Es ist bei Filmprojekten mit bekannten Markennamen durchaus nicht unüblich, dass die Pläne der Studios bei den Fans der Vorlagen oder Vorgänger auf Skepsis und Ablehnung stoßen. Selten aber nehmen die Aufgeregtheiten ein solches Ausmaß an wie bei Paul Feigs „Ghostbusters“-Reboot. Schon bald nachdem Ivan Reitman dem Original 1989 mit der Fortsetzung „Ghostbusters 2“ einen weiteren Hit hatte folgen lassen, begannen die Spekulationen über eine erneute Rückkehr von Bill Murray, Dan Aykroyd und Co., doch nach einem stattlichen Vierteljahrhundert Geisterjägerkinopause entschied man sich für einen Neustart mit weiblichen Protagonisten – und löste eine ungeahnte Welle von Empörung und Protesten aus. Viele der virtuellen Wutausbrüche waren von vornherein kaum nachvollziehbar und das sind sie angesichts des fertigen Films erst recht, denn der Regisseur ist klar erkennbar selbst einer der größten Fans des Originals und übertreibt es mit seinen Hommagen und Verbeugungen sogar ein bisschen. Das hemmt das sympathische neue Ghostbusters-Team zuweilen etwas, aber dennoch bietet die recht lange und gegen Ende zunehmend effektlastige Geisterkomödie amüsante Blockbuster-Unterhaltung.
Die Physikerin Erin Gilbert (Kristen Wiig) steht kurz vor einer Festanstellung an der New Yorker Columbia-Universität, als eine Jugendsünde von ihr im Internetversandhandel auftaucht und ihre Berufung gefährdet: ein Buch über das Paranormale, das sie Jahre zuvor mit ihrer Freundin Abby Yates (Melissa McCarthy) geschrieben hat. Die Professorin in spe fürchtet um ihre fachliche Reputation und stellt ihre Ex-Partnerin zur Rede. Die wiederum will das Buch nur zurückziehen, wenn Erin ihr hilft, einer Geistererscheinung auf den Grund zu gehen. Sie machen sich gemeinsam mit der Ingenieurin Jillian Holtzmann (Kate McKinnon) auf den Weg zu einem Herrenhaus des 19. Jahrhunderts – und dort wird Erin tatsächlich von einem Geist vollgeschleimt. Nun gibt es kein Zurück mehr: Die Ghostbusters machen Furore und neue Aufträge folgen. Und mit der U-Bahn-Angestellten Patty Tolan (Leslie Jones) und dem tumben Assistenten Kevin (Chris Hemsworth) bekommen die Geisterjägerinnen schon bald weitere Verstärkung …
„Ghostbusters – Die Geisterjäger“ von 1984 ist ein Kultklassiker des blühenden Blödsinns – garniert mit grünem Geisterschleim. Besondere Höhepunkte waren dabei die fantasievollen, absolut ernsthaft vorgetragenen Dialoggirlanden pseudowissenschaftlichen Nonsens‘, die jeder noch so abstrusen Geistererscheinung eine scheinbar rationale Erklärung gaben. Diese unwiderstehliche innere Plausibilität streben auch Paul Feig und seine Co-Autorin Katie Dippold an, die bereits „Taffe Mädels“ gemeinsam schrieben, und sie sind dabei recht erfolgreich. Mit dem von Fremdwörtern und Technik-Slang durchzogenen Kauderwelsch kommen auch Melissa McCarthy, Kristen Wiig und Kate McKinnon bestens zurecht, davon hätte es ruhig noch etwas mehr geben dürfen. Überzeugend ist auch die nerdige Detailversessenheit der Gimmicks – von der Ausrüstung und den Waffen bis zum Ghostbusters-Mobil – in die Gegenwart übertragen worden. Für viel Vergnügen sorgt außerdem einmal mehr der Einfallsreichtum, der in die Gestaltung der Geister geflossen ist.
Dem legendären Marshmallow-Mann von vor 30 Jahren folgen nun ähnlich knuffige Ballongeister. Dass sie mittlerweile aus dem Computer stammen, tut ihrer Wirkung keinen Abbruch, allerdings ist die schiere Masse an Effekten speziell im Showdown am in die 1970er Jahre zurückversetzten Times Square zuviel des Guten. Die in Massachussetts gedrehte Sequenz ist zwar visuell beeindruckend, aber auch überlang. Humor und Handlung geraten nicht nur hier gegenüber den reinen, zuweilen selbstzweckhaften Schauwerten ins Hintertreffen: Das unnötig hohe Budget von 144 Millionen Dollar ist diesen „Ghostbusters“ deutlich anzusehen, nicht immer gelingt Regisseur Paul Feig dabei eine so überzeugende Balance zwischen Spaß und Spektakel wie bei der Geisterjagd auf einem Heavy-Metal-Konzert. Und alle Effekte der Welt können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bösewicht Neil Casey (Rowan North) uninspiriert ist.
Abgesehen von dem blassen Schurken legen die meisten anderen Nebenfiguren solide Auftritte hin, ohne für Denkwürdiges zu sorgen – am auffälligsten ist noch Andy Garcia („Der Pate 3“) als verpeilter Bürgermeister, auch wenn die ständige Vertuschung der übernatürlichen Gefahren (Terrorgefahr löst weniger Panik aus…) ein bisschen aus dem ansonsten betont realitätsfernen Rahmen fällt. Vollends enttäuschend geraten dagegen zumindest zwei der mit Spannung erwarteten Gastauftritte der ursprünglichen Ghostbusters – das Wiedersehen mit Bill Murray („Lost In Translation“) lässt sich bestenfalls in der Kategorie „seltsam“ verbuchen, während bei Dan Aykroyd („Blues Brothers“) und Ernie Hudson („Oz“) der Unterschied zwischen einer lustlosen und einer charmanten Stippvisite studiert werden kann. Ein weiterer Überraschungsgast befindet dagegen (nach dem Abspann!) passenderweise: „Warnhinweise sind für Weicheier“.
Aufs Ganze gehen auf alle Fälle die vier neuen Hauptdarstellerinnen, wobei es angenehmerweise kaum eine Rolle spielt, dass es sich nun um Frauen handelt. Melissa McCarthy („The Boss“) sprüht wie immer vor Energie und ist so etwas wie die natürliche Anführerin des Teams – als Abby vereint sie Besessenheit (die sich auch schon einmal auf die Wantan-Suppe richten kann) mit Beharrlichkeit. Und sie ist damit die ideale Ergänzung zu Kristen Wiigs („The Martian“) leicht neurotischer Erin, die endlich ernstgenommen werden wollte und daher vorübergehend zur seriösen Physikerin geworden ist (unschwer ist in einer Montagesequenz, in der die Geisterjägerinnen lächerlich gemacht werden, auch ein Kommentar zu den negativen Vorabreaktionen auf den Film zu erkennen). Zu der Ungezügelten und der leicht Verklemmten gesellt sich mit Kate McKinnons Technikfreak Jillian eine wahrhaft originelle und ein wenig gewöhnungsbedürftige Figur.
Die gerade erst mit einer weiteren Emmy-Nominierung für ihre Promi-Imitationen in „Saturday Night Live“ geehrte McKinnon scheint zu agieren, wie es ihr gerade in den Sinn kommt. Sie nimmt auch schon mal vollkommen den Schwung aus einer Szene, denn Jillian lebt in ihrer eigenen Welt. Erst ganz am Ende zeigt sie in einer kleinen Ansprache ihre Gefühle – wenn dies nicht ganz die offensichtlich erhoffte emotionale Wirkung hat, liegt das nicht an der Darstellerin, sondern daran, dass es hier dann doch zu viel Geisterbrimborium gibt. Leslie Jones (eine weiteres Mitglied der „SNL“-Besetzung) als Vierte im Bunde hat dagegen kaum Profil und scheint in erster Linie zum Sprücheklopfen da zu sein. Das ist bisweilen zwar auch ganz witzig, aber trotzdem noch weit von Paul Feigs besten Frauenpower-Komödien „Brautalarm“ und „Spy – Susan Cooper undercover“ entfernt.
Der lustigste Moment und die beste Nicht-„Ghostbusters“-Hommage des Films ist ein irrwitziger Frauendialog über Patrick Swayze („Er sitzt beim Töpfern hinter dir“), aber am Ende stiehlt ein Superheld allen die Schau – Clark-Kent-Witz inklusive: „Thor“ Chris Hemsworth („Rush“, „Im Herzen der See“) zeigt als unbedarfte und leicht begriffsstutzige Hilfskraft nicht nur seine Muskeln, sondern vor allem sein großartiges komisches Talent. Wie er auf die Frage, warum in seiner Brille keine Gläser seien, ohne sich das Geringste anmerken zu lassen, antwortet, dass die immer so schnell schmutzig würden, ist ein kleines Meisterstück. Kein Augenzwinkern, keine Ironie – was er tut und sagt, ist für ihn das Normalste von der Welt – sei es auch noch so merkwürdig. Und das erinnert wiederum ein wenig an die absurde Ernsthaftigkeit von Bill Murray und Co., die den ersten „Ghostbusters“-Film so komisch machte.
Fazit: Die neuen weiblichen „Ghostbusters“ ziehen sich achtbar aus der Affäre, aber für etwaige Fortsetzungen bleibt noch einige Luft nach oben.