besetzungen oder neuen „Star Wars“-Serien berichten, die in Entwicklung seien).
Auf die Nachfrage, ob Netflix und Apple jeweils 500 Millionen US-Dollar für „Keine Zeit zu sterben“ bieten, antwortete McWeeny mit diesem aussagekräftigen GIF:
Netflix und Apple sollen demnach jeweils mehr als eine halbe Milliarde US-Dollar bieten, um „James Bond - Keine Zeit zu sterben“ exklusiv zeigen zu dürfen.
Es gibt Gründe, warum dieses Gerücht plausibel ist – wobei der dafür nötige Deal kompliziert wäre. Der Reihe nach:
Darum könnte "Bond" vom Kino zu Netflix oder Apple wandern
Das Studio MGM, das die Produktion der „James Bond“-Filme finanziert, ist seit Jahren finanziell angeschlagen. Der Erfolg des neuen Films dürfte essentiell sein für den Fortbestand des Traditionsstudios. Doch schon die Produktion von „Keine Zeit zu sterben“, in der Regisseur und Drehbuchautoren ausgetauscht wurden, war teurer als geplant – und die Werbekampagne sowieso, weil nun schon zweimal Geld für die Bewerbung eines Kinostarts ausgegeben wurde, der nicht stattfindet („Bond“ sollte erst im April und dann im November 2020 anlaufen).
Niemand kann angesichts der Corona-Pandemie derzeit garantieren, dass „James Bond - Keine Zeit zu sterben“ im März 2021 tatsächlich in den Kinos anlaufen kann oder dort genug Geld einspielen wird, um Gewinn zu machen (das mäßige Einspiel von Warners „Tenet“, der im August 2020 startete, dürfte MGM jedenfalls nicht gerade optimistisch stimmen). MGM könnte also ein Interesse daran haben, einen Kinostart aufzugeben, um mit „Keine Zeit zu sterben“ doch noch Geld zu verdienen oder zumindest die Verluste zu begrenzen.
Netflix und Apple sollen bereits darum konkurriert haben, MGM in Gänze zu kaufen. Doch selbst wenn sie nur „Keine Zeit zu sterben“ kaufen würden, könnten sie enorm davon profitieren. Sie würden einen Titel ins Portfolio bekommen, der für Rekord-Abrufzahlen sorgen und viele neue Abonnenten bringen würde – gerade Apple, dessen Streamingdienst Apple TV+ im Vergleich zu Netflix oder Amazon Prime Video ein Nischendasein fristet, braucht dringend einen großen, zugkräftigen Film.
Allerdings dürfte es für die Streaminganbieter gar nicht so einfach sein, „James Bond - Keine Zeit zu sterben“ zu kaufen, weil da mehrere Player mitreden.
Aber: Es ist kompliziert
Hüter über die „James Bond“-Rechte ist Eon Productions, das Geld für die Produktion der Filme kommt von MGM. Den Verleih des neuen Films an die Kinos wiederum hat in den USA MGM zusammen mit Annapurna Pictures übernommen und außerhalb davon ist zu einem großen Teil Universal verantwortlich. Mehrere Unternehmen wollen mit dem neuen Bond Geld verdienen – und das heißt:
Netflix und Apple müssten mit mehreren Unternehmen verhandeln, um die exklusiven Streamingrechte zu bekommen, was die Gespräche deutlich komplizierter gestalten würde, als wenn es nur einen Ansprechpartner gäbe.
Den Kinos fehlen die großen Filme
Die Filmbranche ist im Wandel: Streaminganbieter bekommen mehr und mehr Einfluss, während den Kinos die großen Filme fehlen. In der neuen Ausgabe unseres Podcasts Leinwandliebe sprechen Moderator Sebastian Gerdshikow und FILMSTARTS-Redakteur Björn Becher über die prekäre Lage der Kinos in Corona-Zeiten – und über „Greenland“, einen von vielen Filmen, für den sich der Kinobesuch derzeit lohnt.