Im Zuge der anhaltenden Diskussionen um „Tote Mädchen lügen nicht“ schob nun die erste Staatsbehörde der Netflix-Serie einen Riegel vor – zumindest was die Verfügbarkeit für Minderjährige betrifft. In Neuseeland dürfen Jugendliche unter 18 Jahren nur noch unter Aufsicht von Erwachsenen sehen, wie Hannah Baker (Katherine Langford) die Gründe für ihren Selbstmord aufzählt.
Während die auf Jay Ashers Roman „Thirteen Reasons Why“ basierende Serie auf der einen Seite Lob für die Auseinandersetzung mit dem Thema Teeanger-Selbstmord enfährt, steht sie auf der anderen teilweise auch wegen der Darstellung desselben in der Kritik. Einige Parteien werfen den Machern vor, sie würden Suizidgedanken mit „Tote Mädchen lügen nicht“ eher fördern denn beruhigen oder vorbeugen.
Das neuseeländische Office Of Film And Literature entschied sich zwar nicht völlig für die eine oder andere Seite, äußerte aber zumindest Bedenken und sieht Gefährdungspotenzial in der Serie. Denn wie The Guardian nun berichtete, wurde eigens eine neue Jugendschutz-Kategorie eingeführt, um Minderjährigen den Zugang zu „Tote Mädchen lügen nicht“ zu erschweren: RP18. Bisher konnten ab 18 Jahren freigegebene Inhalte nur unter der Kategorie R18 geführt werden – das heißt, auch mit Erwachsenenbegleitung durften Minderjährige keinen Zugang dazu erhalten. Das RP-Rating erlaubt dies nun.
Die Entscheidung begründet die Behörde damit, dass zwar gewisse Szenen – insbesondere eine viel diskutierte in der finalen Episode – das Selbstmordrisiko bei instabilen Personen erhöhen könnten. Außerdem würde die Show „den Zusammenhang zwischen Suizid und psychischer Erkrankung ignorieren“ und versäumen, einige der aufgeworfenen Fragen „zu beantworten oder vollständig zu behandeln“. Jedoch habe „Tote Mädchen lügen nicht“ zweifellos einen hohen Wert und spreche gesellschaftlich und insbesondere für Jugendliche „sehr relevante Themen an – inklusive Selbstmord, sexuelle Gewalt, Mobbing und ‚slut-shaming‘“. Das Office Of Film And Literature ermutigt Eltern mit ihren Kindern darüber ausgehend von der Serie in Dialog zu treten – gerade weil „Tote Mädchen lügen nicht“ nicht viele Lösungen parat halte und die Heranwachsenden sonst ohne Führung dastünden.
In den Beschluss floss mit ein, dass Neuseeland eine der höchsten Jugendsuizidraten innerhalb des OECD-Länderverbandes (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat. Beauftragte auf dem Gebiet psychischer Krankheiten warnen vor den Auswirkungen, die das momentane Binge-Watching der Serie auf Teenager haben könnte. „Diese Publikation birgt ein hohes Risiko, in diesem Land Schaden anzurichten“, heißt es im Statement des Office Of Film And Literature.
Vor einigen Folgen, in denen explizite Szenen von sexueller Gewalt und Selbstmord zu sehen sind, sind bereits weltweit Warnhinweise eingeblendet. In Konsequenz der in Neuseeland verhängten Altersbeschränkung wird Netflix zumindest dort nun verpflichtet, weitere Warnungen anzubringen. Die Empfehlung lautet, zu Beginn und Ende jeder Episode sowohl schriftlich als auch verbal auf die potenzielle Gefahr sowie auf Hilfsorganisationen hinzuweisen. Ebenfalls denkbar wäre natürlich, dass Netflix die etwa von „The Walking Dead“ bekannte Security-Code-Eingabe für nicht-jugendfreie Inhalte vorschaltet. So wäre – zumindest in der Theorie – sichergestellt, dass stets ein Erwachsener die Wiedergabe der jeweiligen „Tote Mädchen lügen nicht“-Episode startet.
Ein ausführliches Statement des Office of Film and Literature sowie der offizielle Bericht zur Klassifizierungsentscheidung sind über die entsprechende Website abrufbar.
Auch wir weisen darauf hin, dass Suizid kein Ausweg ist. Wenn deine Gedanken darum kreisen, dir das Leben zu nehmen, dann empfehlen wir dringend, dass du das Gespräch mit anderen Menschen suchst. Sprich mit deiner Familie oder deinen Freunden, einem Arzt oder Psychologen oder mit einer anderen Vertrauensperson darüber. Wenn du anonym bleiben willst, dann gibt es mehrere Angebote der TelefonSeelsorge, die nicht nur kostenfrei, sondern auch absolut vertraulich sind (und zum Beispiel auch nicht auf der Telefonrechnung auftauchen). Unter den Nummern 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 wird dir geholfen. Alternativ kann man sich auf der Webseite der TelefonSeelsorge auch einen Chattermin vereinbaren oder die Mailberatung in Anspruch nehmen. Auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention gibt es zudem eine Übersicht über weitere Beratungsstellen.