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    Ich liebe die originale "Avatar"-Serie, aber sie hat ein großes Problem – macht es die Netflix-Serie nun besser?
    Stefan Geisler
    Stefan Geisler
    -Redakteur
    An die Filme vom Studio Ghibli hat Stefan sein Herz verloren und "Prinzessin Mononoke" gehört zu seinen absoluten Lieblingsfilmen. Doch auch Anime-Serien wie "Attack on Titan", "One Punch Man" oder "Haikyu!!" haben es ihm angetan.

    „Avatar – Der Herr der Elemente“ ist für mich eine schöne Jugend-Erinnerung. Doch schon beim ersten Schauen hat mich eine Sache gestört: Die Welt wirkt viel zu klein und die Protagonisten überwinden selbst riesige Strecken in einem Wimpernschlag.

    Netflix

    Am 22. Februar 2024 ist die Live-Action-Adaption von „Avatar – Der Herr der Elemente“ auf Netflix gestartet. Im Vorfeld habe ich mir die Originalserie noch einmal angeschaut, um meine Erinnerungen aufzufrischen. Dabei hat mir eine Sache Kopfschmerzen bereitet, über die ich bereits während meiner Jugend gestolpert bin, als ich die Serie im linearen TV auf Nickelodeon geschaut habe.

    Damit wir uns nicht falsch verstehen: „Avatar – Der Herr der Elemente“ ist eine wirklich fantastische Kinder- und Jugendserie, die zeigt, dass man auch einem jüngeren Publikum bereits komplexe Handlungen und vielschichtige Figuren zumuten kann. Die Animationsserie beweist ein sehr gutes Gespür für charakterliche Grautöne. Denn die wenigsten Figuren sind durchweg gut oder böse, und selbst dem Avatar, dem eigentlichen Heilsbringer und der absoluten Lichtgestalt der Serie, dürfen durchaus mal moralische Fehltritte passieren – schließlich ist auch er erst ein Held in Ausbildung.

    Der Aufbau der Welt und die erzählte Zeit stimmen nicht

    Nein, was mich bereits bei der ersten Sichtung der Serie damals im TV gestört hat, ist die Erzählzeit, und damit eng verbunden auch der räumliche Aufbau der Welt. Gerade in der ersten Staffel scheinen die Macher leider keine genaue Vorstellung von den Entfernungen der einzelnen Orte zu besitzen und bekommen diese dementsprechend auch nicht an die Zuschauer*innen vermittelt. Aang und seine Freund*innen fliehen zwar immer wieder kreuz und quer über die Weltkarte – doch egal wohin sie fliehen, Prinz Zuko scheint nur Minuten später Wind von der Sache bekommen zu haben und landet mit seinem Kahn an den Ufern der entsprechenden Küste.

    Überdeutlich wird das in der Folge „Die Kriegerinnen von Kyoshi“: In einer Montage wird hier gezeigt, wie die Nachricht von der Ankunft des Avatars in Kyoshi von Station zu Station wandert: Von einem kleinen Mädchen zu einem Fischer, vom Fischer zum Marktverkäufer, von diesem zu einem Besatzungsmitglied von Zukos Schiff und dann letztendlich zum Exil-Prinzen. Man hätte annehmen können, dass diese mündliche Überlieferung der Nachricht doch viele Stunden, vielleicht sogar einige Tage in Anspruch nehmen würde, doch noch am Abend der Ankunft des Avatars landen die Truppen der Feuernation auf der Insel, um den Avatar gewaltsam zu stellen.

    So kommt in dieser Serie nie ein Gespür für die angebliche Größe dieser Welt zustande. Alle Figuren scheinen stets nur einen Steinwurf voneinander entfernt zu verweilen und haben die Möglichkeit, innerhalb weniger Stunden durch die halbe Welt zu reisen. Und das gleiche gilt auch für die erzählte Zeit.

    Zu viel Entwicklung in zu wenig Zeit

    Bleiben wir der Einfachheit halber bei der Episode „Die Kriegerinnen von Kyoshi“ - auch weil diese bei vielen Fans hoch im Kurs steht. Hier wird Maulaffe Sokka dazu gezwungen, mit einigen seiner schrecklich rückständigen Geschlechter-Klischees aufzuräumen. Er muss nicht nur lernen, dass auch Mädchen Kriegerinnen sein können, sondern wird auch damit konfrontiert, dass jemand vom in seinen Augen so schwachen Geschlecht seine Prahlereien auffliegen lässt und ihm im kämpferischen Können überlegen ist.

    Eine schöne und nachvollziehbare Lektion für die jungen Zuschauer*innen. Im Anschluss bittet Sokka sogar Suki darum, in den Lehren der uralten Kampfkunst des Avatars Kyoshi unterrichtet zu werden. Gleichzeitig scheint sich auch eine Romanze zwischen Sokka und Suki anzubahnen.

    Puh. Ganz schön viel Handlung für einen Nachmittag. Und am Ende dieses ereignisreichen Tages soll der ehemals großmäulige Krieger doch tatsächlich so viel aus dem Kurz-Training mitgenommen haben, dass er das Gelernte auch noch erfolgreich im Kampf gegen die Feuernation anwendet? Das ist so kaum vorstellbar. Suki sollte Trainingsvideos unter dem Titel „Vom Schlaffi zum Kampfsport-Ass – und das in nur ein paar Stunden“ herausbringen.

    Stellenweise wirkt „Avatar – Der Herr der Elemente“ in der Erzählweise einfach sehr gehetzt. Und das schmälert indirekt sogar den Wert einzelner Folgen für die Entwicklungsbögen der Figuren. Sokkas Entwicklung vom misogynen Klotzkopf hin zu einem aufgeschlossenen Individuum, das bereit ist, sich von einer Frau in einer alten Kampfkunst unterrichten zu lassen, hätte es gut getan, wenn die Protagonisten zumindest zwei bis drei Tage auf der Insel verbracht hätten.

    Kann die Netflix-Serie dieses Problem lösen?

    Natürlich hatte ich die Hoffnung, dass die Netflix-Serie vielleicht einige dieser Probleme angehen würde – und tatsächlich tut sie das, wenn auch nur indirekt. Dadurch, dass in der Live-Action-Umsetzung mehrere Erzählungen zu einer zusammengefasst werden, gibt es nicht dieses stetige Katz-und-Maus-Spiel mit Zuko und seinen Mannen, und wir verbringen so mehr Zeit mit den Figuren an einem Ort.

    Bedauerlicherweise ist gerade die Episode „Krieger“, die auf der bereits genannten Zeichentrickfolge „Die Kriegerinnen von Kyoshi“ basiert, jene Folge, in welcher die beschriebenen Probleme wieder am deutlichsten hervorstechen, denn auch hier läuft die Handlung im Eiltempo ab.

    Natürlich macht die Live-Action-Serie trotzdem eine Menge richtig. Und auch die Zeichentrick-Version „Avatar – Der Herr der Elemente“ gehört nach wie vor zu den besten Produktionen für ein jüngeres Publikum der letzten 20 Jahre. Dem können selbst kleine Unebenheiten im erzählten Raum und der verstrichenen Zeit nichts anhaben.

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