FILMSTARTS: Wie kam „Lammbock 2“ in die Gänge? Im Juni 2015 gab es einen vielbeachteten Facebook-Post von dir, Moritz, wo du deine Fans gefragt hast, ob sie Bock auf eine Fortsetzung haben. Oder war das Projekt vorher schon am Start und der Post diente nur als Stimmungstest?
Moritz Bleibtreu: Sowohl als auch. Ich habe mich da natürlich sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Die Idee gibt es eigentlich schon seit 15 Jahren - seit dem ersten Teil. Es war der Starrköpfigkeit von Regisseur Christian Zübert geschuldet, dass wir das bisher nicht gemacht hatten – auch wenn die nur gespielt war. Lucas Gregorewicz und ich haben immer gepusht und irgendwann - ich denke es war vor zwei Jahren - kam Sönke Wortmann auf mich zu und es hieß, wir wollen das machen mit „Lammbock 2“. Da habe ich noch gelacht und gesagt: „Das wird doch eh nichts.“ Da meinte Sönke dann aber, nee, nee, der Christian schreibt. Dann haben wir uns 2015 im März zu dritt - Lucas, Christian und ich - getroffen und Ideen rumgeschmissen. Mit dem Facebook-Post wollte ich dann allen Beteiligten nochmal zeigen, wie groß der Zuspruch wäre. Wir waren von der riesigen Resonanz aber dann selber überrascht.
Lucas Gregorowicz: Da war es schon in der Mache, Christian hat gescherzt, dass er angefangen habe zu schreiben, damit endlich alle Ruhe geben.
Moritz Bleibtreu: Bewusst schlecht, damit alle sagen, „Komm, lass es“, das hat leider nur überhaupt nicht funktioniert…
Lucas Gregorowicz: Er hat gemerkt, dass es 15 Jahre später wieder vieles zu erzählen gibt.
Moritz Bleibtreu: Christian hat einfach ein tolles Drehbuch geschrieben. Das war auch die einzige Möglichkeit, den Film zu machen. Wir mussten ein Buch haben, das völlig losgelöst vom ersten Teil funktioniert. Ich hatte wahnsinnige Angst, dass das Buch nicht gut ist, als ich es 2015 im Urlaub gelesen habe. Uns ist allen bewusst, wo die Messlatte da hängt. Wenn wir nicht das Gefühl hätten, da mithalten zu können, hätten wir es nicht gemacht
Lucas Gregorowicz: Wir haben es gleichzeitig gelesen und danach gleich telefoniert…
FILMSTARTS: Es ist immer schwierig, einen Kultfilm fortzusetzen, das ist schon oft schiefgegangen. Der Gefahr seid ihr euch aber offensichtlich bewusst…
Moritz Bleibtreu: Das kann gut- oder schiefgehen, ja. Wir hatten am Anfang diese überschwängliche Resonanz, als das Projekt in der Frühphase war. Aber als klar wurde, die drehen jetzt wirklich, wurden die Fans vorsichtiger. Nach dem Motto „Oh, mein Gott, die machen’s wirklich. Hoffentlich verkacken sie das nicht.“ Wir haben das große Glück, dass wir seit Tag 4 sagen können, wer den ersten Teil mochte, der wird auch den zweiten mögen.
Lucas Gregorowicz: Wir brauchten die richtigen Zutaten zur richtigen Zeit. Darauf musste man eben warten. Das Schlimmste wäre gewesen, den Kaffee wieder aufzuwärmen. Kultfilm fortsetzen, was heißt das schon? Man kann es ja nicht reproduzieren. Da müssen viele Faktoren zusammenkommen.
Moritz Bleibtreu: Damit spielen wir natürlich auch. Das wirst du schon an der Eröffnungssequenz sehen. Man muss dem ersten Teil in Stil und Ton gerecht werden. 15 Jahre ist eine lange Zeit, in der viel passieren kann mit zwei Figuren.
Lucas Gregorowicz: … wie mit den Zuschauern auch…
FILMSTARTS: Bei „Lammbock“ gab es Quentin Tarantino und Kevin Smith als vage Regievorbilder. Was ist mit denen? Sind die noch da oder gibt es jetzt andere Inspirationsquellen?
Moritz Bleibtreu: Es ist ein erwachseneres Kino, was Christian jetzt macht. Auch visuell, das ist ein kleiner Luxus, den wir uns gönnen. Eines der schönsten Erlebnisse war, vor der „Lammbock“-Pizzeria zu stehen, wo wir auch den ersten Teil gedreht haben - und dann denselben Shot, den man halt x-mal gesehen hat, mit uns beiden Trotteln da auf der Couch, in Cinemascope zu sehen. Das war so geil. Das ist eine coole Art, cineastisch einen Schritt weiter zu gehen, ohne sich aufzudrängen. Da schwingt die Coolness nach wie vor im Subtext mit. Es ist auf jeden Fall stylischer.
FILMSTARTS: Die Szene, die ich vorhin beobachten konnte, war auf offener Straße bei vollem Verkehr ein bisschen unübersichtlich. Ist diese Hektik mit den Einflüssen von außen ein Problem für euch als Schauspieler?
Lucas Gregorowicz: Nein, das ist halt so, kein Problem. Wir haben beim ersten Teil ja gar nicht so viel in Würzburg gedreht. Christian wollte dieses Mal ein bisschen mehr von der Stadt zeigen, er kommt von hier. Die meisten Innenszenen haben wir in Köln gedreht, die Außenszenen in Würzburg, das ist die Kulisse.
FILMSTARTS: Wie haben sich die beiden Figuren Kai und Stefan denn verändert über die Jahre?
Lucas Gregorowicz: Gar nicht.
Moritz Bleibtreu: Also… Kai gar nicht. Er ist ein klassischer Hängengebliebener. Da hat sich nichts, aber so richtig gar nichts verändert. Er denkt vielleicht, dass sich etwas verändert hat, aber es hat sich eigentlich nichts getan.
Lucas Gregorowicz: Stefan merkt eigentlich erst im Abgleich mit Kai, dass sich tatsächlich nichts verändert hat. Oberflächlich hat sich bei Stefan schon einiges gewandelt. Er ist ein bisschen rumgekommen, jetzt kommt er wieder... und merkt, dass sich nichts getan hat.
FILMSTARTS: Im ersten Teil gab es den tollen Running Gag mit Mehmet Scholl? Was bringt der zweite Teil?
Moritz Bleibtreu: Lass dich überraschen.
Lucas Gregorowicz: Wir greifen viele Geschichten aus dem ersten Teil auf, das hat Christian im Drehbuch wirklich ganz toll gemacht, Kleinigkeiten, die subtil im Subtext mitschwingen.
Moritz Bleibtreu: Viele Kreise schließen sich.
Lucas Gregorowicz: Es gibt ganz viele Kleinigkeiten, die Bezüge herstellen. Es ist voller kleiner Schmankerl.
FILMSTARTS: Im ersten Teil hattet ihr eine ganze Riege von Sidekicks. Wie steht’s damit in der Fortsetzung?
Moritz Bleibtreu: Dar Salim ist unser wichtigster Sidekick. Wir sind erfreut und geehrt, einen so großartigen dänischen Kollegen dabei zu haben. Er ist einfach ein Tier, rein schauspielerisch. Sonst ist Sidekick-mäßig gar nichts los. Viele Leute hätten gerne mitgemacht, aber das ist dann halt so eine Entscheidung, entweder man macht es so wie bei „Zoolander 2“ und ballert den ganzen Film voll mit Cameos, liefert dann einen blöden Film ab - oder man lässt es halt ganz.
FILMSTARTS: Manchmal funktioniert es einfach auch nicht...
Moritz Bleibtreu: Bei „Zoolander 2“ war es richtig schlimm. Das war eins von diesen Sequels, wo man echt gesagt hat: „Mann, wie schade!“
Lucas Gregorowicz: Das war auch so uninspiriert. Wir haben auch ein zu gutes Drehbuch, da braucht es diese Cameos nicht. Es gibt genug richtig starke Figuren.
FILMSTARTS: Lucas, du spielst am Wiener Burgtheater, machst Kino und Fernsehen – wie findest du da die Balance? Wann macht man was?
Lucas Gregorowicz: Man macht alles nacheinander. Ich habe immer das gemacht, was für mich instinktiv das Richtige war. Ich habe eine Weile Theater gespielt, das ist vorbei. Dieses Jahr habe ich mit „Lommbock“ und „Sommerfest“ zwei tolle Kinofilme gedreht. Mal gucken, was als nächstes kommt.
FILMSTARTS: Moritz, du gehörst zu den bekanntesten deutschen Schauspielern überhaupt, was hast du da noch für Ziele?
Moritz Bleibtreu: Ach, so viele. Ziele entstehen auch mit dem, was so kommt. Ich habe mich auch das erste Mal ans Produzieren gewagt, ich produziere das Gangster-Drama „Nur Gott kann mich richten“, den neuen Film von Özgür Yildirim, mit dem ich „Chiko“ gemacht habe. Da fangen wir Mitte September an zu drehen.
FILMSTARTS: Spielst du bei dem Film auch mit?
Moritz Bleibtreu: Ja, ich spiele die Hauptrolle. Edin Hasanovic ist dabei, Peter Simonischek, Birgit Minichmayr und Alexandra Maria Lara. Das ist einfach ein Versuch, Dinge kreativ in eine bestimmte Richtung drücken zu können. Da probiere ich mich aus und schaue anschließend… das ist der gefühlte „Chiko“-Nachfolger auf eine erwachsenere und genremäßigere Art.
FILMSTARTS: Wie ist denn produzieren für dich? Hast du Geld in den Film gesteckt?
Moritz Bleibtreu: Ja, klar, logisch. Sonst macht das keinen Sinn. Da bin ich natürlich auch bereit, Geld reinzustecken. Das ist ja das Problem, was du in Deutschland nach wie vor hast, dass die meisten Produzenten nur an der Herstellung verdienen. Das Produzieren ist, wenn man das selbst mal macht, ein sehr undankbarer Job in Deutschland, mit dem es sehr schwer ist, Geld zu verdienen. Ich habe aber schon in Zukunft vor, Sachen selber zu machen – vielleicht auch als Regisseur. Davon rede ich schon seit 100 Jahren. Das wird sicherlich irgendwann mal kommen.
FILMSTARTS: Wie seht ihr die Stimmung in der Filmlandschaft gerade – was tut sich?
Moritz Bleibtreu: Ich habe wie Lucas auch das Gefühl, das kann allerdings auch ein völliger Trugschluss sein, dass sich jetzt etwas verändert. Als wir „Lammbock“ gemacht haben vor 15 Jahren, hatte ich kurz davor „Das Experiment“ gedreht. Ich habe damals tatsächlich gedacht, dass wird das deutsche Kino massiv beeinflussen. Es wird jetzt einen Schwall solcher Filme geben – und das passierte dann einfach nicht. Oder vielleicht schon, aber auf eine sehr stockende Art und Weise. Wir haben jahrelang große Filme gemacht, die Eichinger-Filme, wo wir heute traurig sind, dass wir zu blöd waren, das nicht zu feiern, als es notwendig war. Jetzt ist dieser Hype wieder vorbei. Das ist unheimlich schade.
Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass wir wieder an einem sehr besonderen Punkt sind in der Kinolandschaft – einfach, weil sich alles neu formiert. Das Mainstreamkino wird zum Disney-Park umfunktioniert, das Cineasten-Kino muss erstmal gucken, wo es landet, ob es irgendwann in Wohnzimmern in Berlin-Mitte strandet, wo ein Film nur noch drei Euro kostet. Es werden momentan Sachen gemacht, die sehr unkonventionell sind und es ist eine große Bereitschaft da, diese Filme zu unterstützen. Das ist erstmal sehr gut. Das macht es auch als Schauspieler, gerade für mich, der immer schon sehr komische Geschichten gemacht hat, sehr spannend und wieder interessanter als vor ein paar Jahren.