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    Darfur
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Darfur
    Von Carsten Baumgardt

    Er selbst fühlt sich chronisch missverstanden. Warum seine selbsternannten Meisterwerke von der Kritik nicht goutiert werden, ist für Regisseur, Autor und Produzent Uwe Boll nicht nachzuvollziehen. Schließlich könne, so O-Ton Boll, niemand Action so großartig inszenieren wie er. Aber das System habe sich ohnehin gegen ihn verschworen. Über weite Strecken seiner Karriere widmete sich der Filmemacher vornehmlich anspruchsbefreiten Horrorfilmen oder Videospiel-Adaptionen. Deshalb ist es nun umso erstaunlicher, dass Boll seit einiger Zeit mit „Tunnel Rats", „Siegburg" und „Darfur" wieder ambitioniertere Wege bestreitet. Und Überraschung: Nachdem „Tunnel Rats" und „Siegburg" in typischer Boll-Manier komplett den Bach runtergingen, entpuppt sich das rüde Völkermord-Drama „Darfur" nun als sein bisher bester Film. Das Engagement für ein wichtiges Thema nimmt man Boll ab. Sein Drama ist so radikal, brutal und aufwühlend, wie es sich ein etablierter Regisseur wohl kaum trauen würde. Leider steht sich Boll am Ende aber selbst im Weg, weil dem Regisseur inszenatorisch zwar mehr gelingt als sonst, ihm das wüste Handkameragewackel aber trotzdem aus dem Ruder läuft.

    2009 reist eine Abordnung von sechs englischsprachigen Journalisten (Kristanna Loken, Edward Furlong, David O'Hara, Billy Zane, Noah Danby, Matt Frewer) unter dem Schutz von Soldaten der Afrikanischen Union in das Krisengebiet Darfur, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Als die Gruppe in einem Dorf stoppt, berichten die Bewohner von verheerenden Zuständen. Nach ihrer Abreise sehen die Journalisten eine Kampfeinheit von Janjaweed in Jeeps und auf Pferden auf die Siedlung zukommen. Die Auslöschung des Dorfes scheint unabwendbar. Dennoch entschließen sich die Journalisten zur Rückkehr, um die Angreifer mit ihrer Präsenz davon abzuhalten, das Dorf dem Erdboden gleich zu machen...

    Die Vereinten Nationen bezeichnen es als eine der „schlimmsten humanitären Katastrophen der Welt". Der seit 2003 andauernde bewaffnete Konflikt in der sudanesischen Darfur-Region forderte bisher mehr als 200.000 Todesopfer. 2,5 Millionen Menschen wurden vertrieben. Die arabischen Milizen (Janjaweed) ziehen raubend, mordend und vergewaltigend mit dem Ziel durchs Land, den schwarzafrikanischen Teil der Bevölkerung auszulöschen. Trotz der Intervention der UN und der Afrikanischen Union spielt der Konflikt, den der US-amerikanische Kongress 2004 als Völkermord klassifizierte, in der medialen Öffentlichkeit nur eine geringe Rolle. Während Hollywood-Prominenz wie George Clooney oder Mia Farrow sich auf die Fahnen geschrieben hat, mittels ihrer Medien-Präsenz die Weltöffentlichkeit aufzurütteln und sich außerdem bereits Dokumentationen wie „Darfur Now" oder „Die Todesreiter von Darfur" mit der Thematik befassten, ist es nun ausgerechnet Schundfilmer Uwe Boll, der ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten will.

    „Wo ist der Moment, an dem man nicht mehr weggucken kann", fragt Boll bei der Berliner Pressevorführung von „Darfur" demonstrativ in die Runde. Er zwingt sein Publikum hinzusehen. Ohne Gnade. Ohne Rücksicht. Mit unerbittlicher Härte. Liegt sonst oft der Verdacht nahe, Boll weide sich an der Brutalität seiner Filme, ist diese Radikalität im Fall von „Darfur" angebracht, um die Ernsthaftigkeit und das Ausmaß des Leids zu dokumentieren. Da werden Frauen vor laufender Kamera vergewaltigt, Menschen mit Macheten zerhackt, ein Baby gepfählt und Aktivisten verbrannt. Das ist nichts für schwache Mägen, aber gerade darum geht es Boll ja auch. Die Leute sollen hinsehen und dieses Desaster aus Mord und Totschlag endlich aktiv zur Kenntnis nehmen. Für den Cast verpflichtete Boll auch rund 100 sudanesische Flüchtlinge, um die Nachhaltigkeit seines Anliegens zu verstärken. Dem gegenüber steht ein ebenso kontraproduktiver wie schwülstiger Ethnoscore, wie er eben zu Afrika-Filmen gehört, auf den man hier aber besser verzichtet hätte.

    Die Dialoge sind improvisiert. Boll gab seinen Darstellern ihre Rollenbeschreibungen an die Hand und ließ sie ihre Zeilen spontan aus dem Zusammenhang selbst entwickeln. Wo dieser Ansatz im Vietnamkriegs-Drama „Tunnel Rats" noch kolossal in die Hose ging, weil die unerfahrenen Schauspieler nur Schwachsinn faselten, den sie in anderen Kriegsfilmen aufgeschnappt haben, funktioniert das Konzept diesmal erstaunlich gut. Das liegt auch daran, dass Boll bei „Darfur" einige richtig gute Schauspieler zur Verfügung standen, die zwar auch keine hochgeistigen Dialoge auf die Leinwand zaubern, aber zumindest ausreichende Präsenz beisteuern.

    Den besten Eindruck hinterlässt der Schotte David O'Hara („Doomsday", „Wanted"), der auch schon in dem thematisch ähnlich gelagerten „Hotel Ruanda" glänzte. Eine gewisse Naivität ist dem Journalistentross zwar nicht abzusprechen und ein wenig ungelenk wirken ihre Aktionen zuweilen auch, aber gerade diese Unebenheiten steigern die Authentizität sogar noch. Seltsam fällt dagegen der Auftritt von Edward Furlong aus. Der John Connor aus „Terminator 2" machte das ganze Ex-Kinderstar-Programm durch: Alkohol, Drogen, Verhaftungen, häusliche Gewalt. Laut Boll war Furlong in der ersten Szene, einem Saufgelage, tatsächlich sturzbesoffen. Und so wirkt der Amerikaner auch im weiteren Verlauf entweder betrunken oder dauerverkatert. Das hat zwar einen gewissen zynischen Unterhaltungswert, steigert aber nicht unbedingt seine Glaubwürdigkeit als internationaler Top-Fotograf. Meist irrt Furlong geradezu durch die Szenerie. Mit Kristanna Loken („Terminator 3 ", „BloodRayne") ist außerdem noch ein famoser Blickfang mit an Bord.

    Auf eine stringente Dramaturgie verzichtet „Darfur" bewusst. Vielmehr ist der Film ein klitzekleiner Ausschnitt, anhand dessen das komplexe Thema an diesem Beispiel aufgearbeitet werden soll. Ein Vorwissen über die Abläufe in Darfur ist von Vorteil, um Zusammenhänge besser einordnen zu können. Alles dreht sich um den Angriff auf das Dorf und wie die Journalisten mit der Situation umgehen. Inszenatorisch verfällt „Darfur" in zwei Abschnitte. Die ruhigen Szenen sind in einem beinahe schon minimalistischen Arthousestil gedreht und oft überzeugend, während die Actioneinlagen zwar markig daherkommen, aber leider in der typischen Boll'schen Inszenierungssoße untergehen, was den Film merklich nach unten zieht. Für seine Handkamera sollte Bolls Hauskameramann Mathias Neumann eigentlich einen Waffenschein beantragen. Zu wüst ist das Geschwenke, das keinerlei Konzept (wie zum Beispiel bei dem ebenso gefürchteten Handkamera-Fetischisten Paul Greengrass) erkennen lässt. Ein gerüttelt Maß an schnellen Schnitten fördert sicherlich bei versiertem Einsatz die Authentizität, aber im Fall von „Darfur" rauben sie dem Publikum jegliche Übersicht und oft den Nerv. Natürlich versucht Boll so auch seine handwerklichen Mängel zu kaschieren, schießt dabei aber deutlich übers Ziel hinaus und mindert letzten Endes die Qualität seines ambitionierten Dramas deutlich.

    Fazit: Es geschehen offensichtlich doch noch Zeichen und Wunder. „Darfur" ist kein schlechter Film. Und das ist für Uwe Boll ja schon mal ein gewaltiger Schritt nach vorne. Erstmals überhaupt schafft es der Regisseur, mit einem seiner Werke tatsächlich emotional aufzuwühlen. Auch bei „Darfur" sind die handwerklichen Limitierungen des Regisseurs nicht zu übersehen, aber seine ganze Stärke nehmen diese Holprigkeiten dem Film nicht.

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