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    Frauen-Power ohne Bösewicht? Unser Eindruck zur 2. Staffel von "Jessica Jones"

    „Jessica Jones“ geht auf Netflix in die nächste Runde. Wir haben uns vorab die ersten fünf Episoden der zweiten Staffel angeschaut und können euch schon mal verraten, ob das hohe Niveau der ersten Season gehalten wird.

    Netflix

    Bei unserem Ranking aller bisherigen Marvel-Serien liegt „Jessica Jones“ aktuell auf dem zweiten Platz, so fasziniert sind wir von Krysten Ritters Interpretation der eigenwilligen und eigensinnigen Detektivin. Nun geht es mit der zweiten Staffel weiter und von Anfang an zeigt sich einmal mehr, dass Jessica Jones vielleicht die Marvel-Figur überhaupt mit dem größten Potential ist. Viel hat sich in der Film- und Serienindustrie seit der ersten Staffel geändert und so verwundert es aufgrund der aktuellen Lage nicht, dass die Frauen-Power bei „Jessica Jones“ vor und hinter der Kamera zugenommen hat und es zahlreiche Anspielungen und Verweise auf die #MeToo- und die Time's-Up-Bewegung gibt. Die von uns gesichteten ersten fünf von insgesamt 13 Episoden bestechen dabei vor allem durch starke Figuren und Darsteller – eins fehlt aber (noch): ein richtig guter Bösewicht.

    Jessica Jones (Krysten Ritter) ist noch schlechter drauf als sonst. Seit die Welt um ihre Kräfte weiß und öffentlich wurde, dass sie ihren Peiniger Kilgrave (David Tennant) getötet hat, wollen ihre Klienten nicht nur, dass sie untreue Partner aufspürt, sondern diese auch gleich ermordet. Ihre Detektei läuft trotz tatkräftiger Unterstützung von Ex-Junkie Malcolm (Eka Darville) mehr schlecht als recht, weil sich neben rachsüchtigen Betrogenen vor allem scheinbare Spinner melden, die sich zum Beispiel Whizzer nennen und behaupten, auch über Superkräfte zu verfügen. Die Detektivin ist davon genauso genervt wie von den Ermittlungen ihrer besten Freundin Trish (Rachael Taylor), die immer noch in Jessicas Vergangenheit gräbt. Als es dann aber zu einem Mord kommt, muss die Superheldin wider Willen sich eingestehen, dass ihre Vergangenheit der Schlüssel ist und sie endlich herausfinden muss, was damals passiert ist, als sie ihre Superkräfte bekam und ihre ganze Familie starb...

    Reise in die Vergangenheit

    Dass es in der zweiten Staffel von „Jessica Jones“ um die Vergangenheit der Titelheldin und die Organisation hinter ihren Kräften gehen würde, wurde schon am Ende der ersten Season klar. Wie man es von den Marvel-Serien bei Netflix kennt, dauert es aber ein wenig, bis dieser Plot so richtig an Fahrt aufnimmt. In den ersten Episoden erweisen sich zu viele Nebenhandlungsstränge noch zu sehr als Tempobremser. Sowohl Jessicas Schwierigkeiten mit dem neuen Hausverwalter und Nachbarn Oscar (J.R. Ramirez), der sie anfangs rausschmeißen will, sowie mit dem konkurrierenden Detektiv Pryce Cheng (Terry Chen), der sie aus dem Geschäft drängen will, scheinen zu sehr Mittel zum Zweck und bewegen sich zumindest in den ersten fünf Episoden in haargenau den Bahnen, die man beim ersten Auftauchen der Figuren erwarten durfte.

    Das trifft auch auf Rückkehrerin Jeri Hogarth (Carrie-Anne Moss) zu. Die taffe Anwältin bekommt zum Staffelauftakt eine niederschmetternde Diagnose, die sie auf einen Pfad führt, der bislang noch zu stark Parallen zur rein funktionellen Bedeutung der Figur bei ihrem Ego-Trip in der ersten Staffel aufweist. Ob sich das noch in den verbleibenden acht Episoden ändert, bleibt abzuwarten. Zu hoffen wäre es, denn die Story der Anwältin am Scheideweg birgt genug Potential für einen eigenen Erzählstrang, der mehr ist als lange Zeit störendes Beiwerk, das für einen späteren Pay-Off-Moment gebraucht wird.

    Starke Frauenfiguren

    Eigentlich steht Jeri Hogarth nämlich perfekt in der Reihe starker Frauenfiguren, die die zweite Staffel dominieren. Einmal mehr brilliert Krysten Ritter als zerrissene Heldin, die dem Alkohol frönt, ihre Wut nicht unter Kontrolle hat und doch immer wieder ihr gutes Herz zeigt. Daneben begeistert vor allem auch Rachael Taylor. Ihre Trish wird zu einer zweiten Hauptfigur ausgebaut, deren Story nicht nur interessant und spannend ist, sondern auch Bedeutung für das große Ganze hat. Selbst ihre Liebesgeschichte mit einem renommierten Journalisten fügt sich gut in das Gesamtbild ein. Eine klischeehafte Wendung, deren Eintritt man vermutet, wird wunderbar angedeutet, dann aber eine andere Richtung eingeschlagen, die der weiteren Emanzipation des einstigen, unter der Fuchtel der Mutter stehenden Kinderstars zur Kämpferin dient. Zudem werden hier zahlreiche interessante Entwicklungen für den weiteren Verlauf der Serie angedeutet.

    13 Frauen wurden für die Regie der 13 Episoden der zweiten Staffel von „Jessica Jones“ angeheuert. Auch das Autorenteam der wie bei der ersten Staffel die Gesamtleitung tragenden Melissa Rosenberg („Dexter“, „Twilight“) ist zum Großteil weiblich. Diese Frauen-Power hinter der Kamera sollte auch ein Signal sein, es hat aber sicher auch großen Anteil an den stark geschriebenen und in Szene gesetzten Frauenfiguren vor der Kamera. Immer wieder bescheren Rosenberg, ihre Autoren und Regisseurinnen so Jessica, Trish und Co. wunderbare Bad-Ass-Momente.

    Noch fehlt ein Bösewicht

    Da dürfte es auch nicht verwundern, dass auch auf der Bösewicht-Seite eine Frau zumindest zu Beginn den Ton angibt. Die preisgekrönte Theaterschauspielerin Janet McTeer spielt eine mysteriöse Widersacherin, über die wir hier noch nicht zu viel verraten wollen, was aber ohnehin schwer wäre, denn allzu viel erfährt man über sie noch nicht. Ein paar rare private Momente ihrer Figur deuten Potential an, aber ob sich das auszahlt, muss der Rest der Staffel zeigen – zumal am Ende der fünften Episode noch ein weiterer möglicher Bösewicht (mit prominentem Gaststar als Darsteller) eingeführt wird.

    Das führt dazu, dass in den ersten fünf Folgen noch der wirkliche Widersacher für Jessica fehlt. In der ersten Season machte dies mit dem diabolischen Kilgrave immerhin ein Großteil der Faszination aus. Hier muss man abwarten, ob die Macher diese großen Fußstapfen noch in den übrigen acht Episoden füllen können und vor allem eine funktionierende Bindung zwischen Antagonist(en) und Hauptfigur erschaffen können. Zumindest sind aber die ersten Actionszenen zwischen McTeers Figur und Jessica schon mal vielversprechend.

    Fazit

    Der Auftakt zur zweiten Staffel von „Jessica Jones“ zeigt einmal mehr, warum diese einst die erste Superheldin war, die Marvel 2010 mit einer Serie im MCU auf den Weg bringen wollte. Was damals im TV schon in der Entwicklung scheiterte, gibt es nun auf Netflix. Nachdem die erste Staffel begeisterte, ist bei der zweiten Season allerdings nach fünf Episoden noch etwas Skepsis angebracht. Vielen vielversprechenden Ansätzen und starken Figuren stehen schwächere Nebenhandlungsstränge gegenüber, die noch wie unnötiger Füllstoff wirken.

    Alle Episoden der zweiten Staffel von „Jessica Jones“ sind ab dem 8. März 2018 weltweit auf Netflix verfügbar.

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