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    Rogue - Im falschen Revier
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Rogue - Im falschen Revier
    Von Björn Helbig

    Wer hätte gedacht, dass es tatsächlich mal einen ernstzunehmenden Film über ein Killerkrokodil geben würde? Der Australier Greg McLean, der 2005 mit seinem beinharten Terrorfilm Wolf Creek auf sich aufmerksam machte, gelingt das Unerwartete: Sein stimmungsvoller Tierhorrorfilm „Rogue“ platziert sich in einem Genre, das trotz zahlreicher Beiträge bisher nur wenig qualitativ Hochwertiges hervorbringen konnte, ganz weit vorne. Sein Geheimnis: Er macht nicht alles anders, aber vieles besser.

    Der amerikanische Reisereporter Pete McKell (etwas blass: Michael Vartan) unternimmt eine Bootsfahrt durch die Gewässer des Kakadu Nationalparks. Mit einer wild zusammengewürfelten Gruppe aus australischen und amerikanischen Touristen bekommt er die Gelegenheit, die atemberaubende Pracht des nördlichen Territoriums Australiens zu bestaunen. Eine Gelegenheit, auf die der abgeklärte Journalist gerne verzichtet hätte. Denn nach der anfänglichen Langeweile, der ein kleiner Zwischenfall mit einem Einheimischen (nutzt seine wenigen Szenen gut: Sam Worthington) folgt, glauben die Reisenden plötzlich, ein Notsignal gesehen zu haben. Die Bootsführerin Kate (überzeugend: Radha Mitchell) entschließt sich, dem Signal nachzugehen und in unbekanntes Gewässer vorzudringen. Ein schwerer Fehler! Denn so gerät die Tourigruppe in das Revier eines schlechtgelaunten Riesenkrokodils…

    Spätestens mit Steven Spielbergs Der weiße Hai wurde das Tierhorror-Genre 1975 populär. Heute gibt es kaum ein Tier, das noch nicht herhalten musste, Angst und Schrecken zu verbreiten. Zu Lande setzten dem Menschen Affen („Link, der Butler“), Ameisen („Hotel des Todes“), Spinnen („Arachnophobia“), Schnecken („Slugs“) und Bären („Grizzly“) zu, aus der Luft bedrohten ihn Bienen („Angriff der Killerbienen“), Fledermäuse („Bats“), Vögel (Die Vögel), im Wasser lauerten Schlangen („Anaconda“), Fische („Piranha“) und Kraken („Beast – Schrecken aus der Tiefe“). Wenn die Gewässer flacher werden, sind vor allem Krokodile und Alligatoren beliebte Manhunter. Zu den besseren Filmen dieser Untergruppe des Tierhorrorfilms gehören „Alligator“, Black Water und auch Die Fährte des Grauens. Gut ist hier allerdings relativ zu sehen. Auch wenn die Filme innerhalb des Genres ihre Daseinsberechtigung haben, spielen sie außerhalb kaum eine Rolle.

    Umso verwunderlicher ist es, dass Greg McLeans Wahl gerade darauf gefallen ist, einen Film über ein Killerkrokodil zu machen. 2005 hat der junge Regisseur mit Wolf Creek gezeigt, dass er ein besonderes Gespür für die Mentalitäten der abseits der großen Städte lebenden Bewohner seines Heimatkontinentes hat. Auch wenn Kritikerpapst Roger Ebert dem Film rein gar nichts abgewinnen konnte und ihn kurzerhand mit null Punkten abstrafte, erlangte er bei seinen Fans doch Kultstatus. Vor allem die grimmige Härte sowie eine ausführliche Charakterzeichnung hoben den Film von anderen Genrebeiträgen ab. Bei seinem neuen Film zeigt McLean ein weiteres Mal einen besonderen Blick für seine Heimat. Vielleicht erklärt sich McLeans Wahl aus dem Umstand, dass ihm ein in Australien spielender Krokodilfilm ein weiteres Mal die Möglichkeit gibt, sein Heimatland von einer dunklen Seite zu zeigen.

    So wirkt „Rogue“ in den ersten Minuten auch fast wie eine von unheilvollen Didgeridoo-Klängen untermalte Naturdokumentation, deren stimmungsvolle Kamerafahrten die Schönheit der australischen Natur zeigen, bis dann das Krokodil zum ersten Mal Zähne zeigt. Der Kontinent beißt! Diese Weisheit wird dem Zuschauer nicht ohne ein gut dosiertes Quäntchen Ironie vermittelt. Außerdem flechtet McLean gleich von Beginn an einen Doppelsinn in seinen Film ein, der ihn hinsichtlich der Konkurrenz ziemlich aufwertet. Das Thema des Eindringens – die Menschen dringen in das Tierreich ein, die Touristen in das „Territorium“ der alteingesessenen Australier, deren Vorfahren wiederum in den Lebensraum der australischen Ureinwohner eindrangen – schwingt die ganze Zeit mit. Dieser Subtext des Films und das angedeutete politische Statement sollten aber nicht überstrapaziert werden. Letztendlich geht es McLean darum, einen spannenden Film zu machen – und das ist ihm gelungen. Anders als andere Krokodil- und Riesenschlangenfilme dauert es keine halbe Ewigkeit, bis die Tiere zum ersten Mal in Erscheinung treten. Schon am Anfang der Touristenrundfahrt wimmelt es in dem Gewässer geradezu von Krokodilen. Ihr Vorhandensein erzeugt beim Zuschauer ein flaues Gefühl und stimmt gut auf die kommende Bedrohung ein. Diese fällt dann freilich ein paar Nummern größer aus!

    Für Filmemacher, die versuchen, das Thema ernsthaft zu bearbeiten, stellt sich vor allem das Problem, das Tiermonster nicht mit Superlativen (Größe, Intelligenz) zu versehen, da das Ganze sonst schnell ins Lächerliche abgleitet. Andererseits darf „das Monster“ auch nicht zu realistisch dargestellt werden, da sich sonst der Angstfaktor erheblich reduziert. McLean meistert diese Aufgabe gut. Sein Krokodil ist groß, aber nicht gigantisch, intelligent, aber immer noch Tier. Vor allem – und das ist natürlich besonders wichtig – sieht das computergenerierte Krokodil echt aus. Nach dem spannungsgeladenen Auftakt, an dessen Ende die Touristen auf einer matschigen Insel stranden, die droht, von der Flut verschlungen zu werden, erinnert der Film dank seines klaustrophobischen Szenarios etwas an Ruinen. Auch dort saßen die Protagonisten an einem sehr begrenzten Ort fest. Wobei Carter Smith es in seinem Debüt nicht versäumte, sowohl für eine äußere als auch für eine innere Bedrohung zu sorgen. Was zu den Schwächen von „Rogue“ überleitet.

    Derer hat der Film zwei. Für die erste kann der Regisseur relativ wenig: Die Möglichkeiten eines Krokodilfilms sind begrenzt und auch „Rogue“ zaubert nichts wirklich Neues aus dem Tümpel. Zwar setzt der Australier hier und da Akzente und lässt es weder an spannenden noch an augenzwinkernden Momenten mangeln, aber letztendlich funktioniert eben doch alles nach dem Zehn-Kleine-Negerlein-Prinzip. Der guten Regie und dem angemessenen Schauspiel – hier sind vor allem die aus Silent Hill bekannte Radha Mitchell und Sam MacBeth Worthington zu nennen – ist es zu verdanken, dass der Film eine recht gute Figur macht, auch wenn letztendlich nur Altbekanntes serviert wird. Den Schuh, den sich McLean allerdings anziehen muss: Er schöpft die interessante Figurenkonstellation und Charakterzeichnung nicht voll aus. Die sich anfangs anbahnenden Konflikte zwischen den Figuren, etwa zwischen den Einheimischen und den Touristen oder zwischen Neil und Kate, werden mehr und mehr dem Krokodil geopfert. Doch auch wenn McLean die Intensität seines Debüts nicht erreicht, ist sein zweiter Film alles andere als misslungen. Innerhalb des Genres nimmt „Rogue“ immer noch einen Spitzenplatz ein – und das ist ja schon mal was!

    Fazit: Der unprätentiöse, handwerklich sauber gearbeitete Tierhorrorfilm um eine Gruppe Touristen, die in einem australischen Nationalpark von einem Krokodil bedroht werden, hält sich mit Gewaltdarstellungen meist zurück und glänzt stattdessen mit atmosphärischen Naturaufnahmen und einem soliden Spannungsaufbau.

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