Kathleen Kennedy gehört aktuell zu den mächtigsten und umstrittensten Persönlichkeiten Hollywoods. Sie ist die Herrin über „Star Wars“, sie bestimmt am Ende, welche Filme gemacht werden, und an ihr lädt sich auch die Kritik vieler Fans an den neuen Teilen ab. Nun könnte sie ihren Posten abgeben - zumindest wird darüber aktuell in Hollywood spekuliert.
Die Spekulationen erreichten uns über den von uns abonnierten Branchen-Newsletter The Ankler. Dabei handelt es sich zwar um eine sehr junge Plattform, sie genießt aber bereits einen sehr guten Ruf in Hollywood, denn sehr viele bestens vernetzte Insider und alte Hasen der Traumfabrik sind an dem von Journalist und Buchautor Richard Rushfield geschriebenen Newsletter beteiligt. Die Publikation richtet sich vor allem an die Leute, die in Hollywood arbeiten, und weniger an Kinogänger. Wenn hier spekuliert wird, steckt meist etwas dahinter und in der Vergangenheit haben sich die Informationen des Ankler oft als zutreffend erwiesen (Joss Whedons Ausstieg aus „Batgirl“ stand hier schon drei Monate vor der offiziellen Bekanntgabe, große Wechsel in den Führungsetagen der Studios fand man dort zuerst).
Das sind die Gerüchte
Bezüglich Kathleen Kennedy heißt es im Ankler nun, es gebe Gespräche darüber, dass ab September 2018 Lucasfilm an der Spitze neu aufgestellt werden soll. Die Ankler-Kollegen vermuten zudem, dass Kennedy zumindest teilweise selbst hinter diesem Wechsel steht. So wird darauf verwiesen, dass sie sich auch von anderen Jobs in Hollywood zurückzieht. Beispielsweise hört sie wohl freiwillig beim sogenannten „Board Of Governors“, einer Art Aufsichtsrat über die Oscars, auf.
Die vor wenigen Tagen 65 Jahre alt gewordene Kennedy sei womöglich bereit für den Ruhestand, auch ermüdet von den vielen jüngeren Querelen bei Lucasfilm (siehe die mehrfachen Regie-Wechsel) und der daraus resultierenden schlechten Presse. Dass der Job als Lucasfilm-Boss stetige Kommunikation zwischen Los Angeles, wo die Firma sitzt, und London, wo die Filme größtenteils entstehen, verlangt, wird auch als Problem gesehen.
Darum ergibt ein Rückzug Sinn
Die ausgeführten Überlegungen der Kollegen des Ankler bezüglich der möglichen Gründe Kennedys klingen einleuchtend. Darüber hinaus würde es auch zum bisherigen Werdegang der Produzentin passen: Sie verließ 2012 ihre eigene Firma und stieg bei Lucasfilm ein, weil sich das ihr guter Freund George Lucas wünschte. Mit ihm gemeinsam organisierte sie die Übergabe an Disney, wurde dann zur Lucasfilm-Präsidentin befördert und leitet seitdem allein die Geschicke. Die erfolgreiche Geschäftsfrau hat „Star Wars“ ins nächste Zeitalter geführt und dabei Milliarden-Hits geschaffen.
Zudem war Kennedy immer jemand, der Aufgaben gesucht und abgeschlossen hat. Als sie einst mit Steven Spielberg und ihrem späteren Ehemann Frank Marshall die Produktionsfirma Amblin Entertainment gründete und dann ab Mitte der 1980er Jahre leitete, stieg sie 1992 aus, als die Firma sicher aufgestellt war, um mit Marshall eine komplett neue Produktionsfirma zu gründen.
Eine immune Maschine
Doch hat sie ihre aktuelle Aufgabe abgeschlossen? Kennedy hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie es perfekt versteht, eine Firma so in Gang zu bringen, dass sie quasi von selbst läuft. Bei „Star Wars“ scheint das nicht richtig gelungen zu sein. Die Kollegen vom Ankler verweisen zurecht darauf, dass man ein so großes Universum eigentlich erschafft, damit jeder Film schon per se gut läuft, einfach weil ihn alle sehen wollen, die das Universum lieben. Filme werden so quasi immun gegen das Durchfallen an den Kassen, wie zum Beispiel bei Marvel, wo selbst ein schlechter Film kein Flop wird. Ein solcher wird „Solo: A Star Wars Story“ aber nun trotzdem, und dabei sind Kritiken und Zuschauermeinungen größtenteils eher ordentlich.
Dass „Solo“ nicht läuft, wird oft mit einer Fehlplanung begründet. Der Start erfolgte zu nah an „Die letzten Jedi“. Das mag ein Grund sein, doch die bereits angesprochenen Marvel-Filme werden sogar in noch kürzeren Abständen Mega-Hits. Vielmehr hat sich eine Unzufriedenheit vieler langjähriger „Star Wars“-Fans eingestellt. Das ist aber nur einer der Gründe. Die Kollegen des Ankler weisen so auf das vielleicht größte Versäumnis hin: Es sei einfach nicht gelungen, ganz viele neue Hardcore-Fans zu gewinnen. Zudem wird darauf verwiesen, dass weder Vision noch klare Führung hinter dem Film-Franchise zu erkennen sei. Zwischen Weiterführung der Originalreihe, Treue zur alten Vision von Lucas, neuen Ideen, Standalone-Filmen und Figuren-Prequels sei nicht erkennbar, wohin man eigentlich wolle.
Die Story Group: Fluch oder Segen?
Kennedy bekommt dabei den Großteil der Fan-Kritik ab, schließlich ist sie auch offiziell die Verantwortliche. Doch wie sehr hat sie wirklich inhaltlich auf die Filme Einfluss genommen? Bei „Solo“ war sie es zwar, die schlussendlich die Regisseure Phil Lord und Chris Miller entließ und Ron Howard als Ersatz an Bord holte, doch die treibende Kraft dahinter war wohl Autor Lawrence Kasdan. Er gehört zu einer Reihe von mächtigen Leuten bei Lucasfilm, die womöglich ganz unterschiedliche Vorstellungen haben und den finalen Segen für jede Filmidee geben: die sogenannte Story Group. Sie wird von vielen Fans geschätzt. Ein Pablo Hidalgo, der noch von George Lucas zum obersten Kanon-Wächter berufen wurde und Teil dieser Story Group ist, wird oft gefeiert, weil er alles über „Star Wars“ weiß. Er kann jede noch so kleine Verbindung erklären, jeden Widerspruch bei Twitter auflösen und zeigen, dass hinter jedem Design, jeder Idee eine bestimmte Überlegung stand - doch wie wichtig ist das?
Auch hier eignet sich Marvel wieder als Gegenbeispiel. Als Kevin Feige nach langem Machtkampf endlich die komplette Kontrolle über das MCU bekam, entmachtete er zuerst Marvels Gegenstück zur Story Group. Ein vor allem aus Comic-Autoren zusammengesetztes Team, das auf Kontinuitätsfehler achten sollte, aber immer wieder Regisseuren ins Handwerk reinredete (Joss Whedon und Edgar Wright können davon ein Lied singen) und zu exzentrische Ansätze verhinderte, hat seitdem nichts mehr zu sagen. Marvel-Filme brechen nun deutlich öfter mit den Vorlagen, stoßen auch langjährige Comic-Leser vor den Kopf und es kommt auch mal zu einem Fehler (siehe die Zeiteinblendung bei „Spider-Man: Homecoming“) - doch insgesamt sind die Filme erfolgreicher und beliebter als jemals zuvor.
Während Feige sich von seiner trennte, dürfte Kennedy sehr stark auf die Ratschläge und Ideen der Story Group zurückgreifen.
Wie geht es weiter?
Wie es für „Star Wars“ weitergeht, hängt so nicht nur von dem Nachfolger von Kennedy - wenn sie denn wirklich gehen sollte - ab. Es wird darauf ankommen, mit welchem Team er oder sie sich umgibt. Der Ankler nennt noch keine Details zu einer möglichen Nachfolgeregelung. Zu vermuten ist aber, dass Kennedy sich erst einmal einen Co-Chef holt. So leitete sie anfangs ja selbst auch noch mit George Lucas gemeinsam die Geschicke. „Star Wars 9“ könnte sie so als Abschluss ihrer Saga noch mit auf den Weg bringen. Wenn der September-Termin stimmt, hätte Kennedy dann über ein Jahr Zeit, ihren Nachfolger einzuarbeiten und die Übergabe zu gestalten.
Namen sind bis jetzt natürlich noch völlige Spekulation. Im Diskussionsforum Reddit wiederholen sich trotzdem immer wieder zwei, die womöglich gegensätzlicher nicht sein könnten. Kiri Hart ist bereits bei Lucasfilm beschäftigt. Sie stellte 2012 die Story Group auf, ist als Vize-Präsidentin die eigentlich logische Nachfolgerin von Kennedy. Als langjährige Autorin würde sie sich womöglich deutlich stärker kreativ selbst einbringen und die Rolle der Story Group könnte noch größer werden. Hart ist aber auch bekannt dafür, neue Leute an Bord zu holen, neue Ideen auszuprobieren. Mit Kiri Hart könnte „Star Wars“ so vielfältiger oder noch chaotischer werden, je nachdem, ob man es positiv oder negativ formulieren will.
Der zweite Name, der bei den Fan-Wünschen fällt, ist natürlich Kevin Feige. Und völlig abwegig erscheint diese Lösung nicht. Feige ist ein Mega-„Star Wars“-Fan. Er steht bereits bei Disney unter Vertrag und dass er einen solchen Posten ausfüllen kann, weiß man ja. Vor allem läuft es bei Marvel so gut, dass Feige hier ohne Probleme das Feld räumen könnte – zumal er mit Victoria Alonso über eine rechte Hand verfügt, die wahrscheinlich ziemlich nahtlos übernehmen könnte. Mit Kevin Feige könnte „Star Wars“ so zu einer gut geölten Maschine und/oder glattgebügelter werden, sodass auch der ein oder andere Patzer nichts ausmacht – ganz wie das MCU.
Die nächsten Filme und Serien
Es bleibt also spannend bei „Star Wars“ und egal, was hinter den Kulissen passiert: Es werden viele neue Projekte kommen. „Star Wars 9“ startet am 19. Dezember 2019 als nächster Film in die Kinos, und sollte ein möglicher Kennedy-Nachfolger (oder sie selbst) nicht noch irgendwo eine Bremse finden, gibt es weiter jährlich einen Film. Spin-offs über Obi-Wan Kenobi und Boba Fett sind zwar noch nicht offiziell angekündigt, die Arbeit an ihnen aber in der Branche schon lange kein Geheimnis mehr. Daneben darf Rian Johnson eine eigene Filmreihe entwerfen und auch die Macher von „Game Of Thrones“ versuchen sich nach dem Abschluss ihrer Serie an einer mehrteiligen Geschichte im „Star Wars“-Universum.
Auch im Serienbereich geht es voran. Jon Favreau entwickelt die allererste Live-Action-Serie im „Star Wars“-Universum und bereits im Herbst 2018 wird es mit „Star Wars Resistance“ neue animierte Abenteuer aus dem reichhaltigen Universum geben.