+++ Meinung +++
Wirft man einen Blick auf die DVD oder Blu-ray von „Der Chaos-Cop“, könnte man sich doch glatt täuschen lassen. Denn die pinke Hülle, das FSK-12-Logo auf dem Cover und ein deutscher Titel, der ganz und gar nach Holzhammer-Komödie klingt, verschleiern die Tatsache, was für ein Brett von Film einen hier erwartet.
Nachdem das auf dem Kurzfilm „Thunder Road“ basierende Indie-Highlight den Jury-Preis auf dem weltbekannten SXSW Film Festival abräumte, gab es die Tragikomödie 2018 dann auch schon in Deutschland zu sehen. Wer aber das Pech hatte, den Film im Zuge des Fantasy Filmfests zu verpassen, kann das Drama gut anderthalb Jahres später nun endlich zuhause nachholen.
„Der Chaos-Cop“ ist auf DVD und Blu-ray* sowie als Video-on-Demand unter anderem bei Amazon Prime Video* erhältlich.
"Der Chaos-Cop": Kleines großes Kino
„Thunder Road“, wie der Film im Original heißt, erzählt die Geschichte von Officer Jim Arnaud (Jim Cummings), der nicht nur mit dem Tod seiner Mutter zu kämpfen hat, sondern obendrein auch noch vor der Scheidung von Noch-Ehefrau Ros (Jocelyn DeBoer) steht. Mittendrin: ihre gemeinsame kleine Tochter Crystal (Kendal Farr). Viel mehr will ich auch gar nicht über den Inhalt verraten – das ist ohnehin schon mehr, als ich wusste, bevor ich den Film gesehen hab’.
Hauptdarsteller Jim Cummings, der gleichzeitig auch Regie führte, stellt bereits in der ersten Szene klar, worauf sich der Zuschauer hier eingelassen hat. Denn vor der Trauergesellschaft findet er seinen ganz eigenen, etwas ausgefallenen Weg, mit der tragischen Situation umzugehen. Das Ganze ist zum Teil sogar so überdreht und schrullig, dass man am liebsten laut loslachen würde – wäre da nicht diese innere Zerrissenheit unseres Protagonisten, die einem mit jedem weiteren seiner Worte tiefer unter die eigene Haut kriecht. Trauer, Verzweiflung, Orientierungslosigkeit, Reue. Das Lachen? Bleibt einem im Hals stecken.
Es ist auch diese nicht enden wollende Eröffnungssequenz, die an der Oberfläche vielleicht skurril und überspitzt wirken mag, letztlich aber nicht weniger als Ausdruck jenes Chaos’ ist, das in unserem Chaos-Cop eben gerade vorherrscht – und die ganz ohne Schnitt auch gleich eindrucksvoll klarstellt, dass man die nächsten 90 Minuten nicht nur mit einem wahnsinnig aufregenden (und aufgeregten) Polizisten, sondern auch mit einem unfassbar talentierten Schauspieler zubringen wird. Wenn euch Jim Cummings also bislang kein Begriff war, wage ich hiermit zu versprechen: ihr werdet in Zukunft noch viel von ihm hören.
"Thunder Road" ist was für euch, wenn...
... euch die Stimmung in den Filmen von Quentin Dupieux („Rubber“, „Reality“) zwar grundsätzlich gefällt, ihr euch früher oder später aber immer fragt, wohin diese total abgedrehten und verschachtelten Geschichten überhaupt führen sollen. Denn unser Chaos-Cop könnte direkt einem von Dupieuxs Filmen entsprungen sein, mit dem Unterschied, dass er sich bei Cummings eben in einer verhältnismäßig geradlinigen Erzählung wiederfindet. Immer noch schräg, aber auch verdammt herzerwärmend – und (vor allem im englischen Originalton) eine impulsive, wilde, bittersüße Achterbahnfahrt der Gefühle.
Wenn ihr außerdem eine Schwäche für kleine Familiendramen habt, in denen Vater, Mutter und Kind mit Tod, Scheidung und anderen Herausforderungen des Lebens zu kämpfen haben, ist „Thunder Road“ alias „Der Chaos-Cap“ die kleine, frische und verrückte Abwechslung zu ganz und gar schwerfälligen Filmen wie Netflix' Oscar-Beitrag „Marriage Story“.
Außerdem lohnt sich der Film natürlich, wenn ihr bei euren Freunden mal mit einer unbekannten Perle punkten wollt, von der sie noch nie gehört haben. Für mich steht nämlich fest, wenn ich auf die vergangenen Jahre zurückblicke: „Der Chaos-Cop“ ist einer der besten Filme, die niemand kennt.
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