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    FILMSTARTS am Set von "Inferno": Das große Interview mit Regisseur Ron Howard und Bestsellerautor Dan Brown

    Nach den Blockbustern „The Da Vinci Code – Sakrileg“ und „Illuminati“ schlüpft Oscarpreisträger Tom Hanks in „Inferno“ zum dritten Mal in die von Hitgarant Dan Brown erdachte Figur des Symbologie-Professors Robert Langdon.

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    Als wir im Mai 2015 am Set vor dem eindrucksvollen Renaissance-Palast Palazzo Pitti im Florentiner Stadtteil Oltrarno eintreffen, schwirren gerade mehrere Kamera-Drohnen über unseren Köpfen herum. Allerdings sind diese zur Abwechslung mal nicht im Dreheinsatz – stattdessen sind sie selbst Stars des Films. Die ohrenbetäubend lauten Minicopter machen nämlich wie im Roman auch in der Hollywood-Adaption Jagd auf Robert Langdon (Tom Hanks) und seine Begleiterin Sienna Brooks (Felicity Jones), die vor ihren zahlreichen Verfolgern gerade durch den weltberühmten Boboli-Garten fliehen…

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    Schon am Vormittag haben wir eine spezielle Führung durch den Palazzo Vecchio sowie die Chiesa Santa Margherita dei Cerchi absolviert, bei der aber gar nicht die – ebenfalls sehr sehenswerten – Tourismusattraktionen im Mittelpunkt standen. Stattdessen haben wir uns durch all die geheimen Gänge und versteckten Türen gezwungen, die auch Langdon im Roman nutzt, um immer wieder seinen Häschern zu entkommen und nebenbei die in Dantes Inferno (die Vision der Hölle im ersten Teil seiner „Göttlichen Komödie“) versteckten Codes zu entschlüsseln. Wie in all seinen Romanen hat Dan Brown eben auch in „Inferno“ wieder alle möglichen historischen, kulturellen und architektonischen Fakten untergebracht, von denen sich die allermeisten auch tatsächlich vor Ort selbst nachchecken lassen.

    Allerdings soll „Inferno“ im Gegensatz zu seinen rätsellastigeren Vorgängern in erster Linie ein psychologischer Thriller werden – Langdon hat nämlich zu Beginn des Films (als Folge eines Schlags auf den Kopf) sein Gedächtnis verloren, weshalb er nicht nur keinem anderen, sondern nicht einmal mehr sich selbst trauen kann. Trotz dieses Handicaps setzt der Cambridge-Professor aber alles daran, um den Milliardär Bertrand Zobrist (Ben Foster) aufzuhalten, der mit einem selbstgezüchteten Seuchenerreger die Hälfte der Menschheit auslöschen will, um so einem der drängendsten Probleme des Planeten zu begegnen: der Überbevölkerung!

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    Am Abend treffen wir Regisseur Ron Howard (zwei Oscars für „A Beautiful Mind“) und Langdon-Schöpfer Dan Brown zum Interview – wobei uns Howard gleich zur Begrüßung erzählt, dass dies der erste nicht superstressige Tag der Dreharbeiten gewesen wäre (ganz im Gegensatz zu gestern, als der Schrittzähler an seinem Handgelenk zum Drehschluss stolze 25.000 Schritte anzeigte).

    FILMSTARTS: Woher kam die Idee für die Figur Robert Langdon?

    Dan Brown: Er ist eine Verschmelzung vieler Professoren von mir. Mein Vater war auch ein Lehrer. Die Vorbilder für Langdon sind alles Menschen, die ich bewundere – Menschen mit intellektueller Neugierde, einer Passion fürs Lernen und einer Passion fürs Lehren. In jedem Buch gibt es eine Rückblende zu einer seiner Vorlesungen – da steht er vor Kids und bringt ihnen irgendetwas bei. Das ist, was ihn ausmacht – der Professor und der Lehrer, den ich als Kind bewundert habe. Und wenn ich meinen Job richtig mache, dann ist das Lesen der Bücher ein großer Spaß und ganz nebenbei lernt man auch noch etwas.

    FILMSTARTS: Passt Langdon noch in diese Zeit voller Superheldenfilme?

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    Dan Brown: Natürlich tut er das. Als wir das erste Mal über die Möglichkeit einer Verfilmung geredet haben, meinte ich scherzhaft: „Er kann aber nicht einfach ein Martial-Arts-Experte werden oder einen Röntgenblick entwickeln.“ Denn das Spannende an Langdon ist ja gerade, dass er ist wie wir – wenn er in die Ecke getrieben wird, kann er nicht einfach eine Waffe ziehen oder Jiu-Jitsu einsetzen. Stattdessen muss er seinen Verstand einsetzen – und genau so machen es die meisten von uns auch. Deshalb sind die Bücher und die Filme auch so erfolgreich – das Publikum möchte auch mal jemanden wie sich selbst sehen, der ein Abenteuer erlebt.

    FILMSTARTS: Ist also eine der Lehren, die Kinder aus den Bücher ziehen können, dass nicht nur Superhelden, sondern auch ihre Lehrer ziemlich cool sind?

    Dan Brown: Vielleicht unterschwellig schon. Einige der größten Helden in meinem Leben waren Lehrer. Es gibt einen Grund, warum es der nobelste aller Berufe genannt wird.

    FILMSTARTS: Ron, was zeichnet Robert Langdon für dich aus?

    Ron Howard: Ich liebe seine Leidenschaft für und sein Verständnis von Geschichte – ich teile diese Leidenschaft, wenn auch leider nicht seinen IQ. Er repräsentiert die Art von Held, mit der man sich als Zuschauer am leichtesten identifizieren kann.

    FILMSTARTS: Was war die Inspiration speziell für die Story von „Inferno“?

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    Dan Brown: Ich habe „Die göttliche Komödie“ in der Highschool und dann noch einmal an der Universität gelesen – und für etwas, das im 13. Jahrhundert geschrieben wurde, hat es sich für mich unglaublich zeitgemäß angefühlt. Das hat mich so fasziniert, dass ich nach der Erfindung der Figur Robert Langdon sofort wusste, dass ich auch über Dante und Dantes Inferno schreiben wollte. Ich habe dann auf eine Chance gewartet, die moderne Welt auf eine relevante Art mit in die Geschichte einzuweben, statt ein Buch zu schreiben, das nur in der Vergangenheit verhaftet ist. Das Problem der Überbevölkerung hat mich schon immer besorgt – und so kam ich auf die Idee eines Bösewichts, der Dantes Schaffen nicht als Historie begreift, sondern als Prophezeiung. Die Figur des Milliardärs Zobrist war für mich letztendlich der Katalysator, dieses Buch zu schreiben.

    FILMSTARTS: Im Buch präsentiert Zobrist so eingängige Argumente, dass man fast auf die Idee kommen könnte, dass die Auslöschung der Hälfte der Weltbevölkerung tatsächlich der einzige Ausweg ist. Wie sehr hat dich all die Recherche zum Problem „Überbevölkerung“ belastet?

    Dan Brown: Wenn man in dem Bereich recherchiert, ist das absolut furchterregend. Vor 80 Jahren gab es nur ein Drittel so viele Menschen auf diesem Planeten. Das ist ein erstaunlicher Fakt. Wenn man sich die Wissenschaft hinter Verschmutzung, dem Ozonloch, Hunger, usw. anschaut, hängen all diese Probleme mit der Überbevölkerung zusammen. Für mich ist das eine große Sorge – und jeder sollte sich darüber Gedanken machen. Ich bin auch nur eine einzelne Stimme, die in die Dunkelheit schreit – aber sicherlich wird der Film dabei helfen, diese Botschaft weiter zu verbreiten.

    FILMSTARTS: Ron, ist das auch etwas, das du mit dem Film transportieren willst?

    Ron Howard: Der Film wird auf jeden Fall diese Frage stellen, allerdings ohne sie zu beantworten. Denn ich glaube, sie kann gar nicht beantwortet werden. Es ist interessant, Figuren mit dem Intellekt von Langdon oder Zobrist dabei zuzusehen, wie sie ihr Genie auf eine Problemstellung anwenden – und dabei zu völlig verschiedenen Ergebnissen und Lösungsmöglichkeiten kommen.

    FILMSTARTS: Wird der Film nah am Roman bleiben?

    Ron Howard: Ja. Zur selben Zeit wird es aber auch einige Veränderungen geben, es werden zum Beispiel verschiedene Figuren im Film zu einer zusammengelegt – eben die Dinge, die man machen muss, um die Handlung eines Romans für eine Verfilmung zu fokussieren. Allerdings ist das einfach für mich zu sagen, schließlich bin es nicht ich, in dessen Büchern herummanövriert wird.

    FILMSTARTS: Dan, hast du jemals das Gefühl, du müsstest das Buch gegenüber den Filmemachern verteidigen?

    Dan Bown: Nein. Ich hatte einfach das Glück, mit den Besten ihres Fachs zusammenzuarbeiten. Ich konnte das Buch einfach übergeben und mir trotzdem sicher sein, dass alle weiteren Entscheidungen von sehr talentierten Menschen getroffen werden, die zudem Fans der Bücher sind. So ist es mir leichtgefallen loszulassen – und auch hier am Set fühle ich mich jetzt mehr wie ein Beobachter und nicht wie ein Babysitter.

    FILMSTARTS: Gilt das auch für die Entscheidung, den Langdon-Roman „Das verlorene Symbol“ zu überspringen und direkt „Inferno“ zu verfilmen?

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    Dan Brown: Es war kein Problem, denn auch ich habe verstanden, dass „Inferno“ ein cineastischerer, internationalerer Film werden würde. Washington DC ist ein großartiger Schauplatz – aber es ist eben nur EIN Schauplatz, während dieser Film nun in den Städten Florenz, Venedig und Istanbul spielt. Ich glaube, wir werden später noch einmal zu „Das verlorene Symbol“ zurückkehren, aber ich habe die Entscheidung verstanden.

    FILMSTARTS: Wie hat sich die Reihe über die drei Filme hinweg verändert?

    Ron Howard: Jeder der drei Romane verlangt eine andere Herangehensweise. „The Da Vinci Code - Sakrileg“ ist ein klassischer Hollywoodfilm, „Illuminati“ eher ein Actionfilm und „Inferno“ wird nun ein emotionaler psychologischer Thriller.

    FILMSTARTS: Ron, du arbeitest schon seit „Splash: Die Jungfrau am Haken“ immer wieder mit Tom Hanks zusammen – habt ihr inzwischen schon eure eigene Sprache entwickelt?

    Ron Howard: Ich denke ja. Das ist für andere Leute gar nicht immer so einfach. Manchmal reden Tom und ich über alte Zeiten – und wenn ich dann die arme Felicity Jones sehe, denke ich, dass es für sie sein muss, als würden wir eine Fremdsprache sprechen. Tom und ich bleiben immer im Kontakt, sind befreundet – aber wir sind auch beide sehr beschäftigt. Die gemeinsamen Dreharbeiten sind deshalb die einzige Zeit, in der ich wirklich seine Gesellschaft genießen kann.

    FILMSTARTS: Florenz hatte schon immer viele Touristen – trotzdem hat die Stadt durch dein Buch noch einmal einen extra Schub erhalten. Dan, erhältst du viele Einladungen von Toruismus-Beauftragten, die gerne möchten, dass ihre Stadt in deinem nächsten Roman auftaucht?

    Dan Brown: Ich besitze wunderschöne Bildbände aus allen Ländern dieser Welt, die mir mit der Bitte geschickt wurden, dass ich sie besuchen kommen soll. Ich habe vergangenes Jahr eine Pressekonferenz gegeben, bei der aus irgendeinem Grund kaum Fragen gestellt wurden – aber schließlich ging dann doch die Hand einer Frau hoch, die mich fragte: „Wann kommen sie nach China?“ Ich antworte: „Ich weiß es noch nicht, aber wahrscheinlich bald.“ Sie stellte die Frage dann nicht nur noch ein weiteres Mal, sondern sogar insgesamt drei Mal: „Wann kommen sie?“ Nun muss ich nächstes Jahr unbedingt nach China.

    FILMSTARTS: Wie sehr hilft es, hier in Florenz an Originalschauplätzen drehen zu können?

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    Ron Howard: Es wirkt sich definitiv auf die Performances aus – die Schauspieler erwachen an diesen realen Orten richtig zum Leben. Aber es inspiriert auch den Rest von uns: Hier kann sich unser Kameramann Salvatore Totino ganz darauf konzentrieren, die Essenz eines Ortes einzufangen – während es an einem künstlichen Set vor allem darum ginge, die Schauplätze möglichst naturgetreu nachzubauen. „Inferno“ ist noch schnell als die ersten beiden Filme – wir schwelgen also nicht an den Orten. Trotzdem wollen wir dem Publikum ein reales Gefühl davon vermitteln, was es bedeutet, mit Robert Langdon ein Abenteuer zu erleben.

    FILMSTARTS: Dan, deine Langdon-Bücher haben große Kontroversen ausgelöst – wie hat sich das auf deine Art zu schreiben ausgewirkt?

    Dan Brown: Es motiviert mich! „Kontroverse“ ist nur ein aufgeladenes Wort für „Debatte“ – zwei Menschen haben eine unterschiedliche Meinung. Aber das ist der Kern von Bildung – man lernt durch Debatten und Diskussionen. Wenn meine Bücher Kontroversen über Maria Magdalena und Jesus oder über Antimaterie auslösen, dann finde ich das toll, denn wenigstens sprechen die Leute über wichtige Themen. Ich schreibe die Geschichten so, wie ich sie sehe – und das Jesus mit Maria Magdalena verheiratet war, ergibt für mich nach all meinen Recherchen nun einmal mehr Sinn als die Version, die ich in der Sonntagsschule gelernt habe. Aber es bleibt ein Roman – wenn also jemand „The Da Vinci Code“ liest und daraufhin sein gesamter christlicher Glauben in seinen Grundfesten erschüttert wird, dann sollte er sich anschauen, ob es mit seinem Glauben überhaupt so weit her gewesen sein kann, wenn ein bloßer Thriller zu so etwas in der Lage ist.

    Inferno“ startet am 13. Oktober 2016 in den deutschen Kinos!

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