Pünktlich zum Release des deutschen Trailers von „Last Christmas“ haben wir mit Regisseur Paul Feig („Brautalarm“, „Nur ein kleiner Gefallen“), der sich derzeit in London, dem Dreh- und Handlungsort des Films befindet, telefoniert. Feig hat uns verraten, wie sich der von Oscarpreisträgerin Emma Thompson (Bestes Drehbuch für „Sinn und Sinnlichkeit“) geschriebene Weihnachtsfilm, der, wie der Titel möglicherweise schon verrät, vom musikalischen Schaffen des Wham!-Sängers George Michael inspiriert ist, von anderen Filmen seiner Art abhebt, wie es um das komödiantische Talent von „Game Of Thrones“-Star Emilia Clarke bestellt ist und wieso ihn die Bilder seines Kameramanns John Schwartzman an die Filme von Stanley Kubrick erinnern.
Ein Weihnachtsfilm für Erwachsene
FILMSTARTS: „Last Christmas“ ist erst dein zweiter Weihnachtsfilm seit „O je, du Fröhliche!“ im Jahr 2006. Warum hast du dich entschieden, jetzt zu diesem Genre zurückzukehren?
Paul Feig: Das frage ich mich auch jeden Tag... (lacht) Weißt du, ich glaube ich weiß woran es liegt. Es ist einfach ein großartiges Drehbuch, das zufälligerweise ein Weihnachtsfilm ist. Mich haben die Figuren so sehr angesprochen und die Welt, dass man dann eher beiläufig realisiert „Ach ja, es ist ein Weihnachtsfilm!“ Aber das war definitiv nicht, was mich daran gereizt hat. Ich saß nicht da und hab mir gedacht „Ich muss unbedingt einen weiteren Weihnachtsfilm machen“.
Aber des wurde dann essenziell, wir haben gemerkt, dass die Weihnachtsästhetik den Film um einiges besonderer macht, es passt zu der Geschichte, in der es um Heilung und Wiedergutmachung geht. Die Entdeckung von familiärer Liebe und Selbstliebe. Das passt alles sehr zum Weihnachtsthema, diese Zeit des Jahres dreht sich einfach sehr um solche Ideen ... und außerdem habe ich auch einfach sofort gewusst, wie hübsch ich den Film aussehen lassen kann, weil was gibt es schöneres als London zur Weihnachtszeit?
FILMSTARTS: Du bist mit „Brautalarm“ und „Arrested Development“ vor allem für Comedy bekannt, die an Erwachsene gerichtet ist. Wird „Last Christmas“ in erster Linie ein Familienfilm, oder können wir auch etwas dreckigere Witze erwarten?
Paul Feig: Er liegt da irgendwo in der Mitte würde ich sagen. Er ist definitiv familientauglich, es ist nichts darin, was wirklich anstößig ist. Aber er hat immer noch ein bisschen Kante. Mein anderer Weihnachtsfilm war ganz klar ein Kinderfilm. Der hier ist denke ich schon okay für die ganze Familie, aber er richtet sich schon eher an Erwachsene, würde ich sagen.
Comedy-Star Emilia Clarke?
FILMSTARTS: Emilia Clarke ist den meisten aus „Game Of Thrones“ und „Star Wars“ bekannt. Wie wusstest du, dass sie auch Talent für Comedy hat? Hast du das Projekt mit ihr im Hinterkopf übernommen?
Paul Feig: Ich habe sie vor drei, vier Jahren im Rahmen eines Meetings in meiner Firma kennengelernt, einfach nur weil ich die Möglichkeit habe, Leute, die ich mag, einzuladen und zu sehen, wie die so drauf sind. Ich habe in diesem Meeting überhaupt nicht fassen können, wie lustig sie ist. So humorvoll und gutgelaunt und sie hatte diese wirklich aufgeweckte Energie und als sie gegangen ist, dachte ich „Donnerwetter, ich muss einen Film für sie finden, ich muss sie einfach in einer Komödie besetzen“.
Und als ich dann das Skript las, war mir ziemlich schnell klar „Oh, das ist genau der Film, den ich mit Emilia machen kann“, weil sie nicht nur großartig in der Rolle sein würde, sondern ihr auch gleichzeitig eine weitere Ebene hinzufügen könnte. Es ist eine herausfordernde Rolle, weil die Figur vor allem zu Beginn ein bisschen wild um sich tritt. Emilia dabei zu sehen wäre absolut köstlich, dachte ich mir. Sie kam mir also wirklich sehr schnell nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte in den Kopf.
FILMSTARTS: Emilia Clarke hat öffentlich darüber gesprochen, selbst eine Nahtoderfahrung gehabt zu haben während sie „Game Of Thrones“ gedreht hat. Hat das beeinflusst, wie sich ihre Figur im Film verhält?
Paul Feig: Nein. Als ich Emilia besetzt habe, wusste ich nicht, dass sie diese Situation erlebt hat. Also nein, aber es kann natürlich sein, dass sie diese persönliche Erfahrung in die Rolle hat einfließen lassen. Aber das war schon immer Teil der Geschichte.
Der neue Cary Grant
FILMSTARTS: Du hast mit [dem männlichen Hauptdarsteller] Henry Golding bereits zusammengearbeitet. Was bringt er speziell in so ein Projekt ein?
Paul Feig: Für mich ist er Cary Grant! Er ist für mich ein Filmstar wie aus alten Tagen. Er hat einfach so ein positives Gemüt und bringt so eine leichtfüßige Note mit und er ist natürlich auch sehr gutaussehend auf der Leinwand, er ist auch sehr lustig und die Arbeit mit ihm ist wundervoll. Als wir „Nur ein kleiner Gefallen“ gemacht haben, hatten wir einen Mordsspaß miteinander, also konnte ich es kaum erwarten, wieder mit ihm zu arbeiten. Wir amüsieren uns gut miteinander, wir sind richtig Freunde geworden und hängen oft miteinander rum. Es ist immer angenehm, einen Film mit Leuten zu drehen, mit denen man sich wohlfühlt.
FILMSTARTS: Er hat mit Michelle Yeoh bereits in „Crazy Rich“ zusammengearbeitet. Hast du sie bewusst besetzt, um die beiden wieder zusammenzubringen? Interagieren sie im Film häufig miteinander?
Paul Feig: Nein, überhaupt nicht. Das war keine bewusste Entscheidung, die zwei wieder zusammenzubringen. Ich bin schon immer ein Fan von Michelle. Als ich „Nur ein kleiner Gefallen“ mit Henry in Toronto gedreht habe, war „Crazy Rich“ gerade erst frisch im Kasten und sie war zufällig in Toronto, um „Star Trek“ zu drehen. Er hat mich zu einem Abendessen mit ihr mitgenommen und ich war so aufgeregt, sie zu treffen. Wir wurden ziemlich schnell gute Freunde. Und als ich das Skript gelesen habe und wie die Rolle beschrieben wurde, dachte ich sofort „das ist Michelle!“ Sie und ich sprachen schon eine ganze Weile darüber, einen Film zusammen zu machen, also war das perfekt. Erst später habe ich realisiert, dass ich die halbe Besetzung von „Crazy Rich“ dabeihabe.
FILMSTARTS: Weißt du, wie Emma Thompson darauf gekommen ist, einen Film rund um die Musik von George Michael aufzubauen?
Paul Feig: Ja, das wurde von einem anderen Produzenten an sie herangetragen, so vor acht Jahren. Es war eine sehr vage Idee, aber sie ist darauf angesprungen. Sie kannte George und hat mit ihm darüber gesprochen. Er war von der Idee begeistert und wollte sicherstellen, dass sich ein Element des Films mit Obdachlosen beschäftigt, weil ihm das Thema sehr am Herzen lag. Er wusste von dem Projekt, was mir ein gutes Gefühl gibt. [Emma Thompson] hat diese Idee genommen und entwickelt, dann kam die Autorin Bryony Kimmings hinzu und hat einen Drehbuchentwurf geschrieben, dann hat Emma wieder eine Überarbeitung vorgenommen... Die beiden haben rund acht Jahre daran gearbeitet. An mich wurde es erst herangetragen, als das Drehbuch schon fertig war.
FILMSTARTS: Wie genau ist die Musik denn in den Film eingebaut? Warst du mit George Michaels gesamter Diskographie vertraut?
Paul Feig: Naja, ich kenne sie jetzt. Der Film basiert auf seiner Musik und es gab im Drehbuch Anspielungen darauf, so „hier könnten wir einen von Georges Songs spielen“. Aber nichts Spezifisches, aber dann habe ich mich extrem mit seiner Musik auseinandergesetzt – ich kannte alle seine Hits, mit Wham! und „Faith“ und „Freedom“ und all das, aber darüber hinaus hatte ich nicht dieses intime Wissen darüber, welche Tiefe sein Werk hat. Das war eine wahnsinnige Entdeckung, die ich machen durfte, während wir uns auf den Dreh des Films vorbereitet haben. Ich habe immer mehr Musik gehört und gemerkt „Hey, vieles davon kann ich im Film auf eine Weise verwenden, die die Geschichte unterstreicht!“ Auf eine Art, die die Figuren unterstreicht und ihre Situation.
Als ich den Song „Heal The Pain“ gehört habe, den ich vorher noch nie gehört habe, wurde mir klar, dass er so die Geschichte dieses Films beschreibt, dass wir den Song in das Drehbuch eingebaut haben, sodass Figuren damit interagieren und ihn an einer Stelle sogar singen. Es ist irgendwie immer weitergewachsen, je weiter wir mit der Produktion fortgeschritten sind. George Michael war [Emilia Clarkes Figur Kates] Lieblingssänger und sie will Sängerin sein, während der Produktion ist das alles miteinander verwachsen bis in die Post-Produktionsphase hinein. [...] Wir haben jetzt rund 15 Songs im Film.
Liebesgeschichte mit Mystery-Twist?
FILMSTARTS: Der Trailer wurde im Netz bisher sehr gut aufgenommen und es wird schon spekuliert, dass möglicherweise nicht alles so ist wie es scheint und womöglich noch ein übernatürliches Element ins Spiel kommt. Kannst du etwas dazu verraten?
Paul Feig: Ich kann nur so viel sagen: Der Film hält haufenweise Überraschungen parat. Die Sache mit Trailern ist, dass die Leute immer meinen, sie hätten schon anhand des Trailers alles durchschaut. Was ich sagen kann ist, dass sie definitiv nicht alles schon durchschaut haben. Es gibt eine Menge zu entdecken in diesem Film. Es bleibt aber alles sehr versöhnlich und hoffnungsvoll.
FILMSTARTS: Du hast den Film in Interviews häufiger als „Rom Com Plus“ bezeichnet und vorhin schon das Obdachlosen-Element erwähnt. Welche Geschichten verbergen sich neben der Romanze denn noch im Film?
Paul Feig: Wir erleben einfach einen Abschnitt im Leben dieser Figuren in London und Henrys Figur arbeitet ehrenamtlich in einer Anlaufstelle für Obdachlose und wodurch man die Obdachlosen sieht. Und Emilia wird durch ihn in diese Welt hineingezogen. Außerdem verbringen wir viel Zeit mit ihrer Familie, eine Immigrantenfamilie, die aus Osteuropa stammt. Sie kamen nach London, um damals dem Krieg zu entkommen und es fällt ihnen dort schwer zurechtzukommen. Fremde in einem fremden Land, wenn man so will.
Diese Geschichte einer Familie, die auf gewisse Weise beschädigt wurde und sich reparieren muss... es werden verschiedene Themen aufgegriffen und bei allem geht es darum, zum Kern der Probleme vorzudringen, die diese eine Person, Emilia Clarkes Figur, hat und zu erklären, wie ihr Leben so aus den Fugen geraten ist und warum sie sich in diesem Stadium befindet, in dem wir sie kennenlernen. Sie steht ziemlich neben sich, wenn wir sie kennenlernen.
FILMSTARTS: Ihre Mutter wird von Emma Thompson selbst gespielt. Was kannst du mir zu ihrer Figur sagen?
Paul Feig: Emma spielt die Mutter dieser Familie, sie ist eine sehr herausfordernde Person, sie ist eine sehr strenge Mutter, sie ist überhaupt nicht diplomatisch. Sie beleidigt ihre Kinder und ihren Ehemann. Die ganze Familie droht auseinanderzureißen wegen dieser Mutter, die mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen hat. Damit, dass sie Immigrantin ist und, wie ihr Leben verlaufen ist im Gegensatz dazu, wie sie sich ihr Leben vorgestellt hat.
Ursprünglich sollte Emma gar nicht im Film auftauchen. Sie sollte nur mit mir jeden Tag am Set sein, weil ich sie als Autorin dabeihaben wollte. Aber es wurde mir schnell klar, dass ich eine der großartigsten Schauspielerinnen aller Zeiten bei mir am Set sitzen hatte, warum sollte ich sie also nicht in den Film aufnehmen? Ich habe zu ihr gesagt „Emma, du solltest diejenige sein, die die Mutter im Film spielt.“ Und sie meinte „Ich weiß nicht, ob ich das sollte“ und ich hab' gesagt „ich mache keinen Film [mit dir], bei dem du nur neben mir sitzt und nicht darin mitspielst.“ Sie hat großartige Arbeit geleistet, weil sie in der Rolle sehr lustig ist, aber auch sehr berührend, weil sie so real wirkt. Das [Test-]Publikum hat ihr förmlich aus der Hand gefressen!
FILMSTARTS: Du hast in Interviews gesagt, der Film sei ein Liebesbrief an London. Wie exakt drückt sich das aus? Welche Rolle spielt die Stadt und was genau liebst du so an ihr?
Paul Feig: Ich hatte schon immer ein großartiges Verhältnis zu London. Meine Familie mütterlicherseits ist britisch. Ich kam mit 13 auf einem Urlaubstrip hierher und habe mich einfach verliebt. Ich war schon immer ein Fan von britischer Comedy. Ich habe sofort eine Verbindung gespürt. Als ich meine Frau vor 30 Jahren kennengelernt habe, arbeitete sie oft in London, also sind wir beide ganz oft hierher gekommen und haben hier Freunde kennengelernt.Auch die Art und Weise wie ich mich kleide [ist sehr britisch]. Ich bin bekannt dafür dreiteilige Anzüge zu tragen. [London] ist ein Ort, an dem man in einem dreiteiligen Anzug rumlaufen kann und niemand denkt, dass das komisch ist. Ich mag das Aussehen der Stadt und ihre Geschichte.
Der Film ist einfach herrlich anzusehen. Mein Kameramann John Schwartzman hat fantastische Arbeit geleistet. Vieles davon wurde mit dem Licht gedreht, das da war. Wir haben einige Szenen, die nur mit der kleinen Weihnachtsdekoration beleuchtet wurden. Da wurde kein Studiolicht verwendet. Das fügt den Bildern einen fast kubrick-schen Schimmer hinzu.
FILMSTARTS: Mit „Ghostbusters“ und „Nur ein kleiner Gefallen“ und jetzt diesem Film hast du in letzter Zeit haufenweise unterschiedliche Filme gemacht. Wie genau entscheidest du, ob ein Projekt etwas für dich ist?
Paul Feig: Ich mag es, mit verschiedenen Genres zu spielen. Wenn man sich meine Filme so anschaut, merkt man, dass sie sich alle in verschiedenen Genres bewegen. Das Ziel, das ich mir für meine Karriere gesteckt habe, ist, alle Genres auszuprobieren. Einer meiner liebsten Filmemacher ist Howard Hawks, der mühelos von einer Screwball-Komödie zu einem Gangsterfilm zu einem Western das Fach gewechselt hat. Als Filmemacher ist das für mich einfach interessanter.
Ich will mich nicht wiederholen. Es macht Spaß, die Tropen verschiedener Genres zu entdecken und mit ihnen herumzuspielen und eine neue Energie in sie einfließen zu lassen oder eine neue Betrachtungsweise. Mein nächster Film, den ich derzeit schreibe, wird wirklich extrem anders werden als dieser. Ich denke, das kommt auch daher, dass ich für lange Zeit als TV-Regisseur gearbeitet habe und wenn man als TV-Regisseur arbeitet, macht man an einem Tag eine Mediziner-Serie, am nächsten Tag eine Familienserie und danach eine verrückte Comedy... ich mag das einfach, es macht mein Leben als Geschichtenerzähler interessanter.
„Last Christmas“ startet am 14. November 2019 in den deutschen Kinos.
"Game Of Thrones": Nach der 8. Staffel bereut Emilia Clarke eigentlich nur eine Sache