+++ Meinung von Tobias Mayer: J.J. Abrams führt das Wichtigste weiter +++
Wenn Filmreihen entstehen, wird hinter den Kulissen um die Richtung gerungen. Das war bei der „Star Wars“-Originaltrilogie so (an der George Lucas u. a. mit Drehbuchautor Lawrence Kasdan und Regisseur Irvin Kershner arbeitete) und das war bei den Prequels so (wo der mächtige George Lucas mit sich selbst kämpfte, über den Drehbüchern brütend). In der Sequel-Trilogie nun ringen J.J. Abrams und Rian Johnson – aber ohne sich gegenseitig Mittelfinger zu zeigen.
Viele Fans interpretierten bereits „Star Wars 8“ als Mittelfinger – nur eben als einer in Richtung „Star Wars 7“. Wie Luke sein von Rey übergebenes Lichtschwert wegwirft, hat manch Zuschauer auch zwei Jahre nach Kinostart noch nicht verwunden. Doch weder „Star Wars 8“, noch „Star Wars 9“ sind FUCK YOUs.
Ich liebe „Star Wars 8“ – nur ist Rian Johnsons meisterhaft inszeniertes Mittelstück weit weniger revolutionär, als es in der polarisierenden Diskussion (die ja auf Twitter in 280 Zeichen passen muss) gerne gemacht wird.
Ich verstehe zum Beispiel bis heute nicht, warum sich so viele Menschen dermaßen über Aussteiger-Luke aufregen, der am Ende des Films ja wieder ein Held ist und damit die Figur, die seine Fans sehen wollen (zwischendrin gab es die beste Leistung in Mark Hamills Karriere). „Star Wars 8“ war nicht revolutionär – und in „Star Wars 9“ wird „Star Wars 8“ nicht ignoriert oder revidiert. Zumindest nicht in einem Maße, das einem Mittelfinger gleichkommt.
Ja, Abrams will "Star Wars 8"-Kritiker besänftigen
Ich verstehe schon, wie der liebe Kollege Tißen darauf kommt, dass „Star Wars 9“ ein FUCK YOU an „Star Wars 8“ sei. Womöglich hatte J.J. Abrams tatsächlich im Sinn, die Gegner von Rian Johnsons Geschichte zu besänftigen (gegenüber der New York Times gab Abrams zu Protokoll, dass ihm Johnson in „Star Wars 8“ zu meta war).
In „Star Wars 9“ ist der Widerstand nach wie vor drückend unterlegen. Warum Lukes Heldentat keine Rolle zu spielen scheint, erschließt sich mir nicht – und warum Abrams die liebe Rose zur überflüssigen Nebenfigur degradiert, aber stattdessen mit Jannah eine andere überflüssige Nebenfigur einführt, kann ich mir nur damit erklären, dass der für Jannah vorgesehene Part als von der Ersten Ordnung entführte Tochter Landos mal größer sein sollte (siehe Story-Leaks).
Doch schon Lukes Kommentar zur heiligen Jedi-Waffe steht völlig im Einklang mit „Star Wars 8“ und ist augenzwinkernde Selbstkritik: Der Clou von „Episode 8“ besteht darin, dass auch ein Jedi-Meister wie Luke auf seine alten Tage noch etwas lernen kann, wenn ihm Yoda mit dem Stock mal ein bisschen gegen die sture Rübe klopft. Als Luke das Lichtschwert in „Star Wars 9“ also vor den Flammen rettet, weiß er um seinen eigenen, schon in Rian Johnsons „Star Wars 8“ eingesehenen Fehler – Lukes Kommentar ist verschmitzt und kein Mittelfinger von J.J. Abrams.
Das sagt Abrams übrigens auch selbst:
Abrams führt "Star Wars 8" da weiter, wo es am wichtigsten ist
Dass die Macht nicht den Jedi alleine gehört – siehe Besenjunge – ist übrigens weder eine Idee von Rian Johnson (auch Leia nutzte in „Star Wars 5“ die Macht, als sie spürte, wie sehr Luke am Ende Hilfe braucht), noch wird sie durch Abrams in „Star Wars 9“ ignoriert: Stattdessen wird Finn als Machtnutzer gezeigt (was er Rey erfolglos zu erzählen versucht).
Und Reys Abstammung als Palpatine-Enkelin verstößt ebenfalls nicht gegen den Geist von „Star Wars 8“: Rey muss sich mit der schweren Situation ihrer Abstammung arrangieren – ob nun als Niemand, so wie es ihr Kylo zur Schwächung ihrer Moral in „Star Wars 8“ weißmachen will, oder nun mit dem größten Verbrecher der Galaxis als Opa. So oder so passt ihre Entscheidung am Ende, sich ihr eigenes Schicksal zu machen.
Vor allem aber führen J.J. Abrams und Co-Drehbuchautor Chris Terrio die wichtigste Dynamik der Sequel-Trilogie fort, die Rian Johnson in wunderbar sensiblen Force-Facetime-Szenen etablierte: Rey und Kylo versuchen auch in „Star Wars 9“, den jeweils anderen auf ihre Seite zu ziehen, während sie insgeheim mit der Position des Gegenübers liebäugeln – Rey mit der Dunkelheit, Kylo mit dem Licht.
Als Kylo endlich die Seite wechselt, tut er das nur, weil er und Rey in „Star Wars 8“ miteinander reden (außerdem können sie nun größere Gegenstände durch die Macht übertragen, was verdammt cool ist und ohne Johnsons Vorarbeit nicht passiert wäre, siehe die Regentropfen in „Star Wars 8“ an Kylos Handschuhen).
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