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    "Die bunte Seite des Monds": Netflix dreht die Disney-DNA durch den Fleischwolf

    Disney hat eigentlich gar nichts mit dem neuen Animationsfilm von Netflix zu tun – und dennoch könnte man meinen, hier und da doch einen Funken Disney-Magie zu spüren. Und das hat auch durchaus seinen Grund...

    Netflix

    +++ Meinung +++

    Dass Netflix das Zeug zu großem Animationskino hat, weiß ich spätestens seit „Klaus“. Die charmant animierte und herzerwärmend erzählte Weihnachtsgeschichte war für mich nicht nur der beste Animationsfilm 2019 – und das obwohl ich „Ich habe meinen Körper verloren“ (ebenfalls Netflix), „Toy Story 4“ und andere auch richtig gut fand –, sondern hat es auch auf Anhieb in den exklusiven Kreis jener Filme geschafft, die ich zu Weihnachten einfach sehen muss. Irgendwo zwischen „Stirb Langsam“ und „Die Glücksritter“ wird sich schon ein Slot finden.

    Während sich „Klaus“ (allein schon visuell) bewusst von Disney-Blockbustern abhebt, geht „Die bunte Seite des Monds“ nun aber einen anderen Weg – und setzt ganz bewusst auf die altbewährte Disney-DNA. Und das ist auch kein Wunder, immerhin haben die beiden Regisseure Glen Keane und John Kahrs bereits an Maushaus-Hits wie „Arielle, die Meerjungfrau“, „Die Unglaublichen“ oder „Rapunzel - Neu verföhnt“ mitgearbeitet und jeweils auch schon einen Oscar gewonnen.

    Mit der Geschichte von Fei Fei (Stimme im Original: Cathy Ang), die den Beweis für die Existenz der berühmten Mondgöttin erbringen will, versucht das Duo nun, typische Disney-Zutaten mit fetzig-bunter Animations-Action und chinesischer Mythologie unter einen Hut zu kriegen. So richtig zusammenkommen will das alles aber irgendwie nicht.

    Die Musik könnte glatt aus einem Disney-Film sein

    Ich bin grundsätzlich kein großer Fan von Musical-Filmen, aber Disney schafft es regelmäßig, dass ich mir Soundtracks nach dem Kinobesuch einfach immer und immer wieder anhören will – bis mir die Lieder irgendwann zum Halse raushängen. Die Verantwortlichen des Maushauses verstehen es ganz einfach, die richtigen Songschreiber*innen, Komponist*innen und Sänger*innen zusammenzubringen, um in Sekundenschnelle zu Tränen zu rühren.

    Und die Macher von „Die bunte Seite des Monds“ dürften wohl bei Disney gelernt haben, welche Knöpfe sie dafür drücken müssen. Wenn man sich zu Beginn, sobald Fei Feis Mutter (Ruthie Ann Miles) ihrer Tochter eine Ballade über eine tragische Liebesgeschichte vorsingt, die Augen zuhält, könnte man glatt meinen, gerade einen Disney-Film zu schauen (bzw. zu hören). Hier hat man wirklich ganz viel richtig gemacht, vor allem in der englischen Fassung.

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    Im Laufe des Films folgen zwar noch weitere solcher Momente, die dann aber fast schon zu sehr an die Maushaus-Konkurrenz erinnern – etwa das Lied, wenn Fei Feis Familie Mondkuchen bäckt oder auch beim Bau ihrer Rakete („Let It Go“ lässt grüßen). Beide Sequenzen erinnern in ihrem Aufbau stark an ähnliche Sequenzen aus „Die Eiskönigin“, an dem einer der beiden Regisseure übrigens auch mitarbeitete.

    Netflix

    Am Ende muss ich sagen: Ja, die Disney-Momente funktionieren für sich genommen richtig gut. Sobald das Ganze aber zu abgekupfert wirkt, geht die Magie allerdings ziemlich schnell flöten. Abgesehen davon finden aber auch Pop- und sogar Rap-Sequenzen in den Film, die irgendwie völlig deplatziert wirken, letzten Endes aber doch irgendwie zum Film passen. Leider.

    Ein kunterbuntes Animations-Allerlei

    Neben einigen wirklich detailverliebt animierten und kraftvoll inszenierten Bildern, wirken andere wiederum – spätestens, wenn's weg von der Erde geht – immer wieder unnatürlich glatt und geradezu eindimensional (passend zum plötzlich poppigen Soundtrack). Ob man sich hier bewusst für einen Stilbruch entschieden hat oder einfach irgendwo sparen musste, spielt dabei kaum eine Rolle.

    Klar, die fast schon ehrfürchtigen Bilder Chinas und die „Gummibärchen“ auf dem Mond spielen in völlig unterschiedlichen Welten, die man gerne auch grundverschieden visualisieren kann und soll. Spätestens wenn Fei Fei aber – gewissermaßen als Schnittstelle beider Reiche – dem Mythos der „Frau im Mond“ nachgeht, funktioniert das alles nicht mehr so richtig.

    Da schwabbeln einfarbige, lebende (aber keineswegs lebendige) Mondkuchen vor ebenso formlosen Hintergründen durchs Bild, dass die stark animierte Heldin der Geschichte mit ihren großen Gefühlen fast wie ein Fremdkörper wirkt.

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    Kids werden ihren Spaß haben

    Praktisch alles, was ich an dem Film auszusetzen hatte, dürfte der Zielgruppe herzlich egal sein. Denn auch wenn es Glen Keane und John Kahrs sicher zuzutrauen ist, einen Animationsfilm (Disney-typisch eben) für alle Altersklassen auf die Beine zu stellen, kann eben auch nicht jeder ein „König der Löwen“ sein. Auch wenn sich gewisse Details zweifelsohne und ausschließlich an (erwachsene) Filmfans richten – etwa eine Anspielung an Georges Méliès' „Die Reise zum Mond“.

    Bis auf einige manchmal etwas zu offensichtliche Disney-Anleihen, hat „Die bunte Seite des Monds“ nicht allzu viel mit den großen Maushaus-Hits zu tun. Netflix’ jüngster Genre-Beitrag ist ein quietschvergnügter Spaß, der die Kids auf eine witzige, kurzweilige Reise mitnimmt, auf der natürlich auch die aufs Auge gedrückte Botschaft nicht fehlen darf – und das ist auch völlig okay so.

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