Sidney Lumets Krimi-Klassiker „Mord im Orient-Express“ von 1974 ist vor allem für sein unerreichtes Star-Aufgebot berühmt – und wenn wir uns hier im Kino in London so umschauen, wird schnell klar, dass sich die Neuverfilmung von und mit Kenneth Branagh zumindest in Sachen Starpower vor dem Original keinesfalls zu verstecken braucht: Beim Q&A nach dem Screening der ersten Szenen sitzen sage und schreibe zwölf Stars eng gedrängt auf der Bühne, darunter Oscarpreisträgerin Judi Dench (M aus „Spectre“), „Star Wars“-Shootingstar Daisy Ridley, „Die Schöne und das Biest“-Sidekick Josh Gad, Willem Dafoe („Grand Budapest Hotel“) und Penélope Cruz. Nur Johnny Depp und Michelle Pfeiffer konnten leider nicht kommen.
In der ersten Szene gleitet die Kamera über eine majestätische Schneelandschaft, durch die ein entfernter Zug gleitet. Im Inneren der Eisenbahn folgen wir den Schritten des Kellners, wie er sich geübt den Weg durch den engen Speisewagen bahnt und die verschiedenen Gäste bedient, deren Gesichter uns allesamt vertraut sind: Judi Dench sitzt an einem Tisch mit Olivia Colman, drum herum sind auch noch Daisy Ridley, Johnny Depp, Josh Gad, Willem Dafoe, Michelle Pfeiffer und Penélope Cruz anwesend. Mit einer einzigen Einstellung nähert sich die Kamera der Szenerie und entfernt sich anschließend wieder vor ihr – so werden alle wichtigen Figuren im Orient-Express ohne einen einzigen Schnitt vorgestellt. Sehr elegant.
Schon die paar gezeigten Szenen liefern einen guten Eindruck davon, mit welcher Detailversessenheit die Kostümbildner und Set-Dekorateure hier zu Werke gingen. Aber wenn dann schließlich Branagh selbst als Meisterdetektiv Hercule Poirot die Szene betritt, wird sowieso alles prompt von seinem massiven Schnauzbart überschattet: Das gigantomanische Haarbüschel unter seiner Nase entpuppt sich schon jetzt als heimlicher Star des namhaften Ensembles! In weiteren Szenen geschieht der titelgebende Mord und es werden die ersten Passagiere verhört, die allesamt eine wunderbare Schrulligkeit an den Tag legen. So zum Beispiel Willem Dafoe als Professor Hardman, der mehr als zweifelhafte rassistische Ansichten pflegt (wohl eine Anspielung auf eine mögliche Nazivergangenheit).
Im anschließenden Q&A verrät uns Branagh, dass für den Dreh extra zwei echte Züge konstruiert wurden, die immer wieder hin und her fuhren. Um die Erfahrung für die Darsteller noch realistischer zu gestalten, wurden entlang der Zugfenster zudem Monitore aufgestellt, auf denen stundenlang Videomaterial von vorbeiziehenden Bergen gezeigt wurde. „Es fühlte sich so an, als wären sie wirklich da gewesen“, erklärt John Gad, ehe Judi Dench anmerkt, dass dadurch allerdings auch mehreren Leuten kotzübel geworden sei.
Von der vorherigen Sichtung der Verfilmung aus dem Jahre 1974 riet Regisseur Branagh seinen Schauspielern übrigens explizit ab, weil er sich ganz seiner eigenen Version der Geschichte widmen wollte. Auch er selbst habe ganz bewusst darauf verzichtet, sich den alten Film anzusehen.
Der „Mord im Orient-Express“ wird ab dem 23. November 2017 in den deutschen Kinos aufgeklärt. Übrigens: Auf die Frage, mit wem die Stars am liebsten eine Schlafkabine teilen würden, geht Judi Dench ganz klar als Siegerin hervor. Dicht dahinter: die „neue Schwulen-Ikone“ Josh Gad, womit sich Co-Star Derek Jacobi einen augenzwinkernden Kommentar auf Gads kontrovers diskutierte Rolle in „Die Schöne und das Biest“ erlaubt.
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