Ausführlich haben wir nun mit Oliver Kalkofe und Peter Rütten bereits darüber gesprochen, wie „SchleFaZ – Die schlechtesten Filme aller Zeiten“ von einer „Einen-Sommer-das-machen-wir-jetzt-mal“-Idee zu einem Dauerbrenner geworden ist, der mit dem Sommer-2020-Auftakt „Rock Aliens“ am 14. August 2020 bereits die 111. Folge bekommt.
Wir haben schon erörtert, warum in diesem Sommer „Lass jucken, Kumpel“ eine solche Herausforderung war, weil der Film so furchtbar ist. Doch die meisten Filme werden trotz ihrer offensichtlichen Schwächen und trotz allen Spotts in dem Format gefeiert. Darum geht es vor allem im zweiten Teil unseres Interviews.
Alte Perlen statt Asylum-Trash?
FILMSTARTS: Es ist interessant, dass ihr selbst ansprecht, dass ihr so Filme wie „Hentai Kamen“ auch einem größeren Publikum näherbringen wollt, gleichzeitig aber erwähnt, wie langweilig viele dieser Asylum-Produktionen sind. Denn genau darauf zielt meine nächste Frage ab.
Ich habe nämlich stark den Eindruck, dass ihr deutlich zielgerichteter kuratiert, auch einen noch stärkeren Fokus auf ältere Filme legt. Ihr habt am Anfang noch vielen modernen Asylum-und-Co.-Scheiß aus den vergangenen vier und fünf Jahren gezeigt, bei den Filmen dieser Sommerstaffel ist der jüngste mit „Dollman“ von 1991. Ist das eine bewusste Entscheidung gewesen und seht ihr euch da auch in einer Kuratoren-Rolle?
Oliver Kalkofe: Ja, absolut!
Peter Rütten: Ich kann das nur bestätigen und der Grund ist auch, dass dieses Kaleidoskop wesentlich breiter ist, als ich beim Einstieg vermutet hätte. Und da ist es natürlich auch reizvoll, an Sujets und an Genres ranzugehen, die in verschiedenen Dekaden auffällig oft schlecht umgesetzt wurden.
Auch Sprünge in den Sujets und vor allem auch in den Dekaden sind wichtig: Den Sexismus und Chauvinismus der Siebziger und späten Sechziger und deren Selbstverständlichkeit, die einem heute die Kinnlade runtersauen lässt, findest du halt nur da.
Und nach jetzt über 100 Folgen schält sich da schon ein Kurator-Aspekt heraus. Man ist da ja durchaus auch ein wenig museal tätig.
Oliver Kalkofe: Wir mussten auch sehr schnell lernen, dass schlecht nicht gleich #SchleFaZ ist. Unser Format hat zwar die ‚schlechtesten Filme‘ im Titel, aber das heißt ja nicht, dass wir wirklich nur die allerschlechtesten Filme der Welt zeigen. Vielmehr stöbern wir aus irgendeinem Grund missglückte Filme auf, machen aus ihnen ein Fest und erklären, warum sie eigentlich so in die Hose gegangen sind.
Allerdings haben wir am Anfang auch selbst ein wenig naiv gedacht: „Okay, schlechte Filme: davon hat Tele 5 ja jede Menge im Archiv!“ Und die haben auch gleich gesagt: „Sucht euch aus dem Haufen was aus!“
Aber wir haben auch schnell gemerkt: Ein schlechter Film, den man feiern, mit dem man Spaß haben will, darf auch nicht einfach nur langweilig und öde sein, und er darf auch nicht jedes Mal das Gleiche sein. Wir müssen jedes Mal im Genre und im Entstehungsjahr wechseln.
In den letzten Jahren sind wir deshalb bei der Film-Auswahl auch selbst wesentlich aktiver geworden. Ich habe hier Hunderte schlechte Filme zu Hause liegen, weil ich mich wirklich wie ein Trüffelschwein auf die Suche begeben habe. Ich habe dafür auch ein Wahnsinnsgeld ausgegeben, weil sehr viele schlechte Filme, die keine Sau mehr für 2 oder 3 Euro vom Grabbeltisch kaufen würde, inzwischen nur in einer Auflage von 300 Stück als Mediabook für 35 Euro rauskommen.
Auf der Suche nach den Perlen
Oliver Kalkofe: Allerdings habe ich auch großen Spaß daran, diese Scheißfilm-Perlen zu entdecken und immer wieder zu denken: „Wie geil, den hatte ich ja total vergessen.“ Danach versucht Tele 5 dann die Rechte für uns zu bekommen und manchmal dauert das auch sehr lange und wir müssen vielleicht ein paar Jahre warten – „Masters Of The Universe“ war beispielsweise schon sehr, sehr lange auf unserer Wunschliste, genau wie damals „Captain America“ oder „Star Crash“.
Am Ende ist es einfach wichtig, immer wieder neuen Themen und Formen des Film-Wahnsinns zu finden und sowohl den Zuschauer als auch uns selbst zu überraschen. Das ist zu einer echten Mission geworden.
Peter Rütten: Und hinzufügen möchte ich noch, dass der schlechte Film zwar leicht auszumachen ist, aber wenn der vorsätzlich und uncharmant, mit lautem Augenzwinkern als Trash daherkommt, dann ist das leicht ausgereizt. Diese Asylum-Filme, die in kalkulierter Gleichförmigkeit meistens auf einen Creature-Aspekt abzielen, sind halt irgendwann wirklich durch.
Da finde ich so etwas wie „Angriff der Riesenspinne“ wesentlich schöner, weil der – und das ist als Aspekt nicht zu vernachlässigen – ein guter Film werden sollte, und da hat vom Regisseur bis zum Effektmann tatsächlich jeder alles gegeben …
Oliver Kalkofe: … es war halt einfach nicht wirklich viel, was sie zur Verfügung hatten. Das ist, glaube ich, genau das, was den gewissen Unterschied ausmacht. Die 2000er-Filme, also alles von Asylum und ähnlichen Trash-Granaten, sind eben bewusst und kalkuliert schlecht und minderwertig. Aber die meisten Werke aus den 70er, 80ern und auch noch den 90ern sind halt Teile, bei denen die Leute eigentlich einen richtigen Film machen wollten, es aber dummerweise nicht konnten. Da fehlte es entweder an Talent, einem fähigen Regisseur, guten Schauspielern oder am Kostüm, Drehbuch oder Geld – meistens sogar an allem!
Und was am Ende dabei herauskommt, ist eben charmant gescheitert. Und das hat etwas Liebesvolles - dann macht es auch viel mehr Spaß, sich ironisch damit auseinanderzusetzen und das Scheitern zu analysieren.
"Angriff der Riesenspinne": Ein Highlight dieser Staffel
Peter Rütten: Gerade dafür ist „Angriff der Riesenspinne“ wieder ein gutes Beispiel. Es hat mich bei der Recherche und beim Sichten schon verzaubert, dass da ein lettisch-stämmiger US-Regisseur ursächlich einen Tarantel-Schocker mit lebenden, ergo, normalgroßen Tieren machen sollte. Da der Streifen aber 1975, im Fahrwasser von „Der weiße Hai“ entstand, wurde der arme Mann Woche für Woche vom Verleih gezwungen, die Spinnen stufenweise immer größer werden zu lassen, bis hin zur kapitalen Monster-Spinne.
Und am Ende war er dann ziemlich ratlos, weil das Spinnenmodell so groß werden sollte wie der Dummy vom weißen Hai, also 8 bis 9 Meter. Da hat er sich dann mit seinem talentierten Effektspezialisten, der nebenbei auch noch Schwerst-Alkoholiker war, beraten und dann haben sie ein Riesenspinnen-Modell auf ein altes VW-Käfer-Chassis gebastelt – und das ist auch tatsächlich äußerst beeindruckend geworden, abgesehen davon, dass man öfter mal die Autoreifen sieht, wenn die Riesenspinne durchs Dorf rollt.
Angriff der RiesenspinneOliver Kalkofe: Die fahrende Riesenspinne. Die muss man einfach bewundern! Damals gab es ja noch kein CGI und dann bekommen die den Auftrag: Jetzt bau mal ‘ne Riesenspinne! Und dann packen die Fell auf einen alten VW-Käfer und setzen ein paar Leute rein, die die Beine raushalten. Das ist doch einfach geil! Das muss man lieben!
Und wir machen genau darauf aufmerksam: Guckt mal, wie geil die das gemacht haben! Das ist zwar nicht gut geworden und nicht vergleichbar mit anderen Filmen dieses Genres, aber schaut euch an, was die aus ihrer Not gemacht haben.
Liebeserklärung und Huldigung
Oliver Kalkofe: Ich finde es genau deshalb auch so großartig, dass es ein Format wie SchleFaZ gibt, das genau das feiert und zeigt.
Und mir ist deswegen auch immer wieder wichtig zu erklären, dass „SchleFaZ“ ein Produkt der Liebe zum Film ist. Wir machen uns zwar in gewisser Weise über missglückte Filme lustig, aber wir feiern sie ja auch. Wo werden solche Filme sonst noch so zelebriert und in den Mittelpunkt gestellt? Nie wieder wird „Angriff der Riesenspinne“ irgendwo so prunkvoll gezeigt, gewürdigt und gehuldigt werden!
Peter Rütten: Und wir vermitteln damit wertvolles Hintergrundwissen. Das sind halt auch immer die irrsten Geschichten, wenn du dann erfährst, dass ein bemitleidenswert unterbezahlter Regisseur da täglich mit knallharten Forderungen bombardiert wurde, was er wieder alles größer machen muss.
Oliver Kalkofe: Zu diesem Kuratieren, über das wir ja schon gesprochen haben, gehört für mich genau das Einordnen und Erklären – und ich finde übrigens, dass dies im deutschen Fernsehen wieder viel öfter geschehen sollte. Früher gab es die Fernseh-Ansager, die uns den Film näherbringen sollten. Das war ist sehr oft missglückt, war bieder und wurde uninterssant - aber im Grunde fände ich es super, wenn es auch heute manchmal vorher eine Erläuterung gäbe, um auf bestimmte interessante Aspekte hinzuweisen, die das Verständnis und den Genuss des Films dann noch erhöhen können.
Filme sind ja auch stets Kinder ihrer Zeit, die sich aber weiterentwickelt hat. Einige wenige Sätze zur Einordnung und zum Hintergrund des Films könnte dem Publikum den Spaß an so manchem Film wesentlich vergrößern.
Kult, Kinohit und Kurioses: Das sind die kommenden Filme bei SchleFaZ mit Oliver Kalkofe und Peter RüttenEinordnen und Erklären - das kennt man auch aus dem Museum, weswegen wir noch einmal kurz über den musealen Aspekt der Sendung zu sprechen, wobei Oliver Kalkofe von sich aus auf die „Kontroverse“ der SchleFaZ-Sommerstaffel kommt, nach der der Autor dieser Zeilen fragen wollte und die viele von euch auch interessieren dürfte.
Selten gab es – so zumindest der Eindruck des Autors dieser Zeilen – nach einer SchleFaZ-Ankündigung so viele erboste Reaktionen wie nun bei „Masters Of The Universe“, der doch viel zu gut für SchleFaZ sei. Doch was solche Skeptiker verpassen, wenn sie androhen, deswegen die Folge auszulassen, erörtern wir im dritten und finalen Teil unseres ausführlichen Interviews.