Bevor Uwe Bolls cineastische Aufklärung zur deutschen Geschichte über die Leinwand flimmert, besteht ganz und gar unhistorischer Klärungsbedarf: Der Filmemacher will Berlinale-Direktor Dieter Kosslick verklagen. Nicht aber, weil "Auschwitz" draußen bleiben musste. Nein, Boll will dubiose Klüngelwirtschaften hinter den Festivalkulissen offenlegen. Die Berlinale berechnet eine Bearbeitungsgebühr von 125 Euro für jeden eingesendeten Film, unabhängig davon, ob er im Programm landet. "Ich wette, dass die Coen-Brüder für "True Grit" nicht zahlen mussten, obwohl die Festivalregeln das explizit vorsehen," so Boll.
Prestigeträchtige Filmemacher würden hofiert, während Kosslick sich von besagten Einnahmen Privatjet-Touren leiste. Dies sei unverantwortbar gegenüber Filmemachern, die sich ihre Budgets vom Mund absparten. Ein persönlich adressierter Brief an Kosslick war zuvor wirkungslos verpufft, nun also soll es vor Gericht weitergehen: "Die Luft für die Berlinale wird ganz, ganz dünn!"
Die beiden Männer verbindet eine lange Streitgeschichte, die laut Boll mit seinem Debutfilm "German Fried Movie" von 1991 begann. Filmfördergelder blieben ihm damals versagt - ein Umstand, den er harsch kommentierte. Der bis zur Übernahme der Berlinale als Geschäftsführer der Filmstiftung NRW tätige Kosslick war ebenfalls vor Ort. Seitdem sei der schlichtweg beleidigt gewesen und hätte kein gutes Haar mehr an Boll und seiner Arbeit gelassen: "Manche Leute machen eben, was sie wollen. Mubarak. Oder Dieter Kosslick" - ein Vergleich, der für joviale Stimmung im Babylon-Publikum sorgt.
"Rund 30 deutsche Produzenten verfügen über Filmfördergelder - Steuergelder - und sind darüber zu Millionären geworden, während auf mich seit 15 Jahren eingedroschen wird," konstatiert Boll. "Im Gegensatz zu denen kaufe ich mir aber keinen Ferrari, sondern finanziere einen Film wider das Vergessen." Auf die höflich formulierte, wohl aber bissige Frage, ob Boll nicht doch lieber zu dieser Elite gehören würde, statt gegen sie zu klagen, feilt der selbsternannte Underdog weiter an seinem Image: "Da werde ich nie dazugehören. Aber ich habe viel geleistet und internationale Filmerfolge mit echten Stars produziert - dafür verdiene ich Anerkennung."
Und außerhalb von Deutschland bekäme er die auch. So hätte die israelische Presse etwa äußerst skeptisch darauf reagiert, dass ein Film über Auschwitz vom wichtigsten deutschen Filmfestival abgelehnt wurde. Ob die israelischen Journalisten den Film gesehen haben, darf derweil bezweifelt werden. Das Signalwort "Auschwitz" ist in diesem Fall Politikum genug, ganz abseits von der Personalie Boll oder der Qualität des Films.
Die juristische Offensive und Bolls ruppige Abrechnung mit der deutschen Filmlandschaft amüsieren, stoßen aber auch auf ehrliches Interesse beim Publikum im Babylon - vom vielbeschworenen Boll-Bashing keine Spur. Und dann läuft "Auschwitz". Gleich mit der ersten Reaktion auf Bolls Kino-Pädagogik - "Meinen Sie das alles wirklich ernst?" - fliegen die Fetzen. Boll versus Publikum; mit kurzer Verzögerung dann auch Publikum versus Publikum.
Der Doktor findet sich in einer allzu vertrauten Position wieder und feuert zurück - selbst auf wohlwollende Kritiker, die bloß Verständnisfragen stellen. Tatsächlich folgt auch Lob, doch just in diesem Augenblick tuschelt Boll mit einem ebenfalls angereisten "Auschwitz"-Darsteller, scheinbar ohne sich sonderlich um die zuvor so vehement eingeforderte Anerkennung zu scheren. Kein schöner Abend für Uwe Boll. Und dank "Auschwitz" auch für uns nicht. Warum? Lest die ausführliche FILMSTARTS-Kritik! So viel vorneweg: The road to hell is paved with good intentions.